15.02.2011

Anekdoten aus der Gesetzgebung


NRW gibt Inkrafttreten eines Staatsvertrages für Sachsen bekannt

Anekdoten aus der Gesetzgebung


NRW gibt Inkrafttreten eines Staatsvertrages für Sachsen bekannt

Föderalismusreform einmal anders: 
Bekanntmachung für Sachsen im Gesetz- und Verordnungsblatt NRW | © Frank Eckgold - Fotolia
Föderalismusreform einmal anders: Bekanntmachung für Sachsen im Gesetz- und Verordnungsblatt NRW | © Frank Eckgold - Fotolia

„Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler.“ Diese Erkenntnis ist nicht wirklich neu und trifft auch auf Lebensbereiche zu, in denen man sie eher nicht vermutet. So verspricht die Lektüre von Gesetz- und Verordnungsblättern manch amüsante Anekdote.

Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag


Wir erinnern uns: Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006 (BGBl. I S. 2034) und der Auflösung des Art 74 a GG fiel die bis dahin konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Besoldung, Versorgung und das Dienstrecht der Landesbeamten in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. In Hinblick auf das Dienstrecht machte nun das Land Nordrhein-Westfalen von dieser neuen „Freiheit“ in besonderer Weise Gebrauch.

Richten wir den Blick auf den Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag. Die Versorgungslastenteilung bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln ist jetzt Ländersache. Gleichwohl sind einheitliche Regelungen für eine verursachungsgerechte Verteilung der Versorgungslasten erforderlich.


Zu diesem Zweck wurde dieser Staatsvertrag geschlossen (verkündet im BGBl. I 2010, S. 1288 sowie in den Gesetz- und Verordnungsblättern der Länder). § 17 Abs. 1 regelt das Inkrafttreten des Staatsvertrages, was zunächst das Hinterlegen der Ratifikationsurkunde bei der Staats- oder Senatskanzlei des Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz (in diesem Fall: Sachsen-Anhalt) durch das jeweilige Bundesland voraussetzt.

Soweit die Vorgeschichte. Werfen wir nun einen Blick auf den Freistaat Sachsen. Hier bestimmt das Gesetz zum Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag vom 23.09.2010 (SächsGVBl. S. 264) in Art. 2 Abs. 2: „Der Tag, an dem der Staatsvertrag nach seinem § 17 Abs. 1 in Kraft tritt, ist durch die Sächsische Staatskanzlei im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt zu machen.“

Die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch den Freistaat Sachsen erfolgte am 19.10.2010, indes ließ die Bekanntmachung des Inkrafttretens durch die Sächsische Staatskanzlei noch auf sich warten. Dies dauerte der nordrhein-westfälischen (!) Landesregierung offenbar zu lange. Zu seiner Überraschung fand der geneigte Leser im nordrhein-westfälischen Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 29 vom 10.11.2010 (GV. NRW. S. 550) die Bekanntmachung des Inkrafttretens des Staatsvertrages zum 01.02.2011 für den Freistaat Sachsen, unterzeichnet von der Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft.

Der Freistaat Sachsen reagierte zunächst nicht. 


Dafür zeigte Nordrhein-Westfalen nur 14 Tage später, wie ernst es dem bevölkerungsreichsten Bundesland mit dem Ausbau der föderalen Zusammenarbeit ist. In GV.NRW. Nr. 31 vom 20.11.2010, S. 602 erfolgte eine „Berichtigung der Bekanntmachung des Inkrafttretens des Staatsvertrages über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln“ betreffend den Freistaat Sachsen. Denn: Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 des Staatsvertrages tritt der Vertrag für die Parteien mit Wirkung zum Beginn des dritten Folgemonats ab Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft. Da die Hinterlegung am 19.10.2010 erfolgte (so auch in GV.NRW. S. 550 in der Bekanntmachung mitgeteilt), ist maßgeblicher Inkrafttretens-Zeitpunkt des Staatsvertrags für den Freistaat Sachsen der 01.01.2011 (nicht: 01.02.2011).

Der Freistaat Sachsen reagierte weiterhin nicht.


War die Veröffentlichung im nordrhein-westfälischen Gesetz- und Verordnungsblatt nicht bis zur Sächsischen Staatskanzlei durchgedrungen? Oder nahm man zunächst an, dass sich eine Bekanntmachung im SächsGVBl. nun erübrigt?

Wohl kaum. Man hatte es im Freistaat Sachsen einfach nicht so eilig:

Etwas versteckt auf der letzten Seite des letzten Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblattes des Jahres 2010 (SächsGVBl. Nr. 17 S. 458) erfolgte nun die Bekanntmachung – ohne Bezug auf Nordrhein-Westfalen, versteht sich.

Ausflugsorte und Ladenöffnungsgesetz


Szenenwechsel. Aber bleiben wir zunächst in Sachsen: Seit dem 01.01.2011 ist das neue Sächsische Ladenöffnungsgesetz vom 01.12.2010 (SächsGVBl. S. 338) in Kraft. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 SächsLadÖffG kann eine Gemeinde auf Antrag bei Erfüllung bestimmter Kriterien als Ausflugsort anerkannt werden. § 7 Abs. 3 Satz 5 SächsLadÖffG bestimmt: „Die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes anerkannten Ausflugsorte werden im Sächsischen Amtsblatt veröffentlicht.“ Eine entsprechende Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr über die Liste der Ausflugsorte im Freistaat Sachsen gemäß § 7 Abs. 3 SächsLadÖffG vom 03.12.2010 (SächsABl. 2011 S. 5) enthält eine mehrseitige Aufstellung anerkannter Ausflugsorte. Diese Liste entspricht der Anlage 1 zu § 1 der Sächsischen Ladenschlussverordnung und wurde von dort übernommen. Das Problem: die Sächsische Ladenschlussverordnung – seit 01.04.2007 nur noch aus § 1 und Anlage 1 bestehend – ist zum 01.01.2011 außer Kraft getreten (s. SächsGVBl. 2010 S.340).

Gibt es deshalb seit dem 01.01.2011 keine anerkannten Ausflugsorte in Sachsen? Dies wäre wohl kaum das gewünschte Ergebnis. § 7 Abs. 3 Satz 5 SächsLadÖffG muss wohl dahingehend interpretiert werden, dass die Übernahme der bisher anerkannten Ausflugsorte über den 01.01.2011 hinaus im Sächsischen Amtsblatt veröffentlicht werden sollte. Geschrieben hat es der Gesetzgeber nicht.

Ausbildungs- und Prüfungsordnung gehobener Dienst


Werfen wir einen Blick nach Thüringen: Hier entstand für die Laufbahnprüfung des gehobenen nichttechnischen Dienstes in der staatlichen und kommunalen Verwaltung – offenbar zunächst unbemerkt – vorübergehend ein rechtsfreier Raum. Und das kam so:

Die entsprechende Thüringer Ausbildungs- und Prüfungsordnung (APOgD) vom 14.05.2004 (GVBl. S. 613) war bis zum 30.09.2010 befristet. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Vorschrift weder entfristet, noch eine neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung verkündet. Letzteres geschah erst deutlich später: Die Thüringer Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Dienstes in der Kommunalverwaltung und der staatlichen allgemeinen Verwaltung (ThürAPOgD) vom 11.11.2010 (GVBl. S. 374) wurde am 30.11.2010 verkündet – mit dem rückwirkenden Inkrafttreten zum 01.10.2010. Für die Dauer von 2 Monaten war also keine einschlägige Ausbildungs- und Prüfungsordnung vorhanden.

Deutsch-Französische Konsultationsvereinbarung


Nun wollen wir es an dieser Stelle nicht versäumen, uns auch dem Bundesgesetzgeber kurz zu widmen. Die Deutsch-Französische Konsultationsvereinbarungsverordnung vom 20.12.2010 (BGBl. I S. 2138) definiert in ihrem § 5, welche Städte zum Grenzgebiet im Sinn des deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens zu zählen sind. Eine Aufstellung der dazugehörigen deutschen Städte und Gemeinden findet sich in einer Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 der Konsultationsvereinbarungsverordnung. Und man reibt sich die Augen: Sämtliche Städte sind mit vierstelliger Postleitzahl versehen.

Und was ist mit Europa?


Nun, im Amtsblatt der Europäischen Union ist zur Zeit Vergleichbares nicht zu lesen. Aber in europäischen Institutionen, soviel ist sicher, arbeiten auch nur Menschen. So hat die EU-Kommission kürzlich 3,2 Millionen Kalender an 21.000 Schulen der EU verteilen lassen. Im Gegensatz zu den Feiertagen anderer großer Religionen war in den Kalendern weder Weihnachten noch irgendein anderer christlicher Feiertag verzeichnet.

 

Ass. iur. Hanno Thielen

Leitender Lektor, Richard Boorberg Verlag Stuttgart
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