15.02.2011

Auskunftssperren gegen die Angst

Meldebehörden schützen gefährdete Personen

Auskunftssperren gegen die Angst

Meldebehörden schützen gefährdete Personen

Für bestimmte Personengruppen sind Auskunftssperren sinnvoll. | © kebox - Fotolia
Für bestimmte Personengruppen sind Auskunftssperren sinnvoll. | © kebox - Fotolia

Wer umzieht, muss sich beim Einwohnermeldeamt des neuen Wohnorts anmelden. Warum das eigentlich so ist, fragen sich allerdings die wenigsten. Eine eher allgemeine Antwort darauf hat der Europäische Gerichtshof im Jahr 1989 gegeben: Jeder Staat habe ein nachvollziehbares Inte­resse an der „genauen Kenntnis von Bevölkerungsbewegungen in seinem Hoheitsgebiet“ (EuGH, Urt. v. 12.12.1989, Az. C-265/88, „Fall Messner“).

Zwei andere, deutlich konkretere Aspekte hob der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Jahr 1985 in sehr plastischen Worten hervor: Es gebe kein Recht des Bürgers, untertauchen zu können und für die Gemeinschaft nicht erreichbar zu sein.

Sonst sei es dem Staat nicht möglich, seine Aufgaben (etwa die Durchführung von Wahlen) ordnungsgemäß wahrzunehmen. Schützenswert sei aber auch der Privatrechtsverkehr der Bürger untereinander. So dürfe es etwa einem Schuldner nicht freigestellt sein, sich für seinen Gläubiger unauffindbar zu machen (BayVerfGH NJW 1985, 1212,1213).


„Einfache Melderegisterauskunft“ auf Wunsch


Berücksichtigt man diesen Aspekt, dann kann es nicht besonders überraschen, dass grundsätzlich jeder beim Einwohnermeldeamt eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ über eine beliebige Person erhalten kann. Diese Art der Auskunft ist rahmenrechtlich in § 21 MRRG geregelt, in allen Landesmeldegesetzen landesrechtlich umgesetzt und gibt der Meldebehörde die Befugnis, „Auskunft über Vor- und Familiennamen, Doktorgrad und Anschriften einzelner bestimmter Einwohner“ zu erteilen.

Dabei hebt das Gesetz ausdrücklich hervor, dass dies auch gilt, wenn „jemand Auskunft über Daten einer Vielzahl namentlich bezeichneter Einwohner“ begehrt. Die landesrechtlichen Vorschriften überlassen es teils dem Ermessen der Meldebehörde, ob eine solche Auskunft erteilt wird, teils gehen sie jedoch sogar so weit, einen ausdrücklichen Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen Auskunft festzuschreiben (so Art. 31 Abs. 1 Bayerisches Meldegesetz).

Auskunft – denkbare Gefahrenquelle für den Betroffenen


Die meisten Bürgerinnen und Bürger werden mehr oder weniger gleichgültig mit den Schultern zucken, wenn man ihnen diese Rechtslage erläutert. Bei bestimmten Personen, die rein äußerlich nichts verbindet, wird ein Hinweis auf diese Rechtslage jedoch erhebliche Nervosität auslösen. In der Praxis sind dies vor allem

– oberste Führungskräfte der Wirtschaft,

– Staatsanwälte und Richter,

– Personen aus dem Sicherheitsbereich (Polizei und Verfassungsschutz),

– (Ehe- )frauen, die sich erst kürzlich von ihrem Partner getrennt haben.

Fragt man danach, was diese Personen gemeinsam haben, so lässt sich das auf das schlichte Wort „Angst“ reduzieren:
 nämlich Angst vor Entführung und Erpressung (bei Führungskräften der Wirtschaft), vor Racheakten (besonders oft die Befürchtung von Staatsanwälten, Richtern und Polizisten) oder auch vor Nachstellungen und Belästigungen (in der Regel ins Feld geführt von Frauen in Trennungssituationen).

Dass es dabei oft genug keineswegs um Hirngespinste geht, belegen Fälle wie die Entführung und Tötung des Frankfurter Bankierssohns von Metzler, teils blutige Attacken auf Staatsanwälte oder auch krankenhausreif geprügelte Frauen, deren Ex-Partner nicht darüber hinwegkamen, dass sich die Frau von ihm getrennt hat.

Auskunftssperre als Ausweg


Falls es Anhaltspunkte dafür gibt, dass dergleichen drohen kann, muss das Recht einen Ausweg bieten aus dem Dilemma, dass einerseits jeder, der eine Wohnung bezieht, einer Meldepflicht zum Einwohnermelderegister unterliegt (siehe dazu § 11 MRRG und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen), es andererseits aber nicht dazu kommen darf, dass eine aus dem Register erteilte Auskunft zu einer Gefährdung des Betroffenen führt. Das Instrument dafür ist die „Auskunftssperre wegen Gefährdung“.

Sollten im Einzelfall Tatsachen vorliegen, die ernsthaft die Annahme rechtfertigen, dass Gefahren der geschilderten Art drohen, muss die Meldebehörde auf Antrag oder sogar von Amts wegen eine solche Auskunftssperre im Melderegister eintragen.

Dies legt § 21 Abs. 5 Satz 1 MRRG rahmenrechtlich fest und ist in Umsetzung dieser Vorschrift in allen Landesmeldegesetzen verankert.

Wie häufig sind solche Fälle? Eine bewährte Faustregel sagt, dass in einer Durchschnittsgemeinde, die keine Besonderheiten aufweist, pro 2.000 Einwohnern nicht mehr als eine einzige solche „Auskunftssperre wegen Gefährdung“ im Melderegister eingetragen sein sollte.

Abweichungen nach oben, sogar solche erheblicher Art, kommen freilich vor. So gibt es zahlenmäßig kleine Gemeinden – in der Regel in der Nähe von Großstädten und von gehobenem Wohnwert – in denen besonders viele Führungskräfte der Wirtschaft wohnen.

In solchen Fällen kann die Zahl der Auskunftssperren wegen Gefährdung weit über dem Durchschnittswert liegen. Entscheidend für die Frage, ob die Eintragung einer Auskunftssperre geboten ist, ist das Vorliegen einer „bloßen“ Gefährdung. Das muss genügen, denn würde man fordern, dass sich die Gefährdung bereits verwirklicht und der oder die Betroffene einen Schaden erlitten hat, käme die Sperre zu spät. Andererseits muss gerade eine Auskunftssperre geeignet sein, einer drohenden Gefährdung zu begegnen. Verknüpft man beides, so setzt die Eintragung einer Auskunftssperre voraus, dass nicht weniger als fünf Kriterien erfüllt sind:

1. Es müssen Tatsachen vorliegen,

2. welche die Annahme rechtfertigen, dass

3. dem Betroffenen oder auch einer anderen Person (etwa Angehörigen)

4. gerade durch eine Melderegisterauskunft

5. eine Gefahr für „Leib, Gesundheit, persönliche Freiheit oder schutzwürdige Interessen“ erwachsen kann.

(Zu weiteren Einzelheiten und speziellen Fallgruppen siehe Ehmann, Mit Meldedaten richtig umgehen, S. 225 – 242
)

Soll das Erteilen von Melderegisterauskünften nicht über Gebühr beschränkt werden, dann muss die Meldebehörde einen strengen Maßstab anlegen, bevor sie das Eintragen einer Auskunftssperre bewilligt. Sonst käme es nämlich genau zu dem, was nach der Rechtsprechung vermieden werden muss: Anstelle aus Angst vor ihrem Noch-Ehemann würde eine getrennt lebende Frau eine Sperre eintragen lassen, damit ihre zahlreichen Gläubiger ihrer nicht mehr habhaft werden können. Oder Führungskräfte der Wirtschaft würden die Auskunftssperre vielleicht als reines Statussymbol betrachten und der eine oder andere Polizist würde sich besonders wichtig vorkommen, wenn er persönlich eine Auskunftssperre erreichen kann, seine Kollegen dagegen nicht.

Auskunftssperre und Polizei


Gerade im Fall des Polizisten wird sich die Meldebehörde aber recht leicht tun. Es ist üblich und sinnvoll, sich von Polizisten, die eine Gefährdungslage ins Feld führen, eine entsprechende Bescheinigung der vorgesetzten Dienststelle vorlegen zu lassen. Dort wird in aller Regel sehr genau differenziert, ob ein Polizist tatsächlich gefährdet ist, etwa weil er mit der Bekämpfung organisierter Kriminalität zu tun hat oder ob dies – etwa weil er sich nahezu ausschließlich mit der Aufklärung von Verkehrsunfällen befasst – naheliegenderweise nicht der Fall ist.

Andererseits wird die Meldebehörde sich bei einer Frau, die getrennt lebt, nicht mit eindrucksvollen Schilderungen angedrohter Misshandlungen zufrieden geben, sondern sie an die Polizei verweisen. Dort kann fachkundig überprüft werden, ob vom Noch-Ehemann wirklich eine Gefahr ausgeht oder ob vielleicht ein polizeilicher Hinweis an ihn genügt, dass man bei jeglicher Art von Übergriff entschieden gegen ihn vorgehen wird.

Daten Betroffener sind anderweitig öffentlich zugänglich


Die Eintragung mancher Auskunftssperre scheitert in der Praxis übrigens schlicht daran, dass der Betreffende zwar einerseits eine solche Sperre wünscht, aber andererseits seine persönlichen Daten freigiebig im Internet streut. Eine simple Namenssuche über Google oder Yahoo fördert nicht selten so viele persönliche Daten, teils sogar einschließlich der exakten Wohnanschrift, zutage, dass jegliches Eintragen einer Auskunftssperre sinnlos wäre. Denn wenn etwaige Bösewichte über eine Internetrecherche genauso gut ans Ziel kommen wie über eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt, dann werden sie sich kaum dorthin wenden, um gegen eine Gebühr weniger Informationen zu bekommen als im Internet gratis verfügbar sind.

Deshalb haben es sich die meisten Meldebehörden zur Gewohnheit gemacht, vor dem Eintragen einer Auskunftssperre zunächst einmal in Personensuch-Portalen wie
 www.yasni.de zu überprüfen, ob die zu schützenden Daten dort nicht schon längst öffentlich zugänglich sind. Erst wenn der – darüber oft hell entsetzte – Betroffene die Daten im Internet hat löschen lassen, kann ihm eine Auskunftssperre überhaupt helfen.

 

Dr. Eugen Ehmann

Regierungspräsident
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