15.02.2011

Die Stadt als Marke

Konzept für Kommunen in der Krise

Die Stadt als Marke

Konzept für Kommunen in der Krise

Städte müssen auffallen, um in Zukunft eine Zukunft zu haben. | © Phoenixpix - Fotolia
Städte müssen auffallen, um in Zukunft eine Zukunft zu haben. | © Phoenixpix - Fotolia

Städte, Regionen und Länder sind Marken. Sie besitzen alles, was eine Marke ausmacht: einen Namen, einen besonderen Ruf, eine häufig alte Tradition, ein spezifisches Angebot, einen eigenen Charakter (Der Einfachheit halber ist im Folgenden nur von Stadt-Marken die Rede. Die Ausführungen beziehen sich analog auf Regionen und Länder). Könnten Städte demnach nicht auch wie Marken entwickelt und geführt werden? Selbstverständlich sind Städte komplexere Gebilde als Autos, Erfrischungsgetränke oder Fettcremes. Doch diese Erkenntnis bedeutet nicht, dass man von der Vermarktung von Industriegütern oder Dienstleistern nicht lernen kann.

Die Städte und Regionen Europas haben schon immer miteinander konkurriert: um Menschen, Kapital und Macht. Griechenlands Städte maßen sich schon in der Antike, Italiens Stadtrepubliken buhlten um die Vorherrschaft und die Residenzstädte in Mitteleuropa versuchten sich gegenseitig auszustechen. Immer schon wurde miteinander gewetteifert um Menschen und Kapital, um Veranstaltungen und Kultur. Im Kern ging es immer um die Frage, was kann eine Stadt A besser als eine Stadt B. Wohin geht man zum Studieren? Wo will man arbeiten? Wo lässt es sich gut leben? Diese Konkurrenz von Städten und Regionen war und ist eine wichtige Triebfeder.

Daran hat sich in der Substanz bis heute nichts geändert. Im 21. Jahrhundert besteht das Brot-und-Butter-Geschäft der Städte im Anlocken von Touristen und Investoren. Es geht darum, zeitgemäße und profitable Kongresse und Messen zu realisieren oder Publikum anziehende Veranstaltungen zu entwickeln. Besonders offensichtlich wird diese Konkurrenz, wenn es einen offensichtlichen Wettstreit gibt, um sich als Kandidat zum Beispiel für die Ausrichtung von Weltmeisterschaften oder Olympischer Spiele zu qualifizieren. Wie sollen also Deutschlands Städte agieren, um ein optimales Angebot für ihre Bürger zu bieten und die Weichen richtig zu stellen, um zukünftig Erfolg zu haben?


Die Herausforderungen sind enorm

Die heutige Zeit ist durch radikale Veränderungen gekennzeichnet: Die Globalisierung tariert die Gewichte neu aus. Die europäische Gemeinschaftswährung macht die Leistungen überall in Europa transparent, während das Internet die Kommunikation revolutioniert.

Und jetzt auch noch die Krise: Die finanzielle Entwicklung der bundesdeutschen Kommunen in den vergangenen Jahren darf mit Fug und Recht dramatisch genannt werden: Wenn die Gewinne der in einer Stadt ansässigen Unternehmen sinken, reduzieren sich auch die Gewerbesteuereinnahmen, eine der Haupteinnahmequellen der Kommunen. Diese Einnahmen sind 2009 um durchschnittlich 17 Prozent gesunken. Das im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise angehäufte Defizit betrug nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in den ersten drei Quartalen des Jahres 2009 bundesweit 6,7 Milliarden Euro. Für 2010 prognostizierten die Ökonomen des Bundesfinanzministeriums ein Defizit von 12 Milliarden Euro. Ein Ende der Misere ist vorerst nicht abzusehen. Es mehren sich die Berichte von frustrierten Kämmerern und radikalen kommunalen Sparprogrammen.

Neben der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise existiert eine andere deutlich länger, die die aktuelle Entwicklung jedoch ein wenig in den Hintergrund gedrängt hat: Wir befinden uns nach wie vor in einer demografischen Krise. Geht der Mensch, kommt der Wolf – dies ist in Teilen Brandenburgs seit einiger Zeit schon keine Fiktion mehr. Und wesentlich anders wird das Abwandern von Bevölkerung auch nicht im Hunsrück oder anderswo in Deutschland wahrgenommen. Der Wettbewerb um gute und sehr gute Fach- und Führungskräfte ist in vollem Gange. Mithin stehen Städte und Kommunen vor einer doppelten Herausforderung: Die wirtschaftliche Entwicklung sowie ihre Folgen wiegen schwer und der demografische Druck nimmt zu. Zukunftsweisende Lösungen müssen für beide Herausforderungen gefunden werden. Der harte Wettbewerb um Köpfe, Unternehmen, Touristen, Events und Investitionen hat gerade erst begonnen. Um in diesem Konkurrenzkampf bestehen zu können, bedarf es daher nicht zuletzt eines stets aufs Neue zu optimierenden Standortmarketings.

Die Hausaufgaben sind selten gemacht

Städte müssen auffallen, um in Zukunft eine Zukunft zu haben. Wie aber fällt man auf? Ist das Standortmarketing wirklich überall alleinstellend? Versprechen nicht viele Standorte in Deutschland das Gleiche? Ist es nicht vielmehr so, dass kaum ein Profil wirklich herausragt? Fast jeder Standort in Deutschland?

– „bietet die besten persönlichen Entwicklungschancen“,

– „liegt in der Mitte Europas“,

– „besitzt Vielfältigkeit“.

Zu fragen und zu analysieren ist jedoch:

– Für welche herausragenden Leistungen und Angebote steht die Stadt?

– Welche Kultur prägt einen besonderen Charakter aus?

– Wie sind Touristen, Eventveranstalter, Unternehmen, Investoren anzusprechen?

– Welche Inhalte eignen sich dazu, bei den Zielgruppen zu punkten?

Im Idealfall sind alle diese Fragen geklärt, es existiert ein alleinstellendes Profil einer Stadt, eine nachhaltig ausgerichtete Strategie ist entwickelt und wird mit dem richtigen Personal umgesetzt. Doch die Realität sieht häufig eher wie folgt aus:

– Es wird mit Vielfalt geworben, statt sich auf tatsächliche Stärken zu konzentrieren.

– Es gibt zu viele Ansprechpartner und Kompetenzgerangel in einer Kommune.

– Es gibt zu viele und sich auch widersprechende Informationen und Angebote.

– Es fehlt ein klar sortierter Satz an Informationsinstrumenten.

– Es mangelt an einem familienähnlichen Auftritt der Akteure einer Stadt.

Kurz gesagt: Nur wenige deutsche Städte haben sich richtig aufgestellt und ihre „Hausaufgaben“ gemacht. Wollen die Kommunen die Herausforderungen meistern, so können Sie gerade jetzt die Zeit der Krise nutzen, um sich auf das Richtige und Wichtige zu konzentrieren.

Die richtigen Fragen stellen

In Deutschland gibt es bislang keine Stadt, die konsequent wie eine Marke geführt wird. Ansätze sind vorhanden: Solingen lässt sich als Marke schützen und einige Städte sprechen von sich schon als Marke. Allen Ortes gibt es Gesellschaften, die ihre Tätigkeit als zentrale Aufgabe der Stadt verstehen. Doch tatsächlich sind höchstens Ansätze eines effektiven städtischen Marken-Managements zu beobachten.

Denn in vielen Städten sind die Kräfte und Strukturen zersplittert. Die Inhalte sind selten pointiert und das Erscheinungsbild ist zumeist uneinheitlich. Warum ist es eigentlich so schwierig, Standort- oder Stadt-Marketing aus einem Guss zu realisieren? War bislang der Druck einfach nicht groß genug, alte Zöpfe abzuschneiden?

Vielleicht helfen folgende Überlegungen, einen einfachen und plausiblen Weg zu finden:

Zunächst steht jede deutsche Stadt vor elementaren Herausforderungen, die sich vereinfacht in soziologische und ökonomische Zukunftsfragen einteilen lassen. Bei den soziologischen Zukunftsfragen handelt es sich um solche Fragen, die den Bürger unmittelbar angehen: Wie kann das städtische Angebot an Dienstleistungen erhalten / verbessert werden? Wie ist auf das Älterwerden der Bevölkerung zu reagieren? Wie können unterschiedliche Ethnien und Gruppen integriert werden? Wie ist das Verwaltungspersonal optimal weiterzuentwickeln? Wie kann man das Engagement der Bürger am Gemeinwesen steigern?

Erfolgreiche Konzepte müssen auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit angelegt sein, da ihre Erfolge den Bürger interessieren und es um die Substanz der Stadt geht. Letztlich ist die Zufriedenheit der Bevölkerung der Gradmesser für den Erfolg der Anstrengungen von kommunaler Politik und Verwaltung. Schafft es eine Stadt nicht, attraktiv für ihre Bürger zu bleiben, so erfolgt in letzter Konsequenz die Abstimmung mit den Füßen, die Abwanderung.

Darüber hinaus gibt es ein Bündel aus eher ökonomischen Zukunftsfragen, die sich vor allem um die Vermarktung des Standortes drehen.

Hier muss die Stadt einen Lösungsansatz entwickeln für ein Fragenbündel, dass vor allem die Außendarstellung betrifft: Wie kann die Stadt ihr Image verbessern? Wie kann die Stadt das Engagement von Investoren steigern? Wie kann die Stadt mehr Touristen anlocken? Wie kann die Stadt bei jungen Talenten punkten?

Wenn es gelingt, ein sehr schlüssiges und überzeugendes Konzept zu entwickeln, kann die Wettbewerbsposition gegenüber den Konkurrenten verbessert werden. Kaufkraft wird abgezogen und die Stadt übt Anziehungskraft für Investoren und Talente aus. Markenmäßig könnte man von der Markensteuerung sprechen. Bleibt man in der Diktion von Marken, so ist der Zusammenhang von Markenentwicklung und Markensteuerung in Hinblick auf Städte offensichtlich. Gelingt es, die Stadt in ihrer markanten Besonderheit attraktiv zu halten und gelingt es, diese Besonderheit optimal zu vermarkten, so kann der Erfolg der Stadt gesteigert werden.

Die engagierten Macher finden

Gerade bei der Vermarktung von Städten geht es darum, die richtigen Köpfe zu gewinnen. Stadt-Marketing ist eine ex­trem komplexe Aufgabe und verlangt besonderes handwerkliches und persönliches Geschick, in vielen Bereichen sogar diplomatisches Können. Es gilt also, diejenigen Personen zu finden, die den Standortvorteil einer Kommune herausarbeiten, vermitteln und somit neue Investoren und Unternehmen „anlocken“ können.

Talentierte Führungskräfte und leistungsfähige Mitarbeiter im Standortmarketing müssen die unterschiedlichen Interessen aus Verwaltung, Wirtschaft, Politik, Einzelhandel, von gemeinnützigen Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen in einen überzeugenden Gleichklang bringen. Es fällt immer schwerer, dafür geeignetes Führungspersonal zu finden. Vielmehr sind eine erhebliche Fluktuation der Akteure sowie eine hohe Abbrecher-Quote zu beobachten. Die Gründe mögen vielfältig sein: bessere Gehälter und Karriere­perspektiven in der Wirtschaft, verschlechterte Bedingungen im öffentlichen Dienst. Die Folge dieser hemmenden Fehlentwicklung für die Kommunen sind eindeutig: Verlust an Zeit und Geld, die ein erfolgreiches Standortmarketing behindern. Es gibt jedoch professionelle Möglichkeiten, dies zu verhindern. A und O ist eine präzise Positions- und Umfeldanalyse (Ist und Soll) über

– Marktposition, Wettbewerb, Benchmarks

– bisherige und künftige Besetzung, Hauptaufgaben, Perspektiven

– Aufbauorganisation (Vorgesetzte, Kollegen, Schnittstellen)

– Akteure, Kultur und Prozessabläufe der Kommune.

Das so verdichtete Wissen ermöglicht es, ein optimales Anforderungsprofil aus persönlicher und fachlicher Eignung für die zu besetzende Stelle zu erstellen, was einem effizienten Auswahlprozess zugute kommt. Ist der geeignete Kandidat gefunden, so beginnt mit der Vertragsunterzeichnung die sensible Einführungsphase, die sich zur strategischen Neuausrichtung des Marketings eignet. Häufig wird der Neue ins kalte Wasser gestoßen und die Chance einer systematischen Nutzung dieser Chance vertan.

Das maßgeschneiderte Konzept entwickeln

Wichtig ist, dass das Stadt-Marketing nach wenigen verbindlichen Regeln funktioniert.

Stellt man die Stadt-Marke gedanklich in den Mittelpunkt und beschreibt die Anforderungen idealtypisch, so helfen folgende Überlegungen: Die Akteure müssen wissen, in welche Richtung sich eine Stadt als Marke entwickeln soll. Hierbei ist sicherlich eine realistische Einschätzung notwendig, doch ebenso sehr die Fähigkeit, die eigenen Möglichkeiten und die auf die Zukunft weisenden Trends richtig zu deuten. Daher benötigt eine Stadt-Marke eine Mission:

– Eine Stadt braucht klare Perspektiven und Ziele, ein verbindliches Leitbild hilft.

– Identität wird durch den Dreiklang Verhalten, Kommunikation, Gestaltung gelebt.

– Gemeinschaftliches Verhalten, Kommunikation und Gestaltung sind exakt festzulegen.

– Es muss klar sein, was gut für die Marke ist und was ihr schadet.

Die Orientierung am Markt sollte den Ausschlag für die Ausrichtung der Vermarktung einer Stadt-Marke sein. Selbstverständlich sind die Interessen der Bürger zu berücksichtigen (siehe Entwicklung der Marke), doch hinsichtlich der Vermarktung hilft die Orientierung an der tatsächlichen Wahrnehmung der Menschen und ihrer Einschätzung bezüglich einer Stadt-Marke. Die Wahrnehmung der Marktteilnehmer ist wichtiger als das Wunschdenken ihrer Vermarkter. Daher benötigt eine Stadt-Marke eine eindeutige Orientierung auf die Menschen, eine eindeutige Zielgruppenorientierung:

– Im Profil der Marke werden die alleinstellenden Attribute verdichtet.

– Das Erfolgsmuster einer Stadt muss im Detail bekannt sein.

– Es muss exakt bekannt sein, welche Leistungen den Ruf der Marke ausmachen.

Eine Stadt-Marke exzellent zu führen ist eine hohe Kunst. Dabei wird die Leistung von gutem Stadt-Marketing immer als Gemeinschaftsleistung wahrgenommen. Daher liegt der Schlüssel zum Erfolg im optimalen Orchestrieren der maßgeblichen Akteure. Daher benötigt eine Stadt-Marke ein intelligentes und zugleich integratives Konzept der Führung:

– Exzellentes Personal gibt dem Stadt-Marketing seine Prägung.

– Die Partner aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Gesellschaft müssen mitwirken. ?

– Das Prinzip der Gemeinschaftlichkeit muss konkret gelebt werden.

– Das Controlling muss helfen, die Ressourcen optimal einzusetzen.

Entscheidend sind die tatsächlichen und möglichst auch messbaren Erfolge beim Vermarkten einer Stadt. Beim Vermarkten sind die Akteure mit ihren Aktivitäten und ihren Kommunikationsinstrumenten und Distributionskanälen optimal zu verzahnen:

– Die vorhandene Kenntnis von Zielgruppen muss ausgebaut werden.

– Die Akteure sollten wenige zentrale Botschaften in den Märkten kommunizieren.

– Mit einem Mix an Kommunikationsinstrumenten sind die Zielgruppen zu erreichen.

– Die Akteure erreichen Mehrwerte durch Abstimmen der Inhalte, Mittel, Maßnahmen.

– Die Marke wird erst durch konkrete Anlässe lebendig.

Ein Konzept für das Stadt-Marketing muss – will es wirklich gut und umfassend sein – alle diese angesprochenen Aspekte berücksichtigen.

Die Krise als Chance zum Neustart nutzen

Die derzeitige Krise ist eine gute Zeit, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es ist die Zeit für die Mutigen, um jetzt die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, richtungsweisende Maßnahmen zu ergreifen und die He­rausforderungen der Zukunft anzunehmen. Gerade die Zeit knapper Mittel kann genutzt werden, um das Marketing einer Stadt auf den Prüfstand zu stellen. Marketing stellt immer die zwei entscheidenden Fragen „Tun wir die richtigen Dinge“ und „Tun wir die Dinge richtig!“ Wichtig ist, hierauf gute Antworten zu finden.

 

Dr. Justus Bobke

Historiker und Journalist, seit 2003 selbständiger Berater für Marketing und Kommunikation. Er unterstützt Städte und Kommunen beim Optimieren des Standortmarketings
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