21.12.2017

Grenzen der Berufsfreiheit

Taxistandplätze nicht im Belieben von Taxifahrern

Grenzen der Berufsfreiheit

Taxistandplätze nicht im Belieben von Taxifahrern

Die Einrichtung von Taxistandplätzen ist eine öffentlich-rechtliche Pflicht. | © Chris - stock.adobe.com
Die Einrichtung von Taxistandplätzen ist eine öffentlich-rechtliche Pflicht. | © Chris - stock.adobe.com

Das Taxigewerbe ist eine wichtige Ergänzung des ÖPNV, insbesondere zu Tageszeiten, an denen die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs ausgedünnt oder eingestellt sind. Taxistandplätze sollten daher möglichst gleichmäßig über das Stadtgebiet verteilt sein, um eine zeitnahe Bearbeitung der Fahraufträge gewährleisten zu können. Mit der Frage, ob ein Rechtsanspruch eines Taxifahrers oder Taxiunternehmers auf Einrichtung von (weiteren) Taxistandplätzen besteht, setzte sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Beschluss vom 23.03.2017 – 11 ZB 16.1828 sehr anschaulich auseinander.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Kläger, der als angestellter Taxifahrer ohne eigene Konzession in der Stadt S. tätig ist, begehrt die Einrichtung zweier Plätze zur Bereitstellung von Taxis zur Nachtzeit in der S-Innenstadt. Einen sprechenden Antrag stellte er – erfolglos – bei der beklagten Stadt S. Er trug vor, an diesen Örtlichkeiten sei ein erhöhter Bedarf an Taxiverkehr feststellbar. Ihm stehe – auch grundgesetzlich – ein Anspruch auf Einrichtung der beantragten Bedarfsstände zu.

Im Vordergrund stand damit die Frage, ob sich ein Anspruch eines Taxifahrers oder Taxiunternehmers auf Einrichtung von (weiteren) Taxistandplätzen aus den Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes ergeben kann. Zudem stand in Rede, ob man die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach Straßenverkehrsrecht als Grundlage für die Einrichtung von Taxibedarfsstandplätzen ansehen könnte. Konkret ging es dabei um das Vorliegen der erforderlichen Ausnahmesituation für eine Begünstigung des Klägers (individuell) oder der Personengruppe der Taxifahrer und Taxiunternehmer (allgemein).


Begriffsklärung: Öffentlicher Personennahverkehr

Entscheidend war, inwieweit der Verkehr mit Taxis im Innenstadtbereich der Beklagten überhaupt nach § 8 Abs. 2 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zum öffentlichen Personennahverkehr zu rechnen ist. Nach der gesetzlichen Definition ist öffentlicher Personennahverkehr zunächst die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, darüber hinaus aber auch der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen, der die Linienverkehre ersetzt, ergänzt oder verdichtet. Bereits hieraus ergibt sich eindeutig, dass nicht jeder Verkehr mit Taxis öffentlicher Personennahverkehr ist. An der Verfassungsgemäßheit der Regelungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 PBefG, wonach der Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen genehmigungspflichtig ist, und § 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG, wonach beim Verkehr mit Taxen die Genehmigung zu versagen ist, wenn die öffentlichen Verkehrsinteressen dadurch beeinträchtigt werden, dass durch die Ausübung des beantragten Verkehrs das örtliche Taxigewerbe in seiner Funktionsfähigkeit bedroht werde), besteht kein Zweifel. Die Frage, wie viele Taxikonzessionen ggf. zu erteilen sind, ist von der Frage zu unterscheiden, wie viele Taxistände und an welchen Stellen sie einzurichten sind.

Zum Anspruch auf Einrichtung von Taxistandplätzen

Die Einrichtung von Taxistandplätzen ist eine öffentlich-rechtliche Pflicht. § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG gewährt zwar nach allgemeiner Ansicht einen Rechtsanspruch des Taxifahrers auf Benutzung der behördlicherseits eingerichteten Taxistandplätze. Es lässt sich daraus aber weder für einen Taxiunternehmer noch für einen angestellten Taxifahrer ein subjektives Recht ableiten, dass an einer bestimmten Stelle ein Taxistandplatz errichtet wird oder bestehen bleibt. Art. 12 GG umfasst die Berufswahlfreiheit und Berufsausübungsfreiheit. Die Berufsausübung kann dabei durch Gesetz geregelt werden und gebietet es allenfalls, dass in einer größeren Gemeinde überhaupt Taxistandplätze eingerichtet werden, damit die Taxiunternehmer ihrer Betriebspflicht nicht nur vom Betriebssitz, sondern auch von einem Taxistandplatz aus nachkommen können. Bei einem Bestand von rund 2,5 Taxis pro 1 000 Einwohner und damit der höchsten Taxidichte in Deutschland konnte vorliegend in der Ablehnung der Einrichtung der vom Kläger beantragten beiden Taxistandplätze durch die Beklagte keine Berufszugangsbeschränkung für Taxifahrer gesehen werden.

Ansprüche im Rahmen der Verkehrsplanung

Ansprüche auf die Einrichtung oder Beibehaltung von Taxistandplätzen an konkreten Orten folgen weder aus dem Verkehrsentwicklungsplan oder dem Nahverkehrsplan noch aus dem regionalen Nahverkehrsplan. Denn die Verkehrsplanung dient der Daseinsvorsorge und der Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Raum. Sie erfolgt im öffentlichen Interesse und besitzt keine unmittelbare Rechtsverbindlichkeit gegenüber Dritten. Die vorhandenen Unternehmer sind lediglich dabei zu beteiligen und ihre Interessen angemessen und diskriminierungsfrei zu berücksichtigen.

Straßenverkehrsrecht

Die Rechtsgrundlage für die Einrichtung von Taxistandplätzen findet sich in § 47 PBefG. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVO können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen von den Halt- und Parkverboten sowie von den Verboten oder Beschränkungen, die etwa durch Vorschriftszeichen oder Anordnungen erlassen sind. Diese Regelungen geben der Straßenverkehrsbehörde zwar grundsätzlich die Möglichkeit, mit solchen Ausnahme-genehmigungen die verkehrsrechtlichen Anordnungen in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für eine bestimmte Personengruppe außer Kraft setzen zu können. Gleichwohl wird die betroffene Stelle, für die die Vorschriften außer Kraft gesetzt werden, deshalb aber noch keine behördlich zugelassene Stelle für das Bereithalten eines Taxis im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 PBefG. Ein Anspruch auf Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung scheidet daher aus.

Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung

Die Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO berechtigt nicht dazu, in beliebigen Fällen von Vorschriften der Straßenverkehrsordnung abzuweichen. Das Merkmal einer Ausnahmesituation ist unverzichtbarer Bestandteil der einheitlich zu treffenden Ermessensentscheidung. Die Ausnahmesituation ist der Ausgangspunkt der Gesamtabwägung; liegt sie bei einem gewichtenden Vergleich der Umstände des konkreten Falls mit dem typischen Regelfall nicht vor, ist mithin der Antragsteller in gleicher Weise von der verkehrsrechtlichen Vorschrift, von der er eine Ausnahme begehrt, betroffen wie alle anderen oder ein großer Teil der Verkehrsteilnehmer, so kann eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt werden, ohne dass es weiterer Abwägungen bedarf. In einem solchen Fall ist das Ermessen dahingehend auf null reduziert, dass die Ausnahmegenehmigung ausscheidet.

 

Dr. Udo Dirnaichner

Ministerialrat, Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
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