18.12.2017

Denkimpulse …

zur Digitalen Ethik

Denkimpulse …

zur Digitalen Ethik

Fragen der digitalen Ethik gewinnen an Bedeutung. | © kentoh - stock.adobe.com
Fragen der digitalen Ethik gewinnen an Bedeutung. | © kentoh - stock.adobe.com

Die voranschreitende Digitalisierung unserer Lebenswelten ist überall spürbar, beeinflusst die Wirtschaft, Wissenschaft sowie die Politik, und auch in der deutschen Verwaltung und dem Bildungssystem gewinnt sie immer mehr an Gewicht. Die Digitalisierung bietet große Chancen für die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und auch den Staat, aber weist auch Herausforderungen auf, denen wir uns reflektiert stellen müssen. Vor allem Fragen der digitalen Ethik gewinnen an immenser Bedeutung und müssen frühzeitig und vorausschauend, aber vor allem gesamtgesellschaftlich betrachtet und beantwortet werden.

Die Ethik allgemein ist eine philosophische Disziplin, welche dem Bereich der praktischen Philosophie zugeordnet wird und der Frage nach dem »guten Handeln« nachgeht. Die digitale Ethik greift bestimmte Phänomene des Digitalisierungsprozesses auf und fragt nach dem Guten und Richtigen im Big-Data-Zeitalter. Die Ethik als die »Lehre über das Gute« ist außerdem in der Pflicht, Prinzipien und Werte aufzuzeigen, mit denen über konkrete bereichsspezifische Fragestellungen reflektiert wird. Es geht schließlich auch um die Frage, mit welchen geistigen Instrumenten und Methoden wir den neuen Herausforderungen begegnen wollen.

Neue und unbewertete Handlungsoptionen durch Digitalisierung

Die Digitalisierung hat eine Dimension erreicht, die neue Formen der Datifizierung (Datenerhebung, -auswertung, -interpretation), der Automatisierung (z. B. über Algorithmen), der Virtualisierung und Vernetzung und der Mensch-Maschine-Interaktion zulassen. Technologische Entwicklungen führen heute ständig zu neuen, vorher noch nicht möglichen Handlungsoptionen, welche bisher allerdings gesellschaftlich noch nicht bewertet wurden. Ihr Einsatz findet heute bereits statt, hinsichtlich ihrer ethischen Einordnung ist somit Dringlichkeit geboten. Denn, nicht alles, was technisch machbar ist, ist gesellschaftlich auch gewollt.


Das momentan wohl prominenteste Diskussionsbeispiel ist das autonome Fahren. Wenn es zum Fall des Abwägens kommt, wer genießt den vorrangigen Schutz – die Autoinsassen oder die Passanten auf der Straße? Und wer trägt im Fall eines Unfalls die Verantwortung – der Fahrzeugführende, die Herstellerfirma des Autos oder aber der Softwareentwickelnde? Wie empirische Untersuchungen zeigen, plädieren die meisten Befragten zunächst dafür, das Leben der Fahrzeuginsassen zu opfern, um das Leben anderer zu retten. Nur, wer würde ein Auto kaufen, bei dem er weiß, dass es im Ernstfall gegen ihn und alle weiteren Mitfahrenden – vielleicht sogar die eigenen Kinder – entscheiden würde?

Digitale Ethik berührt nach und nach alle Lebensbereiche

Digitale Ethik betrifft jedoch viel mehr als nur das autonome Fahren. Auch Bereiche der Pflege, der Inneren Sicherheit, der Bildung, des Finanzwesens, eigentlich jeder Bereich unseres Lebens wird nach und nach eine entsprechende ethische Einordnung erfordern. Werden in einem Altenheim Assistenzroboter eingesetzt, könnten diese die Menschen pausenlos im Blick behalten. Wenn nun eine ältere Dame aufgrund ihres Diabetes keine Schokolade essen sollte, könnte der Roboter dies lückenlos überwachen und sofort ahnden. Was aus gesundheitlichen Gründen vielleicht sinnvoll ist, ist menschlich aber durchaus kritisch zu sehen. Wollen wir einem Menschen die Eigenverantwortung an diesem Punkt wirklich vollkommen absprechen? Ist es in fortgeschrittenem Alter entscheidend, wie lange man noch lebt oder eher wie lebenswert die letzten Jahre noch sind? Und gehören nicht genau diese kleinen Sünden zu einem lebenswerten Alltag? Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, wem soll der Roboter berichten? Die Frau direkt ansprechen und sie ermahnen, soll es dem Pflegepersonal gemeldet werden oder gleich den Familienmitgliedern? Oder allen gleichzeitig? Und, sollte dies überhaupt grundsätzlich über den Kopf der zu betreuenden Person hinweg entschieden werden? Sicherlich sind auch Krankenkassen sehr interessiert an dem Verhalten ihrer Kunden und Kundinnen. Sollte man sie ebenfalls informieren, sodass sie bei vorbildlicher Lebensführung Boni oder Rabatte anbieten könnten? Was allerdings ist die Konsequenz bei ungesundem Lebensstil? Schon dieses kleine Beispiel zeigt, wie komplex die ethischen Fragen durch die neuen technologischen Möglichkeiten sind. Viele Fragen dabei sind nicht neu, sondern müssen nur neu bewertet werden. Bei digitalethischen Diskursen lohnt es sich daher oft, sich erst nach den Analogien umzuschauen, die bereits seit Langem als ethisches Problem diskutiert werden.

Bei einem gesellschaftlich geführten ethischen Diskurs ist es wichtig, zuvorderst abzugrenzen, was eigentlich eine ethische, und was eher eine rechtliche, politische oder gar technische Frage ist. So würde es beispielsweise bei der Diskussion über das vernetzte Auto wenig Sinn machen, über die Verantwortlichkeit zu philosophieren, wenn es dazu bereits eindeutige rechtliche Regelungen gäbe. Ein ethischer Diskurs kann außerdem ein Problem und mögliche Lösungsansätze nur aufzeigen – eine letztinstanzliche Wahrheit kann es hier nie geben. Politisch Verantwortliche sind daher gefragt, den ethischen Diskurs aufgreifend, die Weichen der gesellschaftlichen Entwicklung zu stellen. Dazu ist ein breiter gesellschaftlicher Diskussions- und Meinungsbildungsprozess essenziell, um den Entscheidungsträgern in unserem Land (Wirtschaft und Politik) eine differenzierte Bewertung der Perspektiven, Chancen und Risiken solch fundamentaler Veränderungen durch Digitalisierung zu ermöglichen. Hierzu bedarf es ein Zusammenkommen von »EthikerInnen« und »DigitalexpertInnen« in politisch-beratenden Gremien.

Ethische Grundvorstellungen in die digitalisierte Welt übersetzen

Die Arbeitsgruppe (AG) Ethik der Initiative D21 bildet dies im Kleinen ab und begleitet den Prozess der Neubewertung – als Netzwerkknoten, Raum für Denkimpulse und gemeinsame Aktivitäten. Die AG Ethik, bestehend aus einem interdisziplinären und offenen Kreis digitalaffiner Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Netzpolitik sowie Ministerien und Verwaltungen, hat sich zum Ziel gesetzt, ethische Grundvorstellungen in die digitalisierte Welt zu übersetzen und somit durch sachliche und konstruktive Bewertung zur Orientierung beizutragen. Die so entstehenden Denkimpulse sollen den Dialog, ergänzt durch analoge wie digitale Diskussionsformate, begleiten und in öffentliche Foren tragen. Im August 2017 startete die Dialogreihe »Denkimpulse zur Digitalen Ethik«, in der die in der AG Ethik entstehenden Diskussionsergebnisse sukzessive veröffentlicht werden. Damit sollen die Auswirkungen der Digitalisierung durch neue Formen der Datifizierung, Automatisierung, Virtualisierung und Mensch-Maschine-Interaktion mit einer gesellschaftlichen Bewertung und ethischen Einordnung flankiert werden. Der erste Denkimpuls in Kooperation mit der Stiftung Datenschutz liegt mit dem Papier »Grundlagen der digitalen Ethik – eine normative Orientierung in der vernetzten Welt« auf der Webseite: www.InitiativeD21.de/publikationen/denkimpulse-zur-digitalen-ethik/ vor. Weitere Ausarbeitungen und Diskussionsformate, u. a. zu den Themen Künstliche Intelligenz in der Medizin und auch der öffentlichen Verwaltung sowie dem Einsatz von Assistenzrobotern in der Pflege, werden folgen.

Die Arbeitsgruppen der Initiative D21 stehen interessierten Akteuren grundsätzlich zur Mitwirkung offen. Dies ist ein Ausdruck der Strategie der Initiative D21, den Wandel der Gesellschaft in Zusammenarbeit mit Politik, Wirtschaft und weiteren Akteuren zu gestalten.

 

Sabrina Dietrich

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Initiative D21 e. V., Berlin
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