28.12.2017

Rocker als Erdoğans Arm?

Die Agitation der Osmanen Germania

Rocker als Erdoğans Arm?

Die Agitation der Osmanen Germania

Die Rockergruppe Osmanen Germania soll von der Türkei finanziell unterstützt werden. | © rea_molko - stock.adobe.com
Die Rockergruppe Osmanen Germania soll von der Türkei finanziell unterstützt werden. | © rea_molko - stock.adobe.com

Razzien in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern belegen die Annahme, dass die Rockergruppe Osmanen Germania, ein sogenannter »Box Club (BC)«, mit türkischen Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet und entsprechend von der Türkei finanziell unterstützt wird. Dieser Umstand ist relevant in der Einschätzung des Bedrohungspotenzials.

Eigentlich keine neuen Erkenntnisse

In Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern ging die Polizei in den vergangenen Monaten und auch Tagen mehrfach mit Razzien gegen die Osmanen Germania (OG) vor. Dabei ging es unter anderem um Verstöße gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz, um Geldwäsche, Urkundenfälschung, Erpressung. Während der ein oder andere Waffenfund gemacht werden konnte, trat noch eine weitere Erkenntnis zutage. Die ist an sich keine Neuigkeit: Das Treiben des Box Clubs Osmanen Germania und deren rasche Verbreitung kam nicht aus eigener Kraft zustande. Förderung und Unterstützung kommt von Beginn an aus der Türkei und zwar im staatlichen Auftrag.

Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul zufolge, konnten direkte Kontakte zwischen den führenden Mitgliedern der OG und Vertretern der AKP, wie auch Beratern von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan festgestellt werden. Die Aktivitäten der Osmanen Germania seien demnach Maßnahmen zur Terrorbekämpfung, insbesondere gegen die Hizmet- bzw. Gülen-Bewegung und vor allem gegen die kurdische PKK.


Bedrohte Richter: Der türkisch-kurdische Rockerkrieg vor Gericht

Und auch von kurdischer Seite gibt es mit den Bahoz (»Sturm«) eine rockerähnliche Vereinigung, eine sogenannte »Streetgang«. Im Zuge der Feindschaft zwischen den Osmanen Germania und Bahoz kam es in Deutschland bereits zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen, u.a. einem Handgranatenanschlag in Saarbrücken, Schüssen aus einem Auto heraus in Bietigheim-Bissingen und in Ludwigsburg und Stuttgart u.a. zu mehreren Überfällen und Brandanschlägen auf Autos. Die anhängigen Gerichtsprozesse gegen die Anhänger des nationaltürkischen Boxclubs und der kurdischen Streetgang bringen die Justiz an ihre Grenzen.

Vor allem der Prozess in Ludwigsburg zeigt, wie schwierig die juristische Aufarbeitung des Bandenkriegs ist. Die Gerichtssäle sind voll mit Zuschauern aus den Reihen der verfeindeten Rockerclubs, von denen nicht selten Waffen wie Schlagstöcke, Messer und Schreckschusswaffen konfisziert werden müssen. Vor dem Gerichtssaal kam es bereits mehrfach zu Schlägereien. Zudem wurden Richter und Journalisten von Angehörigen der OG bedroht.

Dimension der staatlichen Förderung

Die staatliche Förderung und der Regierungsauftrag, mit dem die Osmanen Germania in Deutschland agieren, demonstriert nicht nur ein großes finanzielles Potenzial. Vielmehr zeigt es die Tragweite der nationalistischen Vereinigung auf und den Anspruch der türkischen Regierung, in Deutschland Einfluss über kriminelle Akteure nehmen zu wollen. Gewalttätige Auseinandersetzungen mit den verfeindeten Bahoz ist nur die Spitze eines Eisberges der Eskalation, der den deutschen Staat Ressourcen, Geld und Kräfteeinsatz kostet.

Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) hat im Bundestag mehrere Kleine Anfragen gestellt, in denen sie die Verbindungen der UETD, des Moscheeverbandes DITIB und des Rockerclubs Osmanen Germania zur türkischen Regierung und zum türkischen Geheimdienst MIT untersuchen lässt. Sie warnt von einem Erdoğan-Netzwerk in Deutschland, das gezielt Menschen ausspioniert und durch die Osmanen Germania Druck ausübt. Die Beweise, die die staatliche Steuerung der OG durch die Türkei belegen, müssten drastische politische und diplomatische Folgen haben. Allerdings bleiben die Reaktionen seitens der deutschen Politik bislang größtenteils aus.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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