15.02.2015

Finale einer fast endlosen Geschichte

Personalrechtliche Zuweisungen nach § 44 g SGB II

Finale einer fast endlosen Geschichte

Personalrechtliche Zuweisungen nach § 44 g SGB II

Die neuen Zuweisungsregelungen geben den Trägern der Grundsicherung wie auch dem Personal Planungssicherheit.|© motoguzi - Fotolia
Die neuen Zuweisungsregelungen geben den Trägern der Grundsicherung wie auch dem Personal Planungssicherheit.|© motoguzi - Fotolia

In einer Behörde arbeiten Beamte, der Behördenleiter übt die Dienstherrenfunktion aus. Bei den Tarifbeschäftigten ist er der Arbeitgeber. So sollte man zumindest annehmen. Doch bei den gemeinsamen Einrichtungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist vieles anders, sie sind Behörden eigener Art.

Zur Vorgeschichte

Nachdem es in einigen Regionen bereits erfolgreiche Modellversuche zur Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern gegeben hatte, schlug die Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (sogenannte Hartz-Kommission) im August 2002 die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe vor. Das Problem: Für die Arbeitslosenhilfe war der Bund zuständig, die Sozialhilfe lag in kommunaler Trägerschaft. In einem schwierigen Gesetzgebungsverfahren wurde darum gerungen, ob die neue Leistung nun durch die Bundesagentur für Arbeit oder von den Kommunen erbracht werden soll.

Ergebnis der politischen Debatte war die Bildung von Arbeitsgemeinschaften, in die beide Seiten ihre Kompetenzen einbringen können. Daneben sah das Gesetz eine optionale Trägerschaft von Kommunen vor, welche die Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende ohne die Bundesagentur für Arbeit erbringen. In den auf der Grundlage privat- oder öffentlich-rechtlicher Verträge errichteten Arbeitsgemeinschaften arbeitete schließlich das Personal zweier Dienstherren unter einem Dach zusammen.


In dieser besonderen Art der Aufgabenwahrnehmung sah das Bundesverfassungsgericht jedoch einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung. Das Grundgesetz sehe vielmehr eine Systematik vor, in der jeder Verwaltungsträger seine Aufgaben durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen hat. Bis zum 31. Dezember 2010 sollte der Gesetzgeber für eine verfassungskonforme Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende sorgen.

Weil sich die Zusammenarbeit der beiden Träger in der Praxis grundsätzlich bewährt hatte, ist mit Art. 91e Grundgesetz die verfassungsrechtliche Grundlage für „gemeinsame Einrichtungen” geschaffen worden. Bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wirken seitdem Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammen.

Die personalrechtliche Seite

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende wurden der Geschäftsführung der zum 1. Januar 2011 gesetzlich errichteten gemeinsamen Einrichtung zwar bestimmte Dienstherren- und Arbeitgeberkompetenzen übertragen. Dienstherr bzw. Arbeitgeber bleibt jedoch die beteiligte Agentur für Arbeit bzw. der jeweilige kommunale Träger. Insbesondere die Begründung und die Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen ist damit nicht Aufgabe der Geschäftsführung einer gemeinsamen Einrichtung. Wegen dieser besonderen Konstruktion musste der Gesetzgeber gleichzeitig sicherstellen, dass die Funktionsfähigkeit der gemeinsamen Einrichtungen nicht durch den Wegfall des bisherigen, mit der Aufgabe vertrauten Personals gefährdet wird.

Die dahingehend getroffenen Entscheidungen folgten grundsätzlich dem Prinzip „Personal folgt Aufgabe”. Für die mit der Neuorganisation der Grundsicherung neu hinzugekommenen Optionskommunen hatte dieser Grundsatz zur Folge, dass das bis dahin bei der Bundesagentur für Arbeit beschäftigte Personal kraft Gesetzes auf den kommunalen Träger überging, und zwar mit allen personal- und dienstrechtlichen Konsequenzen.

Wegen der fehlenden Dienstherreneigenschaft war ein solcher Übergang bei den gemeinsamen Einrichtungen hingegen nicht möglich, sodass für das dort eingesetzte Personal das Instrument der personalrechtlichen Zuweisung Anwendung findet. Das bedeutet, dass die Rechtsstellung der Beamtinnen und Beamten zu ihrem bisherigen Dienstherrn und die geschlossenen Arbeitsverhältnisse unberührt bleiben, der Geschäftsführer in der täglichen Arbeit jedoch Dienstvorgesetzter ist.

Wegen des inzwischen eingetretenen Zeitdrucks konnten diese Zuweisungen bei der Errichtung der gemeinsamen Einrichtungen nicht nach den allgemein geltenden tarif- und beamtenrechtlichen Regelungen vorgenommen werden, sondern die Tätigkeiten in den gemeinsamen Einrichtungen sind den Beamtinnen und Beamten sowie den Tarifbeschäftigten der beiden beteiligten Träger gesetzlich für die Dauer von zunächst fünf Jahren zugewiesen worden. Diese zeitlich begrenzten Zuweisungen enden am 31. Dezember 2015, sodass der Gesetzgeber erneut tätig werden musste.

Das achte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Ergänzung personalrechtlicher Bestimmungen

Zwar wäre eine Fortsetzung der Zuweisungen grundsätzlich auch nach den allgemeinen Regelungen möglich gewesen. Für die Beamtinnen und Beamten sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten jedoch je nach Zugehörigkeit zum jeweiligen Träger völlig unterschiedliche gesetzliche und tarifvertragliche Regelungen. Für die Beamtinnen und Beamten der Bundesagentur für Arbeit gilt das Bundesbeamtengesetz, für die der kommunalen Träger das Beamtenstatusgesetz. Die Tarifbeschäftigten der Agenturen für Arbeit unterliegen dem Tarifvertrag für die Bundesagentur für Arbeit, die des kommunalen Trägers dem jeweiligen dort abgeschlossenen Tarifvertrag.

Unterschiede ergeben sich insbesondere hinsichtlich der Dauer einer möglichen Zuweisung sowie der erforderlichen Zustimmung des Personals. Aus diesem Grund bestand zwischen Bund und Ländern Konsens, dass in dem in dieser Form auf Dauer angelegten System der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine einheitliche, nicht mehr befristete Spezialregelung geschaffen werden muss. Auch das in den gemeinsamen Einrichtungen tätige Personal fragte zunehmend nach einer verlässlichen Perspektive über den 31. Dezember 2015 hinaus.

Mit dem achten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Ergänzung personalrechtlicher Bestimmungen vom 28. Juli 2014 (BGBl. I S. 1306) ist nunmehr mit der Neufassung des § 44 g Abs. 1 und 2 SGB II eine einheitliche Rechtsgrundlage für alle Beschäftigten in den gemeinsamen Einrichtungen geschaffen worden. Mit dem Inkrafttreten zum 1. Januar 2015 gilt allgemein bei Zuweisung von Tätigkeiten bei den gemeinsamen Einrichtungen Folgendes:

  • Allen Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende können nun mit Zustimmung des Geschäftsführers dauerhaft Tätigkeiten bei den gemeinsamen Einrichtungen zugewiesen werden.
  • Diese Zuweisungen können ohne Zustimmung der Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgenommen werden, wenn ein besonderes dienstliches Interesse es erfordert. Das Erfordernis der Zustimmung entfällt auch, wenn die allgemeinen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Regelungen dies vorsehen.
  • Es bleibt bei der bisherigen Regelung des § 44 g Abs. 5 SGB II, nach der die Zuweisung auf Verlangen der Beamtin, des Beamten, der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers aus wichtigem Grund jederzeit beendet werden kann.

Der Gesetzgeber hat den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit dem Inkrafttreten der Regelung zum 1. Januar 2015 die Möglichkeit eröffnet, alle auf der bisherigen Rechtsgrundlage erfolgten Zuweisungen sukzessive auf die neue Rechtsgrundlage umzustellen. Für das bereits in den gemeinsamen Einrichtungen tätige Personal gelten zwei Besonderheiten:

  • Die auf der Grundlage des neuen Rechts vorgenommene Zuweisung erfolgt aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ohne erneute Zustimmung des Geschäftsführers der gemeinsamen Einrichtung.
  • In der Gesetzesbegründung wird auf das besondere dienstliche Interesse an einem reibungslosen Übergang auf die neue Rechtsgrundlage hingewiesen. Somit kann die Zuweisung auch ohne Zustimmung der Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfolgen. Das dringende dienstliche Interesse überwiegt in diesem Fall die fehlende Zustimmung insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Tätigkeiten bei einer gemeinsamen Einrichtung des eigenen Dienstherren und einer anderen Behörde des öffentlichen Dienstes ausgeführt werden und auch die Sphäre des öffentlichen Dienstes nicht verlassen wird – es wird schlicht die Kontinuität des eigenen Arbeitsplatzes gesichert.

Fazit

Unter dem Stichwort „Personal in den Jobcentern” wird oft über Betreuungsschlüssel oder befristete Arbeitsverträge diskutiert. Dabei wird häufig übersehen, dass auch die bisher unterschiedlichen, nicht auf Dauer angelegten personalrechtlichen Zuweisungsregelungen zu Planungsunsicherheiten sowohl aufseiten der Träger als auch des Personals geführt haben. Mit der Neuregelung wurde nunmehr die dienst- und personalrechtliche Grundlage für eine kontinuierliche Aufgabenwahrnehmung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende geschaffen.

 

Frank Festner

Regierungsrat
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