15.02.2015

Die gesetzliche Frauenquote kommt

Handlungsbedarf bei mitbestimmten Unternehmen der öffentlichen Hand

Die gesetzliche Frauenquote kommt

Handlungsbedarf bei mitbestimmten Unternehmen der öffentlichen Hand

Geschlechterquote: Nach jahrelanger Diskussion nimmt der Gesetzgeber das Heft des Handelns in die Hand.|© eyetronic - Fotolia
Geschlechterquote: Nach jahrelanger Diskussion nimmt der Gesetzgeber das Heft des Handelns in die Hand.|© eyetronic - Fotolia

Das Bundeskabinett hat am 11. 12. 2014 den „Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst” beschlossen (BR-Drs. 636/14 v. 29. 12. 2014). Angesichts der koalitionsinternen Beschlusslage ist zu erwarten, dass der Bundestag in Kürze das Gesetz weitestgehend unverändert beschließen wird.

Durch dieses Gesetz werden u. a. das Aktiengesetz (AktG), das GmbH-Gesetz (GmbHG), das Genossenschaftsgesetz (GenG) und das Handelsgesetzbuch (HGB) sowie die jeweiligen Einführungsgesetze (EG) geändert.

Das Gesetz normiert eine verbindliche 30 %-Geschlechterquote für Aufsichtsräte von börsennotiertenund vollparitätisch mitbestimmten Unternehmen, die ab dem Jahr 2016 neu zu besetzen sind. Diese fixeQuote betrifft insgesamt ca. 108 Unternehmen.


Daneben sind alle mitbestimmungspflichtigen oder börsennotierten Unternehmen verpflichtet, sich für die Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten, den Geschäftsleitungen und den beiden obersten Managementebenen verbindliche Zielvorgaben zu setzen. Etwa 3.500 Unternehmen werden von den Vorgaben zur flexiblen Quote erfasst.

Daneben werden auch das Bundesgleichstellungsgesetz und das Bundesgremienbesetzungsgesetz novelliert. Für Gremiensitze, die der Bund besetzt, gilt dann ebenfalls eine fixe Geschlechterquote.

Gesellschaften, an denen die öffentliche Hand maßgeblich beteiligt ist, sind nur in wenigen Ausnahmefällen börsennotiert. Dagegen gibt es zahlreiche nichtbörsennotierte, durch die öffentliche Hand beherrschte Gesellschaften, die nach den Mitbestimmungsgesetzen – namentlich dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) und vor allem dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) – der unternehmerischen Mitbestimmung unterliegen und bei denen deshalb ein obligatorischer Aufsichtsrat mit voll- oder drittelparitätischer Beteiligung von Arbeitnehmervertretern zu bilden ist. Für solche mitbestimmten Unternehmen werden sich zukünftig folgende neue gesetzliche Handlungsvorgabenergeben:

Handlungsvorgaben für Vorstände und Geschäftsführer

Für Geschäftsleitungsorgane, bei Aktiengesellschaften (AG) also der Vorstand, bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) die Geschäftsführer, sind die neuen Regelungen in § 76 Abs. 4 AktG-E und § 36 GmbHG-E maßgeblich. Danach gilt:

  • Die Geschäftsleitung legt für die Erhöhung des Frauenanteils in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung Zielgrößen fest.
  • Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 %, dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten.
  • Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein.

Diese Vorgaben gelten auch für eingetragene Genossenschaften, die der Mitbestimmung unterliegen, § 9 Abs. 3 GenG-E.

Ausgangspunkt des Gesetzgebers für diese Neuregelungen ist die Feststellung, dass die Förderung von Frauen in Spitzenpositionen der Wirtschaft Hand in Hand gehen müsse mit der Vergrößerung der verfügbaren Anzahl hochqualifizierter Frauen mit Erfahrung im operativen Geschäft, die zugunsten einer ausreichenden Auswahlmöglichkeit die Zahl der benötigten Spitzenpositionen übersteigen sollte. Es reiche deshalb nicht aus, nur den Frauenanteil in Geschäftsleitung und Aufsichtsrat mit gesetzlichen Maßnahmen zu erhöhen, vielmehr müssten Frauen auch auf den Ebenen unterhalb der Geschäftsleitung gefördert werden (vgl. die Gesetzesbegründung, BR-Drs. 636/14, S. 142).

Das Förderungsgebot bezieht sich auf die beiden Hierarchieebenen unterhalb der ersten Führungsebene, die durch die Geschäftsleitung selbst repräsentiert wird. Nach der Gesetzesbegründung (a.a.O.) kommt es dabei auf die tatsächlich in dem betreffenden Unternehmen eingerichteten Hierarchieebenen an, nicht dagegen auf abstrakte Einordnungen nach „betriebswirtschaftlichen Lehren”. Bestehe – bei einer flachen Hierarchie – nur eine Leitungsebene unterhalb der Geschäftsleitung, beziehe sich die Verpflichtung nur auf diese eine Ebene.

Adressaten der Verpflichtung, die Erhöhung des Frauenanteils in den beiden Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung zu fördern, sind die gesetzlichen Vertretungsorgane. Die Geschäftsleitung muss für die betroffenen Führungsebenen Zielgrößen für den zu erreichenden Frauenanteil festlegen. Die festzulegenden Zielgrößen für die beiden Führungsebenen müssen nicht identisch, sondern sie können unterschiedlich sein. Für die Festlegung der jeweiligen Zielgröße gelten folgende Vorgaben:

  • Aktueller Frauenanteil < 30 % –> die Zielgröße darf nicht hinter dem Status quo zurückbleiben.
  • Aktueller Frauenanteil =/> 30 % –> die Zielgröße darf den Status quo unterschreiten.
  • Fällt der Status quo später wieder unter 30 % –> die nächste Zielgröße darf nicht hinter diesem Status quo zurückbleiben („Verschlechterungsverbot”).

Voraussetzung für die Festlegung ist, dass die Geschäftsleitung den aktuellen Stand des Frauenanteils in den betreffenden Leitungsebenen feststellt. Nur auf dieser Grundlage lassen sich diese Vorgaben einhalten.

Die vorbeschriebenen Festlegungen müssen bis spätestens 30. Juni 2015 erfolgen. Die erstmalsfestzulegenden Fristen dürfen nicht länger als zwei Jahre sein, erst danach gilt die Fünfjahresfrist (§ 25 EGAktG-E, § 5 EGGmbHG-E).

Empfehlung: Anders als die Aktionäre einer AG sind die Gesellschafter einer GmbH gegenüber den Geschäftsführern weisungsbefugt, so dass sie den Geschäftsführern unschwer auch in Bezug auf die in Rede stehenden Festlegungen Vorgaben machen können. GmbH-Geschäftsführern ist daher zu empfehlen, die Festlegungen mit den Gesellschaftern jedenfalls abzustimmen, besser noch hierzu einen Gesellschafterbeschluss herbeizuführen.

Handlungsvorgaben für Aufsichtsräte

Für Aufsichtsräte ergeben sich Verpflichtungen aus den neuen Regelungen in § 111 Abs. 5 Akt-E und § 52 Abs. 2 GmbHG-E. Danach gelten folgende Vorgaben:

  • Der Aufsichtsrat legt für die Erhöhung des Frauenanteils im Aufsichtsrat und in der GeschäftsleitungZielgrößen fest.
  • Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 %, dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten.
  • Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein.

Diese Verpflichtungen gelten grundsätzlich auch für eingetragene Genossenschaften, die der Mitbestimmung unterliegen, § 9 Abs. 4 GenG-E.

Die Vorgaben zur Umsetzung – Feststellung des Status quo, Festlegung der Zielgrößen, Fristen – entsprechen denjenigen, die in Bezug auf die Zielgrößenfestlegung durch die Geschäftsleitung gelten; insoweit kann auf die obige Darstellung verwiesen werden. Der Aufsichtsrat als Adressat der gesetzlichen Verpflichtung wird die Festlegung der Zielgrößen und Fristen im Rahmen einer formellen Beschlussfassung vorzunehmen haben.

Beurteilung:

Da dem Aufsichtsrat einer AG oder einer GmbH, die dem MitbestG unterliegt (> 2.000 Arbeitnehmer), die Bestellung des Vorstandes bzw. der Geschäftsführer obliegt, ist die gesetzliche Regelung im Hinblick auf die insoweit festzulegenden Zielgrößen konsequent, weil bei diesen Unternehmen allein der Aufsichtsrat den von ihm selbst festgelegten Frauenanteil in der Geschäftsleitung durchsetzen kann.

Demgegenüber hat der Aufsichtsrat einer AG die Umsetzung der von ihm festgelegten Zielgröße zur Besetzung des Aufsichtsrats, die sich auf den gesamten Aufsichtsrat bezieht, nur bedingt in der Hand. Zwar unterbreitet der Aufsichtsrat der Hauptversammlung Vorschläge für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 124 Abs. 3 S. 1 AktG), er kann aber weder die eigentliche Wahl noch insbesondere die Auswahl zu entsendender Anteilseignervertreter sowie die Wahl der Arbeitnehmervertreter beeinflussen.

Bei nach dem DrittlelbG mitbestimmten GmbH (> 500 bis 2.000 Arbeitnehmer) ist die Bindungswirkung der Zielgrößenfestlegungen durch den Aufsichtsrat ebenfalls problematisch: Seine eigene Besetzung kann der Aufsichtsrat in keiner Weise beeinflussen; die Besetzung der Geschäftsführung nur dann, wenn ihm – und nicht die Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 5 GmbHG – nach dem Gesellschaftsvertrag die Besetzungskompetenz ausdrücklich zusteht, was allerdings für kommunale Gesellschaften nach einigen Gemeindeordnungen unzulässig ist. Entscheidend für die Umsetzung der vom Aufsichtsrat festgelegten Zielgrößen ist mithin in besonderem Maße die Mitwirkung der Gesellschafter. Eine besondere Herausforderung ergibt sich bei kommunalen Unternehmen zudem daraus, dass die Entscheidung über die Wahl bzw. Entsendung der kommunalen Aufsichtsratsmitglieder im Wesentlichen dem Rat obliegt, der selbstverständlich nicht an die Beschlüsse eines Aufsichtsrats gebunden ist.

Berichtspflicht

Gemäß § 289 a Abs. 4 HGB-E müssen die verpflichteten Gesellschaften in ihrem Lagebericht als gesonderten Abschnitt eine Erklärung zur Unternehmensführung aufnehmen, die die Festlegungen zu den einzelnen Zielgrößen ebenso enthält wie Angaben dazu, ob die festgelegten Zielgrößen im Bezugszeitraum eingehalten worden sind bzw. auf welchen Gründen die Nichteinhaltung beruht. Der gesonderte Abschnitt im Lagebericht kann durch eine Veröffentlichung der Erklärung auf der Internetseite der Gesellschaft ersetzt werden, worauf im Lagebericht Bezug zu nehmen ist (§ 289 a Abs. 1 S. 2, 3 HGB). (Anm.: Nach der im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelung wären nichtbörsennotierte AGs – anders als z. B. GmbHs – von dieser Vorgabe nicht erfasst. Dieses Versehen wird im weiteren Gesetzgebungsverfahren sicher noch korrigiert werden.)

Die Berichtspflichten sind erstmals anzuwenden auf Jahresabschlüsse, die sich auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 30. Juni 2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen.

Beurteilung

Inhaltlich aussagekräftige Angaben dazu, ob die festgelegten Zielgrößen „im Bezugszeitraum” erreicht worden sind, sind erst möglich, wenn der Bezugszeitraum von maximal fünf (anfänglich zwei) Jahren abgelaufen ist. Unklar ist daher, ob während eines laufenden Bezugszeitraums über den Zwischenstand der Zielerreichung zu berichten ist oder ob sich die jährliche Angabe auf die Nennung der Zielgröße beschränken kann und Angaben zum Umsetzungsstand erst nach Ablauf des Bezugszeitraums erforderlich sind.

Rechtsfolgen

Kommen die Geschäftsleitung und/oder der Aufsichtsrat der Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen nicht nach, ist darin eine Pflichtwidrigkeit i.S.v. §§ 93 Abs. 2, 116 AktG, § 43 Abs. 2 GmbHG zu sehen, die – sicherlich nur in besonders gelagerten Einzelfällen – eine Schadensersatzpflicht nach sich ziehen kann (so für den Aufsichtsrat ausdrücklich ein Hinweis in der Gesetzesbegründung, BR-Drucks. 636/14, S. 148).

Ein Verstoß gegen die neue Berichtspflicht – gesonderte Erklärung zur Unternehmensführung im Lagebericht – stellt eine Ordnungswidrigkeit der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs dar (§§ 334 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. 289 a HGB).

Das Nichterreichen der einzelnen von der Geschäftsleitung oder dem Aufsichtsrat festgelegten Zielgrößen unterliegt dagegen keinen Sanktionen. Für die Besetzung des Aufsichtsrats börsennotierterGesellschaften hat der Gesetzgeber eine verbindliche Geschlechterquote von 30 % vorgegeben, Verstöße führen nach dem nun etablierten Grundsatz des „leeren Stuhls” dazu, dass einzelne Sitze im Aufsichtsrat unbesetzt bleiben. Diese Rechtsfolge ist für mitbestimmte nichtbörsennotierte Gesellschaften jedoch nicht vorgesehen.

Fazit

Nach jahrelanger Diskussion nimmt der Gesetzgeber das Heft des Handelns in die Hand und wird eine gesetzliche Geschlechterquote – die de facto eine Frauenquote ist – auch in der Privatwirtschaft einführen. Nichtbörsennotierte, der Mitbestimmung unterliegende Unternehmen sind zukünftig verpflichtet, sich selbst Zielvorgaben für die Förderung von Frauen zu setzen. Dieser Verpflichtung müssen die betroffenen Unternehmen nach derzeitigem Stand erstmals bis zum 30. Juni 2015 nachkommen.

Mitbestimmte Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, sollten diese Aufgabe nicht auf die leichte Schulter nehmen: Gerade sie stehen im Blickpunkt der (politischen) Öffentlichkeit, die, das darf angenommen werden, keine Zurückhaltung, sondern ambitionierte Selbstverpflichtungen erwarten wird.

 

Dr. Carsten E. Beisheim

Rechtsanwalt, Partner, Gesellschaftsrecht
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