15.02.2015

Archivierung elektronischer Unterlagen

Die Staatlichen Archive Bayerns eröffnen ihr „Digitales Archiv”

Archivierung elektronischer Unterlagen

Die Staatlichen Archive Bayerns eröffnen ihr „Digitales Archiv”

Die Schaffung eines Digitalen Archivs ist und bleibt eine Daueraufgabe.|© Maksim Kabakou - Fotolia
Die Schaffung eines Digitalen Archivs ist und bleibt eine Daueraufgabe.|© Maksim Kabakou - Fotolia

Wert und Bedeutung elektronischer Unterlagen

„eGovernment” lautet eines der Schlagworte, das auf der Modernisierungsagenda von Staat und Verwaltung derzeit ganz obenan steht. Tatsächlich spielt der Einsatz elektronischer Fachverfahren bei Behörden, Gerichten und sonstigen öffentlichen Einrichtungen eine immer größere Rolle. Entsprechend nimmt auch das Volumen der bei diesen Dienststellen anfallenden elektronischen Daten ständig zu. Oft sind es besonders bedeutsame Unterlagen oder Informationen, die auf diese Weise nur noch digital erzeugt und aufbewahrt werden. Man denke etwa an das Grundbuch oder die Handels-, Gewerbe- und Vereinsregister, an die Katasterkarten der Vermessungsverwaltungen oder computergestützt erzeugte Baupläne im 3-D-Format, wie sie etwa bei den Bauverwaltungen begegnen. Mikrodaten der Statistik liegen schon viel länger nur noch in elektronischer Form vor. Im Bereich der Kommunen werden Melde- und Standesamtsregister digital geführt.

Es steht außer Frage, dass Unterlagen wie diese für das Funktionieren unserer Gesellschaft eine unverzichtbare Rolle spielen und dass sie schon aufgrund ihrer rechtlichen Bedeutung dauerhaft erhalten werden müssen. Dies schafft Rechtssicherheit und gewährleistet die Transparenz staatlichen Verwaltungshandelns. Zu bedenken ist aber auch, dass unsere Gesellschaft in der Rückschau nicht zu verstehen sein wird, wenn man auf diese Quellen eines Tages nicht mehr zurückgreifen kann. Künftige Generationen von Forschern werden deshalb zu Recht erwarten, diese Unterlagen genauso in den zuständigen Archiven wiederzufinden wie die ältere Überlieferung in Papierform. Das heißt, dass nicht nur die Archive selbst, sondern auch die Behörden, Gerichte und sonstigen staatlichen Stellen, bei denen die elektronischen Unterlagen erwachsen, ebenso wie die Politik, die die Rahmenbedingungen für deren Tun absteckt, einmal daran gemessen werden, ob es gelingt, die bedeutsamen elektronischen Unterlagen der Verwaltung lesbar zu halten, sie zum Zeitpunkt der Entbehrlichkeit in die Archive zu überführen und dort als wertvolles Kulturgut auf Dauer, das heißt zeitlich unbegrenzt zu erhalten.

Herausforderungen der elektronischen Langzeitspeicherung und Archivierung

Dies stellt eine neuartige und nicht gerade kleine Herausforderung dar, da digitale Daten um ein Vielfaches vergänglicher und leichter manipulierbar sind als analoge Unterlagen. Da gleichzeitig die Medien, die zur Speicherung und Darstellung der Daten benötigt werden, einem permanenten Wandel unterliegen, können elektronische Dokumente, die nicht laufend gepflegt werden, oft schon nach kurzer Zeit nicht mehr korrekt interpretiert werden. Ein nachträgliches Ausdrucken auf analoge Träger, etwa auf Papier, ist aber keine Alternative. Sie scheitert schon an der Masse der zu erhaltenden Informationen, aber auch daran, dass sich viele Fachverfahren in ihrer Komplexität gar nicht mehr in analoger Form darstellen lassen.


Angesichts dieser Herausforderungen muss es erstaunen, dass der Langzeitspeicherung elektronischer Unterlagen bei Behörden, Gerichten und anderen öffentlichen Stellen bislang vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dabei gelten im staatlichen und kommunalen Bereich oftmals langjährige Aufbewahrungsfristen, die es erforderlich machen, Daten und Dokumente auch noch nach vielen Jahren recherchieren und wieder zur Anzeige bringen zu können. Auch die Anbietung der entbehrlichen elektronischen Unterlagen zur Übernahme durch das zuständige staatliche oder kommunale Archiv ist bislang eher der Ausnahmefall als die Regel. Nicht wenige staatliche Einrichtungen sind sogar der irrigen Meinung, dass sie elektronische Daten gar nicht ans Archiv abgeben dürfen, vor allem wenn sie einen Personenbezug aufweisen. Dabei steht außer Frage, dass alle Arten elektronischer Unterlagen, die bei den öffentlichen Stellen erwachsen, der in den Archivgesetzen von Bund und Ländern verankerten Anbietepflicht unterliegen. Hierzu gehören außer den elektronischen Akten im engeren Sinne auch Daten aus Fachanwendungen und Datenbanken, Geoinformationssysteme, amtliche elektronische Publikationen, E-Mail-Postfächer oder File-Ablagen.

Der Aufbau digitaler Archive

Die Archive haben sich frühzeitig mit den Herausforderungen der dauerhaften elektronischen Archivierung befasst, Handlungsempfehlungen veröffentlicht und sich an Systemeinführungen beteiligt. In der täglichen archivischen Praxis gehen sie aktiv auf die Abgabebehörden zu, erfassen die dort eingesetzten Verfahren, kümmern sich um deren Bewertung und schließlich auch um die Übernahme der archivwürdigen elektronischen Unterlagen. Dazu müssen Aussonderungsschnittstellen abgestimmt, Datenformate vereinbart und Übertragungswege festgelegt werden. In Bayern konnten so seit 2002 bereits erhebliche Datenmengen übernommen und dadurch vor Verlust bewahrt werden.

Um die dauerhafte Erhaltung der übernommenen elektronischen Unterlagen gewährleisten zu können, müssen allerdings Digitale Archive eingerichtet werden, die es nicht nur erlauben, archivwürdige elektronische Unterlagen kontrolliert zu übernehmen und physisch zu erhalten, sondern sie auch zu erschließen und den Archivbenützern bei Bedarf zur Einsichtnahme vorzulegen. Zu ihrem Funktionsumfang gehört auch die laufende Pflege und Überwachung des archivierten Datenbestandes. Immer dann, wenn Datenformate veralten und dadurch die Lesbarkeit der archivierten Unterlagen in Gefahr gerät, gilt es Gegenmaßnahmen zu prüfen und erforderlichenfalls Formatmigrationen zu veranlassen.

Diese Erfordernisse führen derzeit vor allem im Bereich der staatlichen Archive zur Beschaffung bzw. zum Aufbau geeigneter Infrastrukturen. So haben sich die Staatlichen Archive Bayerns im Februar 2012 entschlossen, der Entwicklungspartnerschaft beizutreten, die das Landesarchiv Baden-Württemberg und die hessischen Staatsarchive kurz zuvor gebildet haben. Durch den Beitritt der Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein („Digitales Archiv Nord”) wird dieser Verbund weiter gestärkt. Sein Ziel ist es, auf der Basis des international anerkannten OAIS-Standards ein digitales Archiv gemeinsam zu konzipieren und in Eigenleistung zu programmieren. Während das Land Baden-Württemberg seine bereits im Produktivbetrieb befindliche Speicherlösung (Storage) in die Entwicklungspartnerschaft einbringt, zeichnet Hessen für das Modul verantwortlich, mit dem die von den staatlichen Stellen übermittelten elektronischen Daten entgegengenommen und an den Digitalen Speicher übergeben werden sollen (Ingest). Bayern hat die Aufgabe übernommen, die Benutzungswerkzeuge (Access) zu entwickeln, um das elektronische Archivgut aus dem Speicher zurückholen und für die Einsichtnahme durch Benutzer aufbereiten zu können.

Die Fertigstellung des Access-Moduls bot nun den Anlass, das Digitale Archiv auch in Bayern der Öffentlichkeit vorzustellen. Im Beisein des bayerischen Staatsministers für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Dr. Ludwig Spänle, sowie einer großen Zahl von Vertretern aller bayerischen Verwaltungszweige wurde der derzeitiger Ausbauzustand präsentiert und die Leistungsfähigkeit der selbst entwickelten Benutzerwerkzeuge für unterschiedliche Typen von elektronischen Unterlagen vorgeführt.

Elektronische Archivierung als Daueraufgabe

Es wäre allerdings ein Irrtum, zu glauben, dass der Auf- und Ausbau des Digitalen Archivs damit in Bayern abgeschlossen ist. Einzelne Komponenten des Digitalen Archivs (Data Management, Preservation Planning) sind erst noch zu beschaffen bzw. zu entwickeln. Außerdem müssen die vorhandenen Module weiter optimiert und kontinuierlich an wechselnde Datentypen und Datenformate, aber auch an veränderte Nutzerbedürfnisse angepasst werden. Diese Erfordernisse werden vermutlich nie abschließend zu lösen sein. Sie machen deutlich, dass die Schaffung eines Digitalen Archivs eine Daueraufgabe ist und bleiben wird.

 
n/a