08.09.2022

Die Wahlstation bei den Vereinten Nationen in New York

Ein Erfahrungsbericht

Die Wahlstation bei den Vereinten Nationen in New York

Ein Erfahrungsbericht

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, während der juristischen Ausbildung zu den Vereinten Nationen zu gelangen. | © Dr. Theresa Schweiger
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, während der juristischen Ausbildung zu den Vereinten Nationen zu gelangen. | © Dr. Theresa Schweiger

Eine Station bei den Vereinten Nationen oder einer der Ständigen Vertretungen ist eine einmalige Chance, hinter die Kulissen internationaler Diplomatie zu blicken. Dieser Erfahrungsbericht über meine Wahlstation zielt darauf ab, Studierenden und angehenden Referendarinnen und Referendaren einen Einblick zu verschaffen und praktische Tipps an die Hand zu geben.[1]

Die Bundesrepublik Deutschland im Sicherheitsrat

Das Hauptquartier der Vereinten Nationen am East River in New York ist der wichtigste Standort und Hauptsitz der internationalen Organisation, die Nationen aus der ganzen Welt an einen Tisch bringt. Meine Arbeit im Rahmen der Wahlstation bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen war geprägt von der Mitgliedschaft Deutschlands im Sicherheitsrat als nichtständiges Mitglied, zuletzt von 2019 bis 2020.

Ziel des Sicherheitsrates ist die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Ihm ist es als einziges Organ der UN möglich, verbindliche Resolutionen zu erlassen und hierdurch insbesondere nichtmilitärischen Druck aufzubauen. Dies setzt der Sicherheitsrat unter anderem in Form von Sanktionen z. B. durch Handelsembargos um, die gegen Staaten oder gesonderte Gruppen erlassen werden, die gegen Menschenrechte oder Resolutionen verstoßen haben.


Der Sicherheitsrat, der aus fünfzehn Mitgliedern besteht, hat fünf ständige Mitglieder, nämlich China, Russland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und die USA, auch Vetomächte genannt. Die übrigen zehn nichtständigen Mitglieder werden nach einem festen Muster durchgewechselt und setzen sich aus Ländern aus Afrika, Asien-Pazifik, Lateinamerika und Karibik sowie West- und Osteuropa zusammen.

Derzeit bemüht sich auch die Bundesrepublik um einen festen Sitz im Sicherheitsrat. In den täglichen Sitzungen (an denen ich auch teilnehmen durfte) hat sie ihre Mitgliedschaft genutzt, um Akzente zu den Themen Prävention von sexualisierter Gewalt, Abrüstung und Klima und Sicherheit zu setzten. Hierbei stehen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union stets in engem Austausch miteinander.

Aufgaben und Arbeitsalltag der Referendare

Nicht nur für Völkerrechtler empfiehlt sich die Station beim Auswärtigen Amt und den Vereinten Nationen. Neben den spannenden Einblicken in das Leben und die Laufbahn der Diplomaten beschäftigt man sich mit aktuellen politischen und sicherheitspolitischen Themen. Referendare und Praktikanten unterstützen ihre Referenten bei Themen des humanitären Völkerrechts, des Peacebuildings, bei der Konfliktprävention uvm.

Die Aufgaben bestehen in erster Linie darin, Weisungsentwürfe vorzubereiten und diplomatische Korrespondenzen – also Berichte nach Berlin, dem Sitz der Zentrale des Auswärtigen Amtes – nach dem „same day reporting“ Grundsatz zu erstellen. Hierbei kann man ganz unterschiedlichen Themengebieten zugewiesen werden, wie z. B. humanitären oder länderbezogenen Aufgaben.

Auch wenn das klassisch Juristische und Examensrelevante hierbei wohl zu kurz kommt, gibt es auch im Rahmen der Arbeit der Bundesrepublik im Sicherheitsrat spannende juristische Aufgaben, die sich z. B. bei der Überprüfung von Sanktionsentwürfen ergeben können. Ebenso gehört die Teilnahme an den sonst für die Öffentlichkeit unzugänglichen geschlossenen Sitzungen zu den Highlights. Hier werden Experten und Sachverständige zu Themen befragt, um bestimmte Sachverhalte besser ergründen und angemessene Konsequenzen aus politischen oder humanitären Eskalationen ziehen zu können. Allerdings führen auch die Sitzungen der Vereinten Nationen (noch) nicht zur Lösung der weltpolitischen Probleme. Viele kritisieren gerade die Vetomächte wegen ihres widersprüchlichen Verhaltens, da sie sich z. B. in Fragen der Menschenrechte in manchen Situationen selbst im Weg zu stehen scheinen.

Und doch ist die Arbeit der Vereinten Nationen einzigartig und in meinen Augen notwendig, da sie wie kein anderes Organ und keine andere Institution eine Plattform bietet, auf der die Staaten der Welt zusammenkommen und miteinander in den Dialog treten können. Allein das stellt bereits den ersten Schritt zur Konfliktlösung dar.

Viele Wege führen zu den Vereinten Nationen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, während der juristischen Ausbildung zu den Vereinten Nationen zu gelangen. Bereits als Praktikant im Studium, aber auch als Referendar bietet sich in manchen Bundesländern die Verwaltungsstation und nicht zuletzt die Wahlstation für einen Auslandsaufenthalt an.

Hierbei kann man sich über das Auswärtige Amt bei den Ständigen Vertretungen in New York oder Genf bewerben, wobei die Zuweisung relativ willkürlich erfolgt. Aber auch bei der UN direkt bzw. deren Unterorganen, wie z. B. UNICEF, werden Praktika, Kurzzeitverträge oder Traineeprogramme angeboten. Gute Sprachkenntnisse sind hierbei unerlässlich, da Deutsch, anders als bei der Europäischen Union, nicht Amtssprache ist.

Im Gegensatz zu den Referendarstationen sind Praktika auch für längere Zeiträume wie z. B. sechs Monate möglich. Hierbei sollte man jedoch beachten, dass Praktikanten des Deutschen Hauses nur eine geringe finanzielle Entschädigung erhalten, die nicht ausreicht, um die Lebenshaltungskosten in der Stadt abzudecken. Referendare werden nicht zusätzlich zur üblichen Unterhaltsbeihilfe entlohnt.

New York, the Big Apple

New York City sind als Stadt keine Grenzen gesetzt. Auch wenn ich zunächst skeptisch war, warum so viele Menschen trotz horrender Mietpreise einen Hype um die Stadt machen, kann ich die Stadt am Hudson River nach den drei Monaten dort uneingeschränkt empfehlen. Gerade in der Wahlstation kann man zum ersten Mal nach Langem die Zeit für sich nutzen und mit den Kollegen, Freunden oder auch allein die Stadt erleben. Ob es die klassischen Dinge wie der legendäre Broadway und die Spaziergänge durch den Central Park sind, die Museen wie das MoMa, das Natural History Museum oder doch die unerwarteten Dinge, wie der Jazz Club in Harlem, ein Abend im Harvard Club oder der BYOB Schachklub, kein Abend ist wie der andere.

Die Rooftop Bars Manhattans sind legendär. Brooklyn besticht mit seinem Backstein-Charme. In Queens, dem größten Borough der Stadt, wird (so der Tour Guide des One World Trade Centers) jede Sprache der Welt gesprochen. Wer exotisches Essen mag, ist im Queens Bezirk Jackson Heights, z. B. beim Tibeter „Phayul“ gut aufgehoben. Auch das Deutsche Haus erfreut sich mittlerweile dank des „Schnitzelmittwochs“ großer Beliebtheit bei den diplomatischen Kollegen.

Diplomatie als Karriere

Wer die Ausbildung an der Akademie am Tegler See in Berlin hinter sich gebracht hat, wird viel erleben und sich nie über ein langweiliges Nine to Five beschweren können. Zwar habe ich mich für eine andere Richtung entscheiden, kann an dieser Stelle jedoch als ehemalige Referendarin berichten, da ich sowohl meine Verwaltungsstation in der Zentrale in Berlin wie auch meine Wahlstation beim Auswärtigen Amt verbracht habe. Hierbei konnte ich tolle Ausbilder, Kollegen und gute Freunde kennenlernen.

Die Arbeit bringt fachlich wie geografisch viel Abwechslung mit sich. Insbesondere als Jurist, aber auch als Referentin oder Referent wird man als Generalist eingesetzt und wird mehr noch als in anderen Bundesministerien regelmäßig das Aufgabengebiet wechseln. Als Teil des Außenministeriums hat man Gelegenheit, die Beziehungen Deutschlands und der Europäischen Union zum Rest der Welt zu beeinflussen.

Das Leben als Diplomat ist jedoch nicht ohne Kompromisse. Dankbarerweise haben viele der Referentinnen und Referenten im Deutschen Haus offen aus ihren Arbeitsbereichen und aus ihren Leben erzählt, um uns ein besseres Bild des Berufs zu vermitteln.

Nicht allen gelingt es, Partnerschaften und Familien mit dem konsistenten Umziehen zu vereinbaren. Die wenigsten haben Einfluss darauf, wo sie die nächsten vier Jahre verbringen werden.

Fazit

Eine Station bei den Vereinten Nationen ist eine Bereicherung, die man auf jeden Fall nutzen sollte. Sie garantiert einzigartige Einblicke in die fachliche Arbeit auf höchstem Niveau sowie interessante Kontakte. Wofür man sich letztlich auch entscheidet, Sprachfertigkeit und internationale Erfahrung werden in keinem Fall umsonst sein, weil sie für die Vorbereitung auf den diplomatischen Dienst oder auch in einer internationalen Kanzlei gewinnbringend einsetzbar sind.

Ich wünsche den Studierenden und Referendaren viel Spaß und hoffe, dass Auslandsaufenthalte nun bald wieder möglich sein werden.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem „Wirtschaftsführer für junge Juristen“.

 

[1] Auch wenn nicht durchgehend in geschlechterspezifischen Personenbezeichnungen differenziert wird, soll die gewählte Form alle anderen Formen und Identitäten ebenfalls darstellen.

 

Isabella Norbu

licenciée en droit (Paris), Associate, IT-Law, Cybersecurity and Data Protection, Eversheds Sutherland, München
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