10.06.2025

Das Referendariat in Schleswig-Holstein

Eine Empfehlung mit Einschränkungen

Das Referendariat in Schleswig-Holstein

Eine Empfehlung mit Einschränkungen

Das Jurastudium sollte als ganzheitlicher Persönlichkeits- und (Professioneller) Identitätsfindungsprozess werden. © geschmacksRaum® - stockadobe.com
Das Jurastudium sollte als ganzheitlicher Persönlichkeits- und (Professioneller) Identitätsfindungsprozess werden. © geschmacksRaum® - stockadobe.com

Das Referendariat ist zwingender Zwischenschritt auf dem Weg zur:m Volljurist:in. Nur damit stehen einem die typischen juristischen Berufe wie Richter:in, Anwält:in und Staatsanwält:in offen. Welche Besonderheiten dieser Ausbildungsphase gibt es im nördlichsten Bundesland?

Vor Start des Referendariats stellen sich die verschiedensten Fragen: Wo verbringe ich diese zwei Jahre? Welche Vor- und Nachteile haben die jeweiligen Standorte? Wo möchte ich meine Stationen absolvieren? Welche Angebote gibt es? Wie bereite ich mich am besten auf die Prüfungen vor? – um nur einige zu nennen.

Referendariat in Schleswig-Holstein – hard facts:

» Start alle 2 Monate (immer im Wechsel Flensburg & Kiel; Lübeck & Itzehoe)
» Pro Jahr fangen etwa 350 Referendar:innen an
» Vergütung liegt aktuell bei 1.544,79 € (ab 1.2.2025)
» Nebenverdienstgrenze bei 150 % der Unterhaltsbeihilfe (brutto)
» 5 Stationen: Staatsanwaltsstation (3,5 Monate), Zivilstation (4,5 Monate), Verwaltungsstation (4 Monate), Anwaltsstation (9 Monate), Wahlstation (3 Monate)
» 8 Klausuren im 21. Monat (zählen 70 %) & 1 mündliche Prüfung: Aktenvortrag + 4 Prüfungsgespräche im 25. oder 26. Monat (zählt 30 %)


Mein Referendariat begann ich im Dezember 2022 am Landgericht Itzehoe in Schleswig-Holstein. Es startete mit der 3,5-monatigen Strafstation, wobei in Itzehoe etwa 3/4 der Referendar:innen zur Staatsanwaltschaft kommen. Wenn man lieber zum Strafgericht möchte, wird diesem Wunsch meistens Rechnung getragen. Direkt am Anfang wurde uns das Gefühl vermittelt, dass sich die Staatsanwaltschaft auf uns freut und wir einen wichtigen Teil der Staatsanwaltschaft darstellen. So wurden wir auch direkt nach unserer Block-AG für unsere ersten Sitzungsdienste eingeteilt. In der Regel hat man bei der Staatsanwaltschaft Itzehoe zwei Ausbilder:innen: eine Person für den Sitzungsdienst und eine für die sonstigen Akten, die man bearbeiten muss. So hat man die Möglichkeit, die Arbeitsweise von zwei verschiedenen Personen kennenzulernen.

Das erste Plädoyer für die Staatsanwaltschaft war definitiv aufregend. Aber letztendlich haben wir es alle gut gemeistert und man wird von Mal zu Mal besser. Besprecht am besten alle möglichen Szenarien mit eurer:m Sitzungsausbilder:in im Vorfeld. Dann könnt ihr mit einem guten Gefühl in die Hauptverhandlung gehen. Nutzt gleichzeitig auch die Chance, an besonderen Ereignissen teilzunehmen: Man lernt die Arbeit der Staatsanwaltschaft und Polizei bei einer Durchsuchung, Nachtfahrt oder Obduktion noch einmal ganz anders kennen. Mein Highlight der Station war, als ich mit meiner Ausbilderin einer audio-visuellen Vernehmung beiwohnen durfte.

Auch die 4,5-monatige Zivilstation startet bei uns mit einer 3-wöchigen Block-AG. Im Anschluss wird man einer:m Ausbilder:in zugeteilt. Dabei können Wünsche für das Gericht und Fach angegeben werden, allerdings wurde bei uns vor allem nach den Kapazitäten der Gerichte eingeteilt. Die Station wurde zudem von einer wöchentlichen AG begleitet. Die Arbeit in der Zivilstation besteht vordergründig aus dem Zuschauen bei den mündlichen Verhandlungen und dem Bearbeiten von Akten. Besonderes Highlight waren bei uns die eigenständige Führung einer Zeugenvernehmung und der Trinkversuch.

Daran schließt sich die 4-monatige Verwaltungsstation an. In Schleswig-Holstein ist man sehr frei in der Wahl der Station. Ihr könnt die Station auch im Ausland, z.B. über das Auswär-tige Amt oder die Europäischen Institutionen, oder in einem anderen Bundesland verbringen. Nutzt die vielfältigen Möglichkeiten neben den „Standardbehörden-Stationen“. Zudem habt ihr die Möglichkeit, die Station aufzuteilen (in je zwei Monate). Ich persönlich habe meine Station bei einer Krankenkasse verbracht. Besonders gut gefallen haben mir dabei die selbstständige Mitarbeit und meine Terminvertretung an verschiedenen Sozialgerichten.

Die 9-monatige Anwaltsstation beginnt mit einem 3-wöchigen Einführungskurs. Verschiedene Dozent:innen unterrichten diverse Themen, wobei bei uns die Qualität des Unterrichts und die Examens- und Praxisrelevanz sehr weit auseinanderfielen.

Achtet unbedingt darauf, dass ihr neben einer spannenden Station auch genug Lernzeit habt. Auch die beste Station nützt einem nichts, wenn man dafür das Examen nicht besteht. Spätestens jetzt solltet ihr jede Woche eine Klausur schreiben. Sucht euch zudem eine Lerngruppe, gemeinsam lernen bringt viel mehr Spaß und man übt, seine eigene Meinung zu vertreten, aber auch zu hinterfragen.

In der Wahlstation habt ihr die Qual der Wahl. Mein persönlicher Tipp ist, dass ihr euch entweder etwas sucht, was ihr euch gut für den Berufseinstieg vorstellen könnt. Da die Wahlstation oft als Türöffner dient. Oder ihr sucht euch etwas, was nochmal einen vollständigen Tapetenwechsel darstellt. Es gibt viele Kanzleien im Ausland, die Referendar:innen nehmen. Es ist aber auch die ideale Möglichkeit, internationale Institutionen, ein Fachgericht oder ein Unternehmen kennenzulernen.

Meine persönlichen Highlights und abschließenden Tipps

Vor kurzem habe ich mein Referendariat abgeschlossen. Für mich war es eine sehr lehrreiche und schöne Zeit, die ich nicht missen möchte. Ohne das Examen und die ständigen Benotungen hätte ich gerne noch länger gemeinsam mit meiner Ref-Gruppe das Referendariat bestritten. Durch das Referendariat habe ich viele tolle Menschen kennengelernt und neue Freunde gewonnen.

Besonderes Highlight waren für mich persönlich die Sitzungsvertretung für die Staatsanwaltschaft, die Terminvertretung am Sozialgericht und meine Wahlstation in Brüssel, insbesondere die Prozessbeobachtung am EuG. Zudem hat mir meine Mitarbeit im Referendariat Schleswig-Holstein großen Spaß gemacht. Das kann ich auch jeder:m nur ans Herz legen. Es gibt einem die Möglichkeit, sich mit den verschiedensten Ansprechpartner:innen und Entscheidungsträger:innen aus-zutauschen, Kontakte zu knüpfen und seine eigenen Ideen zur Verbesserung des Referendariats einzubringen. Gleichzeitig ist es eine tolle Chance, andere Referendar:innen kennenzulernen.

Ich würde mich wieder für mein Referendariat am LG Itzehoe entscheiden. Allerdings würde ich mich frühzeitig auf exotische Stationen bewerben. Was ich zu Beginn des Referendariats auf jeden Fall bereut habe, ist, dass ich davor nicht nochmal Kraft getankt habe. Vielleicht könnt ihr das besser machen als ich.

Entnommen aus Recht Reloaded 1/2025, S. 26.

 

Moira Boennen

Projektreferentin der Referendariatskommission beim Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V.
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