11.06.2025

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Ein Überblick unter besonderer Berücksichtigung der verwaltungsbehördlichen Praxis

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Ein Überblick unter besonderer Berücksichtigung der verwaltungsbehördlichen Praxis

Ein Beitrag aus »Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg« | © emmi - Fotolia / RBV

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung vom 18.06.2023 wurden die bisher bestehenden Zuwanderungsmöglichkeiten für erwerbstätige Drittstaater deutlich ausgeweitet. Aus Ermessensvorschriften wurden Rechtsansprüche, die Zuwanderung von Fachkräften ohne formale Anerkennung ihrer ausländischen Abschlüsse erheblich ausgeweitet und mit der Punktekarte die Einreise zur Arbeitsplatzsuche ermöglicht. Geregelt wurde auch, unter welchen Voraussetzungen ein Spurwechsel für gut integrierte Flüchtlinge möglich ist. In der Abhandlung wird zunächst das sehr dynamische Gesetzgebungsverfahren dargestellt. Danach werden, entsprechend ihrem zeitlichen Inkrafttreten, die erfolgten Änderungen erörtert, um abschließend noch zu klären, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, um eine gute Verwaltung im Migrationsbereich zu gewährleisten.

I. Einleitung

Der Fachkräftemangel hat sich in den vergangenen Jahren immer stärker bemerkbar gemacht. Der Mangel betrifft nicht nur Spezialisten, sondern auch Handwerker und Facharbeiter. Nach den Berechnungen des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB) würde aufgrund der demografischen Entwicklung das inländische Erwerbspersonenpotenzial1 bis 2035 nur dann konstant bleiben, wenn es zu einer jährlichen Nettozuwanderung von rund 400 000 Personen käme. Obwohl Freizügigkeit in der EU herrscht, wird die in den 2010er-Jahren stark gestiegene Zuwanderung aus anderen EU-Ländern begrenzt sein, da auch dort die Erwerbsbevölkerung altert und mit der besseren wirtschaftlichen Entwicklung auch der Wanderungsdruck aus diesen Ländern abnimmt. Eine hohe gesteuerte Zuwanderung zu Erwerbszwecken – auch aus Drittstaaten – ist daher ein sinnvoller Weg, den Fachkräftebedarf zu decken.2

1. Zuwanderungsgesetz 2005

Mit dem am 01.01.2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz3 wurde erstmals ein Rechtsrahmen vorgegeben, durch den die Zuwanderung im Ganzen gesteuert werden konnte. War das Ausländergesetz 1965 und das Ausländergesetz 1990 noch ausschließlich auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgerichtet, wurden im Aufenthaltsgesetz 2005 (als Artikel 1 des Zuwanderungsgesetzes) erstmals die näheren Voraussetzungen für die Aufnahme einer selbstständigen und unselbstständigen Erwerbstätigkeit aufgenommen. Gleichzeitig wurden erstmals Maßnahmen zur Integration der auf Dauer rechtmäßig in Deutschland lebenden Zuwanderer gesetzlich verankert.


2. Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2020

Mit dem am 01.03.2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz4 wurde der rechtliche Rahmen für eine gezielte, an den Bedarfen der Wirtschaft orientierte Steuerung und Stärkung der Fachkräftezuwanderung geschaffen. Gleichzeitig sollte eine Beschleunigung bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse erreicht werden. Mit dem neuen § 4 a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wurde geregelt, dass ein Ausländer, der einen Aufenthaltstitel besitzt, in Deutschland grundsätzlich eine Erwerbstätigkeit ausüben darf (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt). Mit dem Gesetz sollte klar und transparent geregelt werden, wer zu Arbeits- und zu Ausbildungszwecken nach Deutschland einreisen darf. Dies waren Fachkräfte mit einer qualifizierten Berufsausbildung oder einem Hochschulabschluss. Voraussetzung war, dass der jeweilige ausländische Abschluss durch die in Deutschland zuständige Stelle anerkannt wurde. Fachkräfte konnten erstmals auch zwecks Arbeitsplatzsuche ins Bundesgebiet einreisen.

3. Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung 2023 (FEG 2023)

Mit dem FEG 2023 vom 16.08.20235 soll die Fachkräfteeinwanderung künftig auf drei Säulen beruhen:

a) Fachkräftesäule

Die Fachkräftesäule bleibt das zentrale Element der Einwanderung und umfasst wie bisher die Blaue Karte EU für ausländische Hochschulabsolventen sowie die nationale Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte, die im Ausland ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, das in Deutschland anerkannt ist, oder eine im Herkunftsland staatlich anerkannte ausländische Berufsqualifikation erworben haben, die im Rahmen eines Berufsanerkennungsverfahrens als voll gleichwertig mit einem deutschen Berufsabschluss angesehen wird. Neu ist, dass Fachkräfte mit anerkanntem Abschluss jetzt jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können, die Beschäftigung also nicht mehr im fachlichen Zusammenhang mit der Berufsqualifikation stehen muss. Dies gilt allerdings nur für Berufe, für die keine Berufsausübungserlaubnis notwendig ist (nichtreglementierte Berufe).

b) Erfahrungssäule

Die Erfahrungssäule umfasst und regelt, dass ausländische Fachkräfte auch ohne formale Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation (Hochschul- oder Berufsabschluss) in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Die bislang nur für IT-Berufe geltende Regelung wurde für nicht reglementierte Berufe6 auf alle Branchen ausgeweitet. Der Berufs- oder Hochschulabschluss muss im Herkunftsland staatlich anerkannt sein. Für den Berufsabschluss gilt, dass ihm eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren zugrunde liegen muss. Zudem sind mindestens zwei Jahre Erfahrung im angestrebten Beruf erforderlich, die innerhalb der letzten fünf Jahre erworben wurde.7

Zur Erfahrungssäule gehört auch die sogenannte Anerkennungspartnerschaft.8 Im Rahmen dieser Partnerschaft kann das Verfahren auf Anerkennung des ausländischen Abschlusses nun vollständig in Deutschland durchgeführt werden, wenn die ausländische Fachkraft und das Unternehmen sich mit einer schriftlichen Vereinbarung verpflichten, es unverzüglich nach der Einreise zu starten und eine möglicherweise erforderliche Anpassungsqualifizierung durchzuführen. Grundvoraussetzung ist auch hier, dass – neben dem Arbeitsvertrag – der ausländischen Berufsqualifikation eine mindestens zweijährige Ausbildung zugrunde liegt.

c) Potenzialsäule

Mit der Potentialsäule wird eine Chancenkarte für die Einreise zur Arbeitsplatzsuche eingeführt.9 Damit können Ausländer 1 Jahr lang nach einem Arbeitsplatz in Deutschland suchen. Fachkräfte mit voller Berufsanerkennung erhalten in jedem Fall eine Chancenkarte, wenn ihr Lebensunterhalt während der Aufenthaltszeit gesichert ist. Alle anderen müssen zusätzlich einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Abschluss mit mindestens zweijähriger Ausbildungszeit besitzen und Deutsch- oder Englischkenntnisse nachweisen. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, können für Kriterien wie Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug Punkte gesammelt werden. Um die Chancenkarte zu erhalten, müssen mindestens sechs Punkte erreicht werden. Mit der Chancenkarte besteht die Möglichkeit, während des Aufenthalts in Deutschland zwei Wochen auf Probe zu arbeiten oder eine Nebenbeschäftigung im Umfang von 20 Stunden in der Woche auszuüben.

Die Einreise zwecks Ausbildungs- oder Studienplatzsuche ist möglich und wurde erleichtert.10 Bei der Ausbildungsplatzsuche wurde die Altersgrenze von 25 auf 35 Jahre angehoben und die Anforderungen für deutsche Sprachkenntnisse abgesenkt. Auch hier sind Probe- und Nebenbeschäftigungen möglich.

II. Das Gesetzgebungsverfahren

Das Gesetzgebungsverfahren war von einer außergewöhnlichen Dynamik geprägt. Bereits im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren wurde der Regierungsentwurf vom 24.04.202311 erheblich geändert,12 und die zunächst vorgesehenen Soll-Regelungen in einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an Fachkräfte geändert. Das FEG 2023 wurde im Bundesgesetzblatt am 18.08.2023 veröffentlicht13 und ist gemäß Artikel 12 des Gesetzes je nach Artikel am 18.11.2023,14 01.03.202415 und 01.06.202416 in Kraft getreten.

Parallel zum FEG 2023 wurde die Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung17 erlassen und trat zeitgleich zu den jeweiligen Teilen des Gesetzes in Kraft.18 Geändert wurden insbesondere die Beschäftigungsverordnung (BeschV) und die Aufenthaltsverordnung (AufenthV).

Überraschend und etwas versteckt im Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes,19 wurde die im FEG 2023 bereits beschlossene stichtagsbezogene Spurwechselregelung zum 01.03.2024 auf den 23.12.2023 vorgezogen, und andere Spurwechselmöglichkeiten aus einem laufenden oder zurückgenommenen Asylverfahren, die zuvor möglich gewesen wären, ausgeschlossen.20

Mit dem am 28.02.2024 in Kraft getretenen Rückführungsverbesserungsgesetz21 wurde in Artikel 7 Nr. 4 die noch nicht in Kraft getretene Aufhebung der Ausbildungsduldung22 wieder aufgehoben, sodass die Aufenthaltsduldung (§ 60 c AufenthG) neben der Ausbildungs-Aufenthaltserlaubnis (§ 16 g AufenthG) erhalten bleibt.

III. Spurwechsel vom Asylverfahren in den Aufenthalt zwecks Erwerbstätigkeit

Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens gab es Diskussionen, ob und inwieweit ein Spurwechsel aus einem Asylverfahren in die Erwerbstätigkeit ermöglicht werden soll. Es bestand die Befürchtung, dass für neue Asylbewerber „Fehlanreize” für eine irreguläre Migration geschaffen werden könnten.23

Im Ergebnis wurden mit dem FEG 2023 zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, ohne Nachholung des Visumverfahrens zwischen Aufenthaltstiteln wechseln zu können. Bestehende Zweckwechselverbote bei Aufenthalten zwecks Ausbildung, Studium, Anerkennungsverfahren betrieblicher Abschlüsse oder Sprachkursen wurden aufgehoben. Sehr eingeschränkt und mit einem Stichtag versehen ist dies auch bei einem vorangegangenen Asylverfahren (sog. Spurwechsel) möglich.

Die Begriffe „Zweckwechsel” und „Spurwechsel” sind gesetzlich nicht definiert. Aufgrund der seit Jahren bestehenden Regelungen zu den Zweckwechselverboten für Inhaber von bestimmten Aufenthaltstiteln bietet es sich an, den Begriff Zweckwechsel dann zu verwenden, wenn der Wechsel aus einem bestehenden Aufenthaltstitel (z. B. zwecks Studiums, Freiwilligendienst oder Ausbildung) in einen anderen Aufenthaltstitel (z. B. zwecks Erwerbstätigkeit) erfolgen soll. Gleiches gilt, wenn bei einem erlaubten visumfreien Kurzaufenthalt die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis angestrebt wird.

Ein „Spurwechsel” liegt demgegenüber vor, wenn aus einem laufenden oder rechtskräftig abgelehnten Asylverfahren eine Aufenthaltserlaubnis, z. B. zwecks Erwerbstätigkeit oder Ausbildung, erteilt werden soll. Um „Fehlanreize” zu vermeiden, wurde hierfür eine Stichtagsregelung eingeführt.24

Den gesamten Beitrag entnehmen Sie aus den VblBW Heft 3/2025.

 

Ansgar Fehrenbacher

Jurist und Dipl. Verwaltungswirt (FH)
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