02.05.2022

Corona-Schnelltests bei Schülern

Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 29.03.2021

Corona-Schnelltests bei Schülern

Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 29.03.2021

Ein Beitrag aus »Die Kommunalverwaltung Sachsen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Kommunalverwaltung Sachsen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Der Schüler, der im Freistaat Sachsen die 5. Klasse besucht, verfolgt mit seinem Antrag gem. § 47 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) das Ziel, § 5 a Abs. 4 Satz 1 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 29.03.2021 (SächsCoronaSchVO) einstweilen außer Vollzug zu setzen. Die SächsCoronaSchVO regelt, dass das Ergebnis eines Schnelltests in Form eines Selbsttests durch eine Selbstauskunft nachzuweisen ist.

Personen, die durch eine qualifizierte Selbstauskunft über einen nicht länger als drei Tage zurückliegenden Selbsttest nicht nachweisen, dass bei ihnen keine Infektion mit SARSCoV- 2 besteht, dürfen das Schulgelände nicht betreten, es sei denn, der Test wird unmittelbar nach Betreten des Schulgeländes vorgenommen. Der Nachweis kann von der Schule dokumentiert werden. Die Dokumentation ist unverzüglich zu löschen, wenn sie für die Kontrolle nicht mehr benötigt wird. Der Antrag des Schülers ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Erfolg des Normenkontrollverfahrens als Maßstab

Als Entscheidungsmaßstab für die einstweilige Außervollzugsetzung der einschlägigen Regelungen der CoronaSchVO dienen die Erfolgsaussichten eines anhängigen oder möglicherweise nachfolgenden Hauptsacheverfahrens. Ist voraussichtlich mit einem Erfolg des Normenkontrollantrags zu rechnen, wird die angegriffene Norm außer Vollzug zu setzen sein, wenn der Vollzug der angegriffenen Norm gewichtige Nachteile befürchten lässt. Erweisen sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen, müssen die gegenläufigen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Die Anforderungen an die Außervollzugsetzung einer Norm nach § 47 Abs. 6 VwGO sind strenger als bei dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO.


Der Selbsttest und das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit

Die SächsCoronaSchVO ist mit Art. 80 Grundgesetz (GG) vereinbar und entspricht den Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und die von dem Schüler angegriffene Regelung genügt dem Bestimmtheitsgrundsatz und ist verhältnismäßig. Der Selbsttest i. S. v. § 1 a SächsCoronaSchVO greift nicht in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein. Der Nachweis, nicht mit dem SARS-Cv-2-Virus infiziert zu sein, kann auch mit einem Selbsttest geführt werden, der keine körperlichen Schmerzen hervorruft, gleichgültig, ob es sich um Spucktests, Lollytests oder Tests mit einem Abstrich im vorderen Nasenbereich handelt. Beachtliche Wirkungen eines Selbsttests in Bezug auf die körperliche Unversehrtheit sind im Allgemeinen nicht zu erwarten, wobei atypische Fälle nicht zu berücksichtigen sind.

Der Selbsttest kann zu Hause durchgeführt werden und im Beisein eines Personensorgeberechtigten, so dass sichergestellt ist, dass der Test sachgemäß durchgeführt wird. Ein beachtliches Risiko, sich bei Durchführung des Selbsttests erheblich zu verletzen, wird sich daher nicht verwirklichen. Die Gefahr, dass es falsch-positive Tests gibt, begründet keine Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme. An die positiven oder falsch-positiven Schnelltests schließen sich PCRTests an, so dass die Zeit der Quarantäne bis zum Ergebnis des PCR-Tests geringgehalten wird.

Die Strategie der anlasslosen Testungen

Die Strategie der anlasslosen Tests ist nicht vom parlamentarischen Gesetzgeber festzulegen. Die Ausgestaltung der Teststrategie darf der Gesetzgeber der Exekutive überlassen, weil sie ein Bestandteil der Pandemiebekämpfung ist und das Risiko eines falschen positiven Tests gering ist. Zwar empfiehlt das Robert-Koch-Institut (RKI) statt Massentestungen ein gezieltes Testen, aber dies liegt daran, dass bei Massentestungen eine ausreichende Zahl von Tests vorhanden sein muss und Massentestungen die Bevölkerung in falsche Sicherheit wiegen kann. Dem falschen Sicherheitsgefühl bei Massentestungen wird jedoch mit Informationen entgegengewirkt, bei denen betont wird, dass eine Negativ-Testung nur eine Momentaufnahme ist.

Die Teststrategie soll unter Wahrung des Gesundheitsschutzes gravierende Grundrechtseingriffe wie Schließungen von Gesellschaftszweigen oder Wirtschaftszweigen entgegenwirken. Die Quarantäne bei falsch-positiven Testungen trifft auch nur eine kleine Gruppe. In den Fallzahlen des RKI treten die falschen Testungen nicht auf, sondern es werden nur Covid-19-Fälle veröffentlicht, die durch einen PCR-Test oder ähnlich sichere Tests nachgewiesen werden. Die Belastung der Intensivstationen nimmt wieder zu und für April 2021 ist bereits wieder eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten vorhergesagt. Ansteckungen finden auch bereits zu einem Zeitpunkt statt, zu dem die Infizierten ihre Erkrankung gar nicht wahrnehmen, so dass Massentestungen zum Gesundheitsschutz gerechtfertigt sind. Die Selbsttests sind auch keine Ausübung der Heilkunde i. S. d. § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz (HeilprG), denn Selbsttests erfordern keine ärztlichen Fachkenntnisse und können auch keine gesundheitlichen Schäden verursachen. Die Aushändigung der Selbsttests stellt auch keinen Behandlungsvertrag i. S. d. § 630 a ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar.

Keine Ungleichbehandlung und kein Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung

Es liegt auch keine Verletzung des Gleichheitssatzes vor, weil nach der früheren SächsCoronaSchVO für Viertklässler keine Testpflicht gilt und es Sonderregelungen für Schüler der Primärstufe vorgesehen sind. Diese Unterscheidung ist in der hier maßgebenden Regelung nicht mehr zu finden, aber für die Ungleichbehandlung gibt es einen sachlichen Grund. Kinder und Jugendliche tragen ein geringeres Infektionsrisiko und Verlaufsrisiko, je jünger sie sind. Die Verfügbarkeit von Testkits sollte sich daher auf Personengruppen mit höherem Infektionsrisiko konzentrieren.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewähreistet die Befugnis, selbst über die Preisgabe und die Verwendung persönlicher Daten zu entscheiden. Dieses Recht darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden. Mit den Tests soll ein Beitrag zur Reduzierung des Infektionsgeschehens an Schulen geleistet werden, sodass der Eingriff gerechtfertigt ist. Nach Art. 41 DSGVO muss die Rechtsgrundlage nicht ein Parlamentsgesetz sein, sodass § 5 a Abs. 5 SächsCoronaSchVO zur Rechtfertigung der Datenverarbeitung genügt.

Auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erlaubt gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. c.) und lit. e.) die Datenverarbeitung nach der SächsCoronaSchVO, weil die Datenverarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse erforderlich ist, um zu gewährleisten, dass die Tests nicht länger als drei Tage zurückliegen. Die Erhebung von Gesundheitsdaten ist nach der DSGVO nur untersagt, wenn sie nicht der Verarbeitung zum Zwecke der Gesundheitsvorsorge dient. Da die Datenerhebung und Verarbeitung als Bestandteil der Pandemiebekämpfung erforderlich sind, dienen sie der Gesundheitsvorsorge. Ein Verstoß gegen die DSGVO liegt daher nicht vor. Der Antrag des Schülers auf einstweilige Außervollzugsetzung der einschlägigen Bestimmung der CoronaSchVO bzgl. der Selbsttests war daher abzulehnen.

 

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.04.2021 – 3 B 114/21 –.

 

Kommunalverwaltung Sachsen 2021 Heft 11

 
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