15.04.2015

Kosteneinsparpotenziale prüfen!

Spielräume für die Entsorgungswirtschaft durch aktuelle Urteile

Kosteneinsparpotenziale prüfen!

Spielräume für die Entsorgungswirtschaft durch aktuelle Urteile

Aktuelle Spartipps für Unternehmen der Entsorgungswirtschaft. | © Brad Pict - Fotolia
Aktuelle Spartipps für Unternehmen der Entsorgungswirtschaft. | © Brad Pict - Fotolia

Begünstigungen im Bereich der Strom- und Energiesteuer und des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) betreffen insbesondere die sog. Unternehmen des produzierenden Gewerbes (UdPG) und damit im kommunalen Bereich überwiegend Versorgungsunternehmen. Nachfolgend berichten wir über zwei jüngere Gerichtsentscheidungen und eine neue Dienstvorschrift der Zollverwaltung, die deutlich machen, dass es auch für Entsorgungsunternehmen wesentliche energiekostenrelevante Entwicklungen gibt, die dringend beobachtet werden sollten.

Thermische Abfall- und Abluftbehandlung

In der neuen Dienstvorschrift der Zollverwaltung zu § 51 EnergieStG (DV Steuerentlastung für Prozesse und Verfahren vom 24. 09. 2014) werden neue Abgrenzungskriterien zur Entlastung von Energieerzeugnissen beim Einsatz zur thermischen Abfall- und Abluftbehandlung festgelegt. Entlastungsberechtigt für die thermische Abfall- und Abluftbehandlung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG sind dabei nicht nur UdPG. Auch Entsorgungsunternehmen sind daher begünstigt, wenn sie im Rahmen der thermischen Abfall- und Abluftbehandlung Energieerzeugnisse einsetzen.

Folgende Neuregelungen sind besonders hervorzuheben:


Nach der Dienstanweisung soll, wenn der verbrannte Abfall (wie bspw. bestimmte Ölabfälle oder hochkalorische Energieerzeugnisse) selbst als Energieerzeugnis anzusehen ist, kein Entlastungsanspruch nach § 51 EnergieStG mehr bestehen. Damit wurde die bislang von der Zollverwaltung praktizierte Auslegung des § 51 EnergieStG geändert. Waren, die nicht als Energieerzeugnisse gelten – insbesondere „andere Abfälle” i.S.d. § 1b Absatz 1 EnergieStV, die im Durchschnitt einen Heizwert von höchstens 18 Megajoule je Kilogramm aufweisen – , werden indessen weiterhin nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG begünstigt. Entsprechendes gilt für die zu ihrer thermischen Behandlung eingesetzten Energieerzeugnisse.

Keine thermische Behandlung liegt vor, wenn der zu behandelnde Abfall oder die Abluft nach dem thermischen Behandlungsprozess nicht nur als Reststoff, sondern noch substantiell als Abfall vorhanden ist oder das Schadstoffpotential nicht beseitigt wurde. Dies betrifft bspw. die Trocknung von Klärschlamm oder die Infrarotbestrahlung verunreinigter Abwässer oder die bloße Extraktion eines Schadstoffes. Auch wenn bei der thermischen Behandlung Erzeugnisse von Wert hergestellt werden, dienen die eingesetzten Energieerzeugnisse im Grundsatz nicht vorrangig der Beseitigung des Schadstoffpotentials der Abfälle. Dies betrifft bspw. die Herstellung von Tiermehl und Tierfett bei der Tierkörperbeseitigung oder auch Unternehmen, die im Rahmen der Müllverbrennung überwiegend Strom und Wärme produzieren.

Die Auffassung der Zollverwaltung schafft neue Abgrenzungsprobleme. Betroffene Unternehmen müssen daher nun ihre Verbrennungsprozesse anhand der Vorgaben der Dienstanweisung überprüfen. Es kann sich dabei im Einzelfall lohnen, auch abweichende Rechtsansichten gerichtlich durchzusetzen.

Kein Wunder also, dass das Thema seit längerem auch die Finanzgerichte beschäftigt. Besondere Betrachtung verdient insofern ein Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 03. 07. 2014. Das Finanzgericht hält die Reichweite der Steuerentlastung für die thermische Abfall- und Abluftbehandlung nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG für klärungsbedürftig und hat ein laufendes Verfahren (Az. 4 K 131/12) ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Seitens des Hamburger Senats bestehen u. a. rechtliche Unsicherheiten, ob die Europäische Energiesteuer-Richtlinie der Steuerentlastung für die thermische Abluftbehandlung entgegensteht oder ob hier der Ausnahmefall der Energieerzeugnisse mit „zweierlei Verwendungszweck” vorliegt, der dem nationalen Gesetzgeber zur freien Regelung überlassen bleibt. Nach Ansicht des Finanzgerichts wäre eine Entlastung für die thermische Abfall- und Abluftbehandlung nach europarechtlichen Vorschriften nur möglich, wenn die Verwendung neben dem Verheizen einen zweiten Verwendungszweck umfasste. Ist dies nicht der Fall, habe die nationale Vorschrift vor dem unionsrechtlichen Hintergrund in diesem Fall keinen Anwendungsbereich.

In diesem Zusammenhang sei klärungsbedürftig, ob eine Steuerentlastung nur bejaht werden könne, wenn das Energieerzeugnis als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff in das entstehende Erzeugnis mit eingehe. Nach bisheriger Auffassung des Bundesfinanzhofes liegt ein anderer Zweck als ein Heizzweck nämlich nur dann vor, wenn die Erzeugung der thermischen Energie in den Hintergrund tritt und das Energieerzeugnis zugleich als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff eingesetzt wird.

Außerdem sei zu klären, ob eine Steuerentlastung ausgeschlossen sei, wenn die bei der Abluftbehandlung freigesetzte thermische Energie zum Teil auch zu Heiz- bzw. Trocknungszwecken genutzt werde.

Der ersuchende Senat hält es zwar für möglich, dass die Abluftbehandlung ein zweiter Verwendungszweck sei, da für die Verwendung als Heizstoff eher eine Nutzung zum Wärmen von Räumen oder Gegenständen charakteristisch sei, während die Entsorgung von Abfällen hiervon eindeutig unterschieden werden könne. Dabei verkennt das Gericht aber auch nicht, dass dem Zweck der neben den Heizzweck tritt, ein gewisses Gewicht zukommen muss, um unangemessene Steuervergünstigungen zu vermeiden. Je nach Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH ist mit weitreichenden Konsequenzen für diesen Entlastungstatbestand zu rechnen.

Abfall- und Abwasserunternehmen als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes?

Nicht nur im Strom- und Energiesteuerrecht spielt die richtige Einordnung als Unternehmen des Produzierenden Gewerbes (UdPG) eine große Rolle. Auch bei der Besonderen Ausgleichsregelung des EEG ist die Branchenzugehörigkeit sehr entscheidend.

Nach dem EEG 2014 sind bekanntlich nur noch bestimmte Branchen, die nach den EU-Leitlinien als stromkosten- bzw. handelsintensiv eingestuft werden, antragsberechtigt. Diese sind abschließend aufgeführt. Die Tätigkeit jedes Antragstellers muss daher exakt mit den begünstigten Zuordnungen der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 (WZ 2008) übereinstimmen. Von dieser Einordnung ist u. a. abhängig, welche Stromkostenintensität für den EEG-Begrenzungsantrag erforderlich ist und ob überhaupt eine Antragsberechtigung gegeben ist.

Im Entsorgungsbereich sind hier insbesondere Unternehmen der Gruppe 38.32 der WZ 2008 zu nennen, die im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung begünstigt sind. Die Gruppe 38.32 erfasst insbesondere das Aussortieren von Wertstoffen aus Abfallströmen und die Sortierung von vermischten Wertstoffen (z. B. Papier, Kunststoffe, leere Getränkedosen und Metalle) in bestimmte Kategorien sowie die Verarbeitung von metallischen und nicht metallischen Altmaterialien, Reststoffen und Erzeugnissen zu Sekundärrohstoffen und beschreibt damit den Tätigkeitsbereich der Recycling-Branche.

Die statistische Einordnung der Unternehmen wird durch die zuständigen Statistikämter der Länder verwaltet, die nach unserer Erfahrung oft nicht den aktuellen Rechts- und Sachstand wiedergibt.

Daher ist ein Abgleich der WZ-Klasse des betreffenden Unternehmens entsprechend der Einordnung der Statistik zu empfehlen. Sollte die Einordnung aus Sicht des Unternehmens nicht zutreffend bzw. ungünstig sein, kann mit einer entsprechenden Argumentation oder organisatorischen Modifikation auf eine „Umschlüsselung” hingewirkt werden.

Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist für das Strom- und Energiesteuerrecht ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 21.01.2015 (Az. 4 K 1956/13 VSt.), das für viele Unternehmen der Wasser- und Abwasserwirtschaft zu einem erheblichen Kosteneinsparpotenzial führen kann. Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen. Hiernach können UdPG nun strom- und energiesteuerliche Begünstigungen beanspruchen, auch wenn sie im Bereich der Entwässerung und Abwasserbeseitigung tätig sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zu ihren überwiegenden Aufgaben auch der Bau und die Unterhaltung der für die Aufgabenerledigung notwendigen Anlagen gehören.

Auch wenn nach § 2 Nr. 3 StromStG i.V. mit der WZ 2003 (Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes, Ausgabe 2003) regelmäßig nur Unternehmen, die dem Bergbau, dem Verarbeitenden Gewerbe, der Energie- und Wasserversorgung oder dem Baugewerbe zuzuordnen sind, begünstigt sind, kann im Einzelfall auch ein Unternehmen im Bereich der Entwässerung und Abwasserbeseitigung als UdPG gelten, wenn Bau und Instandhaltung eigener Anlagen den Schwerpunkt des Unternehmens bilden. Das Unternehmen gilt dann i.S.d. § 2 Nr. 3 StromStG als Bauunternehmen. Dabei kommt es nicht drauf an – so das FG Düsseldorf –, ob die Bautätigkeiten von fremden Mitarbeitern durchgeführt wurden.

Allerdings hat die Finanzverwaltung zwischenzeitlich eine Änderung der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vorgenommen, um dieser Möglichkeit der Kostenoptimierung einen Riegel vorzuschieben, wenn Subunternehmer die Arbeiten übernehmen. Damit hat die Finanzverwaltung versucht, einer Schwerpunktbildung nach oben genanntem Muster entgegenzuwirken. Es bestehen aber gute Chancen, dass auch diese Regelung der Durchführungsverordnung wegen erheblicher Zweifel an der Vereinbarkeit des § 15 Abs. 9 StromStV mit höherrangigem Recht in einem späteren Rechtsverfahren nicht wirksam bleibt.

Bislang nicht begünstigte Unternehmen sollten daher nun prüfen, inwieweit eine Schwerpunktbildung im Bereich des Baugewerbes in Betracht kommt. Gerade im Abwasserbereich, in dem regelmäßig hohe Bautätigkeiten und hohe Stromverbräuche vorzufinden sind, bietet dieses Urteil ein nicht unerhebliches Kosteneinsparpotenzial.

 

Ralf Reuter

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht
 

Jan Steinkemper

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht
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