15.04.2015

Pionierrolle für andere Kommunen

Landeshauptstadt Wiesbaden legt ersten Gesamtabschluss vor

Pionierrolle für andere Kommunen

Landeshauptstadt Wiesbaden legt ersten Gesamtabschluss vor

Die Erstellung des kommunalen Gesamtabschlusses ist eine komplexe Aufgabe. | © adimas - Fotolia
Die Erstellung des kommunalen Gesamtabschlusses ist eine komplexe Aufgabe. | © adimas - Fotolia

Die Landeshauptstadt Wiesbaden hat im Juni 2014 den ersten Gesamtabschluss mit dem Stichtag 31. 12. 2012 aufgestellt. Er wurde mit einem uneingeschränkten Testat eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers versehen und von der Stadtverordnetenversammlung am 12. 02. 2015 festgestellt. § 112 Abs. 5 S. 2 der Hessischen Gemeindeordnung verlangt einen Gesamtabschluss erst auf den 31. 12. 2015. Die Landeshauptstadt hat damit eine Pionierrolle übernommen. Von ihren Erfahrungen können andere Kommunen profitieren. Dieser Beitrag will einige Erfolgsfaktoren für den kommunalen Gesamtabschluss am Beispiel Wiesbadens darstellen.

Zeitlicher Vorlauf und Projektstruktur

Die Tatsache, dass die LH Wiesbaden zu einem so frühen Zeitpunkt ein greifbares Ergebnis ihrer Bemühungen vorlegen kann, ist bereits Ausdruck eines wesentlichen Erfolgsfaktors: sich einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf einräumen.

In erster Linie sollte jedoch – abhängig von der Größenordnung einer Kommune – eine so komplexe Aufgabe wie die Erstellung des kommunalen Gesamtabschlusses als Projekt definiert und mittels des Einsatzes moderner Methoden des Projektmanagements durchgeführt werden.


In Wiesbaden wurde eine Projektorganisation mit Lenkungsgruppe und Projektgruppe gewählt. In der Lenkungsgruppe waren neben dem Kämmerer und den Leitern der Kämmerei/Stadtkasse (Finanzbuchhaltung) der Stadt auch die kaufmännischen Leitungen der wichtigsten einbezogenen Eigenbetriebe und Gesellschaften vertreten. In beratender Rolle wirkten der Leiter des Revisionsamtes und der Personalrat mit. Eine wesentliche Aufgabe der Lenkungsgruppe bestand darin, die Projektleitung bei wesentlichen Entscheidungen zu beraten, insbesondere die Gesamtabschlussrichtlinie zu verabschieden, bevor sie abschließend durch Magistratsbeschluss in Kraft gesetzt wurde. Durch die frühzeitige Beteiligung der Geschäftsleitungen wurde bei den externen Aufgabenträgern Akzeptanz für den nicht unerheblichen Arbeitsaufwand für die zusätzliche Aufgabe „Mitwirkung beim kommunalen Gesamtabschluss” erreicht. Eine frühzeitige Einbindung des Revisionsamtes empfiehlt sich, um bereits vor der Prüfung zu einer einheitlichen Einschätzung der Dokumentationserfordernisse bei der Gesamtabschlusserstellung bzw. bei den Entscheidungen über Wesentlichkeit oder Nachrangigkeit zu gelangen. In der Projektgruppe waren die Stadt und alle externen Aufgabenträger vertreten. Hier galt es die konkreten Herausforderungen bei der Umsetzung zu bewältigen.

Erstellung eines realistischen Projektplans

Das Projekt war (verkürzt) in folgende Abschnitte gegliedert:

  • Auswahl eines geeigneten Beraters [Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft]
  • Erarbeitung eines Feinkonzepts für die Umsetzung (kann ggf. entfallen)
  • Bestimmung des Konsolidierungskreises
  • EDV-Auswahl [IDL.KONSIS]
  • Erstellung des Konzernkontenplans
  • EDV-technische Umsetzung (u. a. Customizing, Kapitalflussrechnung)
  • Erste Einschätzung der Unterschiedsbeträge aus der Kapitalkonsolidierung
  • Überleitung der Einzelabschlüsse auf den Konzernkontenplan (mapping)
  • Erstellung des Schulungskonzepts (Grundlagenschulung, projektbegleitende Schulung)
  • Entwicklung des Saldenabstimmungsprozesses
  • Erstellung der Gesamtabschlussrichtlinie
  • Einrichtung des Berichtswesens (KB II, Anhang, Konsolidierungsbericht, Ereignisse nach Abschlussstichtag) und Erstellung der Berichtspakete (Packages)
  • Erstellung eines internen Kontrollsystems

Die langfristige Vorbereitung erwies sich auch als wertvoll, um mehrere Durchläufe bei den Saldenbestätigungsaktionen durchzuführen, die zur Aufdeckung und Reduzierung von unechten Konsolidierungsdifferenzen führten. Dabei erwies sich die Stadt mit ihren verzweigten und komplexesten Beziehungen als das größte „Nadelöhr”.

Kooperation aller Betroffenen

Die zeitnahe Aufstellung des Gesamtabschlusses erfordert die Mitwirkung der Aufgabenträger sowie eine gemeinsame und verbindliche Festlegung des Prozesses. Gesetzliche Fristen für die Erstellung des Gesamtabschlusses können einen früheren Buchungsschluss für das Berichtsjahr und die frühzeitige Erstellung der Einzelabschlüsse erfordern. Dabei ist zu beachten, dass viele Aufgabenträger noch ohne „Konzernerfahrung” mit neuer zusätzlicher Arbeit konfrontiert werden. Dies muss in der Arbeitsplanung der Finanzbuchhaltungen berücksichtigt werden. Aber auch andere Organisationseinheiten innerhalb der Kernverwaltung waren gefordert. Die Berichterstattung zum Gesamtabschluss baut auf der bestehenden auf. So kann z. B. die Chancen- und Risikoberichterstattung im Gesamtabschluss nicht informativer sein, als die Ausführungen im Rechenschaftsbericht zum Einzelabschluss der Stadt oder dem Vorbericht zum aktuellen Haushaltsplan. Die von § 55 GemHVO verlangten Angaben über den Stand der Erfüllung des öffentlichen Zwecks der einbezogenen Aufgabenträger und der mit ihnen verfolgten Ziele und Strategien sind Ausfluss der Arbeit des Beteiligungsmanagements und im Beteiligungsbericht gem. § 123 a HGO zu dokumentieren.

Konsolidierung von Teilkonzernabschlüssen

In Wiesbaden besteht bereits eine Unternehmensgruppe, die seit längerer Zeit einen Konzernabschluss vorlegt (Stadtwerke). Es stellte sich daher die Frage nach der Integration des bestehenden Stadtwerke-Konzerns. Denkbar waren die Einbeziehung der einzelnen Gesellschaften oder des Teilkonzerns (Sukzessivkonsolidierung). Grundsätzlich gestaltet sich die Sukzessivkonsolidierung übersichtlicher. Konsolidierungsdifferenzen im Teilkonzern lassen sich dann jedoch schwieriger identifizieren.

Ausnahmen vom Verzicht der einheitlichen Bewertung

Hessen verzichtet in § 112 Abs. 7 HGO auf die einheitliche Bewertung für die externen Aufgabenträger. Zur Vermeidung von Konsolidierungsdifferenzen ist ein einheitliches Vorgehen dennoch sinnvoll. Dies gilt insbesondere für die Behandlung von Investitionszuwendungen. In der Gesamtabschlussrichtlinie wurde für alle Aufgabenträger festgelegt, dass diese nach den Vorschriften des Gemeindehaushaltsrechts bilanziert werden. Die Absetzung von den Anschaffungs- und Herstellungskosten, eine andere Nutzungsdauer oder eine sofortige Erfolgswirksamkeit würde zu permanenten Konsolidierungsdifferenzen führen.

Kein Perfektionismus, sondern kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Eine wichtige Erkenntnis des Projekts „erster Gesamtabschluss” der LH Wiesbaden war, dass die Erstellung einem laufenden Verbesserungsprozess unterliegt. In den ersten Abschlüssen werden Fehler in Abstimmung mit der Revision toleranter behandelt. Es bedarf dazu in den Anfangsjahren praktikabler Regelungen zur Behandlung der Konsolidierungsdifferenzen bzw. von Fehlern in den Einzelabschlüssen.

Überlegenswert für künftige Abschlüsse ist eine Prüfung und Testierung der Erfassungsformulare durch die jeweiligen Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Abschlussprüfung.

Ergebnis: Aussagen des Gesamtabschlusses

Der Verbund aus Kernverwaltung sowie rd. 30 Eigenbetrieben und Gesellschaften stellt den rd. 280.000 Einwohnern Wiesbadens ein Vermögen von 4,1 Mrd. € für die Aufgabenerfüllung zur Verfügung und erwirtschaftete 2012 Erträge in Höhe von 1,7 Mrd. €. Den Erträgen stehen Aufwendungen in etwa derselben Höhe gegenüber, sodass sich 2012 ein Jahresüberschuss von 60 Mio. € ergab, davon entfielen 17 Mio. € auf andere Gesellschafter. Damit verbesserte sich das positive Bild der Ertragslage gegenüber dem Einzelabschluss, lag dort doch der Überschuss bei 19 Mio. €.

Der Vergleich mit dem Jahresabschluss der Kernverwaltung ergibt, dass dort nicht einmal 60 % aller Aufwendungen und Erträge aus der Erfüllung kommunaler Aufgaben erfasst sind und auch nur 60 % des diesen Aufgaben gewidmeten Vermögens gezeigt wird. Allerdings wurden auch kommunale Schulden in die externen Aufgabenträger ausgegliedert. So liegt die Eigenkapitalquote im Jahresabschluss der Kernverwaltung bei 62 %, während sie im Gesamtabschluss 42 % beträgt.

Damit bestätigt der Gesamtabschluss der Landeshauptstadt Wiesbaden die These, dass weder die wirtschaftliche Lage einer Stadt noch das Ausmaß der kommunalen Aufgabenerfüllung allein aus dem Jahresabschluss der Stadt, sondern nur aus dem Gesamtabschluss abgelesen werden kann und dieser damit ein unentbehrliches Informations- und Steuerungsinstrument für Verantwortliche und die Bürgerschaft darstellt.

 

Gerd-Jürgen Heim-Willius

Referatsleitung Gesamtabschluss, Landeshauptstadt Wiesbaden
 

Prof. Dr. Adelheid Zeis

Wirtschaftsprüferin / Steuerberaterin, Senior Manager im Bereich Public Services der Deloitte & Touche GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main
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