Endlagersuche sorgfältig beschleunigen
10 aktuelle Empfehlungen zum Standortauswahlverfahren
Endlagersuche sorgfältig beschleunigen
10 aktuelle Empfehlungen zum Standortauswahlverfahren

Die Standortsuche für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle ist eine der größten umweltpolitischen und geologischen Herausforderungen in Deutschland, zudem der wohl größte öffentliche Beteiligungsprozess der Gesellschaft. Ein wichtiges Instrument für diese Beteiligung ist das Nationale Begleitgremium (NBG) – eine Art Schnittstelle zwischen Politik und beteiligten Akteuren auf der einen sowie Zivilgesellschaft auf der anderen Seite. Mit Blick auf die nächsten Schritte und Aufgaben im Verfahren spricht das NBG 10 Empfehlungen aus.
Die sicherste Aufbewahrung für die hoch radioaktiven Abfälle aus der Kernenergienutzung stellt nach dem Stand von Wissenschaft und Technik im weltweiten Konsens ein tiefengeologisches Endlager dar. Im Jahr 2013 wurde mit dem Standortauswahlgesetz (StandAG) die rechtliche Grundlage für die Suche nach einem passenden Ort für ein solches Lager in Deutschland geschaffen. Seit 2016 begleitet das ehrenamtliche Nationale Begleitgremium (NBG) den Prozess – fair, unabhängig und kritisch. Es kann sich unabhängig mit sämtlichen Fragestellungen zum Verfahren befassen, die zuständigen Institutionen befragen und Stellungnahmen abgeben. Dies ist in § 8 Abs. 1 des StandAG festgeschrieben.
Aktueller Stand und potenzielle Beschleunigungsoptionen
Im Moment blicken alle auf das Jahr 2027. Denn zu dem Zeitpunkt sollen die möglichen Standortregionen für die weitere Erkundung durch die sogenannte Vorhabenträgerin, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), vorgeschlagen werden. Dann ist es wichtig, dass die Bevölkerung am weiteren Verfahren beteiligt wird. So ist es auch im Gesetz vorgesehen.
Zum Thema Beteiligung und zu Fragen der Beschleunigung hat das NBG in seinem fünften Tätigkeitsbericht zehn Empfehlungen formuliert. Damit die langwierige Suche nicht zu Ermüdungserscheinungen und am Ende reduzierter Sorgfalt führt, müssen Wege gefunden werden, das Verfahren zu beschleunigen. Das Ziel ist und bleibt, den Standort mit der bestmöglichen Sicherheit zu finden und zwar in einem Verfahren, das transparent, partizipativ, wissenschaftsbasiert und lernend ist.
Hier sieht das NBG unter anderem folgende Beschleunigungspotenziale:
- ein zentrales Projektmanagement beim Bundesumweltministerium (BMUV),
- eine effizientere Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen,
- optimierte geologische Erkundungen in Phase II und III sowie
- eine frühzeitige Diskussion von Vorschlägen möglicher Anpassungen mit der Öffentlichkeit.
Das NBG fordert darüber hinaus das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) im Sinne seines Auftrages als Beteiligungsbehörde dazu auf, sich schon heute mit potenziell betroffenen Regionen zu vernetzen, um sich proaktiv und frühzeitig auf mögliche regionale Herausforderungen vorzubereiten.
Ein Gremium als Beispiel gelebter Demokratie
Damit die Belastung durch die radioaktiven Abfallstoffe aus mehr als 50 Jahren der Kernenergienutzung nicht komplett an die nachfolgenden Generationen übertragen wird, muss sich die Politik kontinuierlich mit der Standortsuche befassen. Leider rückt das Thema Endlagersuche auf der politischen Agenda immer weiter in den Hintergrund. Das zeigt auch der kürzlich veröffentlichte schwarz-rote Koalitionsvertrag, in dem man vergeblich das Standortauswahlverfahren sucht.
Fakt ist: Die Suche nach dem letzten, sicheren Standort für die hoch radioaktiven Abfälle in Deutschland ist eine Sicherheitsfrage oberster Priorität, bedenkt man die möglichen Auswirkungen der steigenden globalpolitischen Unruhen und Klimaextreme auf die bundesweit verteilten Zwischenlager. Nicht zuletzt ist die Endlagerfrage unsere gesellschaftliche Verantwortung und nicht die der folgenden Generationen.
Wie lösen wir nun diese komplexe umweltpolitische und geologische Frage? Wie schaffen wir es bei diesem Thema als Gesellschaft eine gemeinsame Lösung zu finden, die von allen getragen werden kann? Genau hier setzt das NBG an. Es ist eine Art Schnittstelle zwischen Politik und Akteuren sowie Zivilgesellschaft. Einerseits durch die Vielfalt seiner ehrenamtlichen Mitglieder. Andererseits durch den direkten Kontakt zu den Institutionen, die mit der Suche beauftragt sind.
Das Gremium gibt in seiner Funktion als Sprachrohr mögliche Kritik und Anregungen der Öffentlichkeit weiter und verschafft ihr Gehör. Dazu beobachtet das NBG alle Verfahrensschritte, hinterfragt und diskutiert diese kritisch mit einem prüfenden Blick von außen, lässt sich von externen Gutachterinnen oder Gutachtern beraten und tritt mit allen Beteiligten in einen regen Austausch. Die Vielfalt der Persönlichkeiten, Biografien und Perspektiven im NBG eröffnet dabei ständig Möglichkeiten des Lernens. Auch wenn es immer wieder Konflikte gibt, gelingt es als Ergebnis der Debatten fast immer, einen Konsens zu finden. Das NBG ist somit ein Vorzeigeprojekt für gelebte Demokratie. Und davon kann nicht nur das Standortauswahlverfahren profitieren! Das NBG kann ein Vorbild für viele andere große gesellschaftliche Herausforderungen sein, vor denen unsere Gesellschaft aktuell steht und in denen ehrliche, gesellschaftliche Verantwortung gefragt ist.
Die Gesichter hinter dem Nationalen Begleitgremium
Das Gremium besteht aus 18 Personen: Sechs Bürgerinnen und Bürger, die in einem Beteiligungsverfahren gewählt und von der Bundesumweltministerin ernannt werden. Außerdem 12 anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die von Bundestag und Bundesrat berufen werden. Aktuell sind nicht alle Plätze des Gremiums besetzt, da die Wieder- bzw. Neuberufung durch Bundestag und Bundesrat bisher nicht stattfand.
Die Amtszeit eines Mitglieds beträgt drei Jahre. Eine Wiederberufung ist zweimal möglich. Die Mitglieder dürfen weder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch der Bundes- oder einer Landesregierung angehören. Sie dürfen keine wirtschaftlichen Interessen in Bezug auf die Standortauswahl oder die Endlagerung im weitesten Sinne haben.
Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder des NBG werden bei ihren Aufgaben von einer 14-köpfigen Geschäftsstelle unterstützt. Das interdisziplinäre Team koordiniert die Arbeit des Gremiums im Hintergrund, sorgt für fachliche Expertise und einen reibungslosen Ablauf der vielen NBG-Termine. Bürgerinnen und Bürger können sich mit ihren Anliegen direkt an die Geschäftsstelle wenden.
Resümee aus den vergangenen 21 Monaten Gremienarbeit
Um die Öffentlichkeit bestmöglich einzubinden und auch komplexe Themen verständlich aufzubereiten, organisiert das NBG zu ausgewählten thematischen Schwerpunkten eigene Veranstaltungen und monatliche Sitzungen. Um das breite Themenspektrum erfassen und bearbeiten zu können, kann sich das NBG wissenschaftlich beraten lassen und unabhängige Fachleute beauftragen. Die daraus resultierenden Gutachten fließen direkt in die Empfehlungen des Gremiums ein. So wird eine neutrale, aber fundierte Entscheidungsgrundlage für ein lernendes Verfahren geschaffen.
Alle inhaltlichen Schwerpunkte des Gremiums, seine Empfehlungen und ein Überblick über die wichtigsten Termine finden sich im aktuellen Tätigkeitsbericht als PDF-Download von der NBG-Website.
Sie hätten gern eine gedruckte Version? Dann schreiben Sie eine E-Mail an geschaeftsstelle(at)nationales-begleitgremium.de.
Kurzinfos
Deutschland als weiße Landkarte
Ein zentraler Grundsatz des Standortauswahlverfahrens ist das Prinzip der „weißen Landkarte“. Das heißt, dass kein Ort in Deutschland von vornherein als geeigneter oder ungeeigneter Endlagerstandort gilt. Stattdessen überprüft die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) seit 2017 ganz Deutschland auf Endlagertauglichkeit und schließt nach und nach Gebiete aus, die sich etwa durch Vulkanismus oder Erdbebengefahr nicht eignen. 2020 veröffentlichte die BGE eine erste Übersicht von möglichen Gebieten im sogenannten Zwischenbericht Teilgebiete. Der nächste Meilenstein wird 2027 erwartet. Denn dann plant die BGE die potenziellen Standortregionen für eine anschließende übertägige Erkundung vorzuschlagen. Erst dann wird die BGE zum ersten Mal selbst geologische Daten erheben.
Drei Gesteinsarten stehen zur Verfügung
Für die Endlagerung der hoch radioaktiven Abfallstoffe soll ein Bergwerk errichtet werden. Die Gesteine, die das Bergwerk beherbergen sollen, nennt man Wirtsgesteine. Mögliche Wirtsgesteine sind in Deutschland Kristallingesteine, Salzgesteine und Tongesteine. Jedes Gestein hat dabei Vor- und Nachteile. Diese resultieren zum einen aus den jeweiligen mineralogischen Eigenschaften. Zum anderen aber auch aus den Besonderheiten des jeweiligen Standortes selbst. Nach dem Standortauswahlgesetz (StandAG) werden alle Vorkommen der Wirtsgesteine gleichermaßen berücksichtigt und untereinander verglichen, um den Standort mit der bestmöglichen Sicherheit ausfindig zu machen.