15.11.2015

Windenergievorhaben: Plangerecht steuern

Viele Aspekte bei der Ausweisung von Konzentrationszonen zu beachten

Windenergievorhaben: Plangerecht steuern

Viele Aspekte bei der Ausweisung von Konzentrationszonen zu beachten

Flächennutzungsplanung mit Konzentrationszonen: Ein wichtiges Instrumentarium, das beherrscht werden muss. | © VRD - Fotolia
Flächennutzungsplanung mit Konzentrationszonen: Ein wichtiges Instrumentarium, das beherrscht werden muss. | © VRD - Fotolia

Um bestimmte Gebiete ihrer Gemarkung vor privater Windenergienutzung zu schützen, müssen Kommunen seit 2013 selbst Konzentrationszonen innerhalb ihrer Flächennutzungspläne für Windenergienutzung ausweisen. Somit schaffen sie gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB einen der privilegierten Nutzung im Außenbereich entgegenstehenden öffentlichen Belang.

Diese Steuerungsmöglichkeit ist allerdings komplex und muss daher sorgfältig durchgeführt werden. Gelingt den Planungsträgern keine rechtssichere Planung, bleibt die Privilegierung von Windkraftvorhaben im Außenbereich bestehen.

Allgemeines

Konzentrationszonen innerhalb bestehender Flächennutzungspläne kann der kommunale Planungsträger mithilfe von sachlichen, teilweise auch räumlichen Teilflächennutzungsplänen erstellen. Denkbare Darstellungsarten derartiger Konzentrationszonen speziell für die Windenergienutzung wären gemäß § 5 Abs. 2 BauGB Bauflächen (Nr. 1), Flächen für Versorgungsanlagen (Nr. 4), und Flächen für Anlagen, Einrichtungen oder sonstige Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegen wirken (Nr. 2b). Überlagernde Darstellungen sind möglich.


Neben der passenden Darstellungsart für die Windkraft-Flächennutzungsplanung müssen derartige Vorhaben die allgemeinen rechtlichen Anforderungen beachten, die das BVerwG in seiner Rechtsprechung (insb. Urt. v. 17. 12. 2002, Az. 4 C 15.01, E 117, 287 und Urt. v. 13. 12. 2012, Az. 4 CN 1.11, E 145, 231) konkretisiert hat. Diese sind folglich städtebauliche Erforderlichkeit, Vollziehbarkeit, ein zugrunde liegendes schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept und die Schaffung „substanziellen Raumes” für die Windenergie.

Zudem dürfen der Umsetzung der Planung nicht schon bei der Planung erkennbare dauerhafte rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Weg stehen (Feigenblatt- oder Verhinderungsplanung). Windenergie-Flächennutzungspläne sind gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im Normenkontrollverfahren angreifbar.

Nachfolgend sollen wichtige Aspekte der Windkraft-Flächennutzungsplanung vorgestellt werden.

Einbezug der Nachbarkommunen

Möglichkeiten der Verhinderung: Nachbarkommunen können die Flächennutzungsplanung der planenden Gemeinde nur verhindern, wenn sie einen Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB geltend machen können. Dafür müssen sie allerdings durch die Windkraftflächennutzungsplanung der planenden Gemeinde in unzumutbarer Weise betroffen sein, was in der Praxis selten sein dürfte. Ist dies der Fall, kann ein Normenkontrollverfahren eingeleitet werden.

Gemeinsame Planung: Einer mangelnden interkommunalen Abstimmung oder auch dem Vorwurf der Verhinderungsplanung können Gemeinden entgehen, indem sie ihre Flächennutzungsplanung gemäß §§ 203, 204 BauGB gemeinsam betreiben. Hierzu stehen sowohl baurechtliche als auch landesrechtliche Formen interkommunaler Zusammenarbeit zur Verfügung. Besonders reizvoll hieran ist, dass Windenergiestandorte auf einzelnen Gemarkungen sogar vollständig ausgeschlossen werden können.

Das Baurecht enthält drei Formen interkommunaler Zusammenarbeit, welche nach Kooperationsgrad abgestuft sind. Den Planungsverband (§ 205 Abs. 1 BauGB) als engste Form gemeindeübergreifender Zusammenarbeit, der sämtliche Träger hoheitlicher Fachplanungen umfasst; den gemeinsamen Flächennutzungsplan (§ 204 Abs. 1 Satz 1-3 BauGB), welcher von benachbarten Gemeinden aufgestellt wird und ein hohes Maß an Abstimmung erfordert sowie die Vereinbarung bestimmter Darstellungen (§ 204 Abs. 1 Satz 4 BauGB), als schwächste der drei Formen im Baurecht, für die alle betroffenen Kommunen eigene, rechtlich unabhängige Flächennutzungspläne aufstellen.

Über § 205 Abs. 6 BauGB sind auch andere Kooperationsformen zulässig. Diese können Zweckverbände (§ 1 GKZ), öffentlich-rechtliche Vereinbarungen (§ 25 GKZ), Gemeindeverwaltungsverbände und vereinbarte Verwaltungsgemeinschaften (§ 61 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 7 GemO BW) sein.

Zurückstellungsmöglichkeiten als Plansicherung

Durch ihre hohe Komplexität gerät die Windkraftflächennutzungsplanung nicht selten ins Stocken. Da jedoch geplante Windenergievorhaben privater Investoren bis zum Abschluss der Flächennutzungsplanung im Außenbereich grundsätzlich zulässig sind, ist die Kenntnis über plansichernde Instrumente des BauGB unabdingbar.

Veränderungssperre nach § 14 BauGB: § 14 BauGB ist ausschließlich anwendbar auf Bebauungspläne, folglich wird er in der Windenergiesteuerung selten genutzt. Dennoch hat der Planungsträger durch dieses Instrument die Möglichkeit Windenergieanlagen als Vorhaben gemäß § 29 BauGB vorläufig für zwei bis vier Jahre zu verhindern.

Zurückstellung nach § 15 BauGB: Gemäß § 15 BauGB kann die Zurückstellung eines Baugesuchs auch bei der zuständigen Genehmigungsbehörde beantragt werden. Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen kann der Planungsträger ein Vorhaben bis zu zwei Jahre zurückstellen.

§ 15 Abs. 3 BauGB ist auf Flächennutzungspläne anwendbar und greift, sobald der Aufstellungsbeschluss über den Flächennutzungsplan gefasst wurde. Der Planungsträger hat nun sechs Monate Zeit die Zurückstellung eines Baugesuchs bei der Genehmigungsbehörde zu beantragen, um die Entscheidung über Zulässigkeit des Gesuchs bis zu ein Jahr auszusetzen. Besondere Umstände können die Entscheidung noch um ein weiteres Jahr verschieben.

Befangenheit

Anders als bei anderen Flächennutzungsplanverfahren ist bei der Windkraftflächennutzungsplanung darauf zu achten, dass Gemeinderäte bei den Beschlussfassungen nicht von Befangenheit betroffen sind (vgl. hierzu Frey/Stiefvater, NVwZ 2014, 249). Mögliche Befangenheitsszenarien könnten sich durch Eigentum innerhalb einer Konzentrationszone ergeben, da dies einen unmittelbaren Vorteil darstellt. Ein unmittelbarer Nachteil ergibt sich für Pächter oder Mieter derartiger Grundstücke, da diesen der Verlust der Nutzungsmöglichkeit droht. Liegen die Grundstücke innerhalb einer Fläche, die aus rechtlich zwingenden Gründen von der Planung ausgeschlossen ist (fehlende Eignung, harte Tabukriterien), ist ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil grundsätzlich auszuschließen. Unterliegen Grundstücke der Ratsmitglieder dem Abwägungsprozess des Planungsträgers, ob sie ausgewiesen werden sollen oder nicht, sind Grundstückseigentümer oder Rechteinhaber als befangen anzusehen. Weitere Befangenheitsszenarien ohne direkten Grundstücksbezug sind nur theoretisch denkbar, können aber nicht pauschal angenommen werden. Hier hängt die Befangenheit vom konkreten Einzelfall ab. Vertreter von Tourismus- oder Naturschutzverbänden gelten beispielsweise nicht als befangen, da sie lediglich Gruppeninteressen gemäß § 18 Abs. 3 GO BW vertreten. Wird allein über die Windenergie-Flächennutzungsplanung entschieden, ist auch kein unmittelbarer Vorteil bei Angestellten von Unternehmen der Windenergiebranche anzunehmen.

Bürgerbeteiligung

Aufgrund des häufig großen Bürgerinteresses an derartigen Vorhaben, sind Gemeinden dazu verpflichtet aber auch angehalten Bürger an gewissen Punkten des Verfahrens teilhaben zu lassen. Diese Beteiligung kann gesetzlich vorgeschrieben oder freiwillig sein.

Formell: „Möglichst frühzeitig” (§ 3 Abs. 1 BauGB), aber spätestens beim Aufstellen des Flächennutzungsplans ist die Öffentlichkeit zu beteiligen. Der Grad der Beteiligung steht zu Beginn des Verfahrens noch im Ermessen der Gemeinde. Später ist der Bauleitplan einen Monat öffentlich auszulegen (§ 3 Abs. 2 BauGB), währenddessen können auch die Bürger Stellungnahmen abgeben.

Hat ein Investor bereits ein Einzelvorhaben nach BImSchG geplant, liegt die Öffentlichkeitsbeteiligung beim Antragssteller. Bei Windenergievorhaben ist diese aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen in Baden-Württemberg aber nur selten verpflichtend (meist vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG).

Informell: Zur besseren Akzeptanz eines derart emotionalen Verfahrens, können Bürger auch informell in Form von Ausstellungen, Kompetenzwerkstätten oder innerhalb kommunaler Energieforen beteiligt werden. Eine Internetpräsenz mit wesentlichen Inhalten des Vorhabens ist in heutiger Zeit sinnvoll.

Zusammenfassung

Am Ende kommunaler Windenergie-Flächennutzungsplanung sollte die Privilegierung von Windenergievorhaben gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ausgeschlossen sein, da der neue Flächennutzungsplan mit seinen Konzentrationszonen als öffentlicher Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB derartigen Vorhaben entgegensteht. Die neuen Steuerungsmöglichkeiten, die den Kommunen durch dieses Werkzeug gegeben sind, bringen jedoch Gefahren mit sich. Für ein reibungsloses Verfahren gilt es demnach sämtliche der behandelten Aspekte zu beachten.

Hinweis der Redaktion: Einen ausführlichen Beitrag der Autoren zu diesem Thema finden Sie in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift Ausbildung/Prüfung/Fachpraxis (apf). Siehe auch Zeitschriftenspiegel auf S. 37.

 

Prof. Dr. Michael Frey

Mag.rer.publ., Fakultät Rechts- und Kommunikationswissenschaften, Hochschule für öffentliche Verwaltung, Kehl
 

Alexander Häring

M.A., Student an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung Kehl, Studentische Hilfskraft bei Prof. Frey
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