15.11.2015

Alternativen der Kommunalfinanzierung

Neue Studie: Sind Deutschlands Städte kapitalmarktfähig?

Alternativen der Kommunalfinanzierung

Neue Studie: Sind Deutschlands Städte kapitalmarktfähig?

Alternative Bausteine für die Kommunalfinanzierung erweitern Handlungsspielräume | © IR.on AG
Alternative Bausteine für die Kommunalfinanzierung erweitern Handlungsspielräume | © IR.on AG

Deutschlands Kommunen stehen zunehmend veränderten, vielfach verschlechterten Finanzierungsbedingungen gegenüber. Wesentliche Ursache dafür sind die hohen Verbindlichkeiten, die viele deutsche Kommunen mittlerweile belasten. Gleichzeitig ist ein erheblicher Investitionsstau in der Erhaltung und Weiterentwicklung der kommunalen Infrastruktur entstanden. Wesentliche Ursache ist die mangelhafte Finanzausstattung durch Bund und Länder, die insbesondere in strukturschwachen Regionen in einer strukturellen Verschuldung mündet.

Um Kredite zu refinanzieren und sich ein Minimum an finanzieller Unabhängigkeit zu erhalten, setzen viele Städte und Gemeinden deshalb mittlerweile in hohem Umfang auf die Aufnahme kurzfristiger Kassenkredite. Gleichzeitig wurden im Zuge von Basel III verschärfte Bilanzierungsregeln für Kommunalkredite eingeführt. Diese Veränderung, aber auch ein geringeres Vertrauen in die Kreditfähigkeit öffentlicher Institutionen, hat zum einen den Rückzug einiger Bankhäuser aus diesem Bereich zur Folge. Zum anderen wird de facto die Bonität finanzschwacher deutscher Kommunen vom Kapitalmarkt zunehmend negativ eingeschätzt.

Deutschland wird zu einem „sicheren Hafen” für Investoren

Diesen Herausforderungen stehen neue Möglichkeiten der Finanzierung gegenüber, die durch den Rückzug der Investoren aus Staatsanleihen und aus unsicheren Regionen befeuert werden. Deutschland wird mehr und mehr zu einem „sicheren Hafen” für nationale und internationale Investoren, nicht zuletzt ablesbar an den niedrigen Zinssätzen, zu denen sich die Bundesfinanzagentur derzeit auf dem internationalen Anleihemarkt finanziert. Zu den neuen Möglichkeiten in der Kommunalfinanzierung gehören insbesondere die wiederentdeckten Schuldscheindarlehen, kommunale Einzel- oder Gemeinschaftsanleihen, aber auch Bürgerkredite und andere „Crowdfunding”-Instrumente. Fest steht jedoch: Sowohl Kommunen als auch Investoren betreten bei diesen Formen der Finanzierung vielfach Neuland.


Um diese neue Formen der kommunalen Finanzierung näher zu beleuchten, führten die Kommunikationsberatung IR.on AG und die IKB Deutsche Industriebank AG eine Befragung von Entscheidungsträgern in Kommunen, Banken und Kapitalmarktsammelstellen durch. Dabei sollten die Motive und Bedürfnisse von Kommunen und Investoren gleichermaßen erfasst werden. Befragt wurden 20 Kämmerer aus der Gruppe der 150 größten deutschen Kommunen und 20 Investoren und Finanzinstitute mit einer Bilanzsumme zwischen 300 Mio. und 900 Mrd. Euro.

Im Ergebnis sollte deutlich werden, welche Formen der alternativen Kommunalfinanzierung bevorzugt werden und welche Instrumente die besten Chancen besitzen, sich langfristig zu etablieren. Zudem sollte veranschaulicht werden, inwieweit neue Formen der Finanzierung ein Umdenken auf Seiten der Investoren oder Kommunen erfordern und ob die Kommunen insbesondere in der Finanzkommunikation neue Wege beschreiten müssen, um das Informationsbedürfnis der Investoren zu befriedigen.

Deutsche Kommunen sind offen für den Kapitalmarkt

Im Ergebnis sehen sich die deutschen Kommunen gut aufgestellt, um neue Finanzierungswege über den Kapitalmarkt zu erschließen. Fast drei Viertel der befragten Kämmerer halten ihre Kommune gut gerüstet. Dagegen beurteilen Investoren die Kapitalmarktfähigkeit vieler Kommunen zurückhaltend. Nur rund ein Drittel der befragten Investoren hält deutsche Kommunen für grundsätzlich kapitalmarktfähig.

Die Studie bestätigt zudem eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen für Kommunen. So gaben in der Studie rund zwei Drittel der befragten Kämmerer an, dass sie heute von Banken weniger Angebote für Kommunaldarlehen erhalten als vor fünf Jahren. Insbesondere hoch verschuldete Kommunen betrachten sich als abhängig vom Kreditmarkt und sind deshalb offen für alternative Formen der Kommunalfinanzierung.

Gefragt nach den interessantesten alternativen Finanzierungsinstrumenten, nennt die Mehrheit der Kämmerer das Schuldscheindarlehen. Wichtigste Vorteile des Schuldscheins sind für die Befragten die derzeit günstigen Konditionen, verbunden mit längeren Laufzeiten, sowie die Verbreiterung der Investorenbasis. Auch 90 % der teilnehmenden Investoren haben bereits kommunale Schuldscheine gezeichnet oder können sich eine Zeichnung vorstellen.

Als alternatives Projektfinanzierungsinstrument sind Public Private Partnerships (PPP) in den deutschen Kommunen fest etabliert. Ebenfalls potenziell geeignet für eine Projektfinanzierung hält die Mehrheit der befragten Kämmerer den Bürgerkredit. Obwohl zwei Drittel der Befragten einen Bürgerkredit aus wirtschaftlicher Perspektive für nicht attraktiv halten, könne diese Form des Crowdfunding politisch sinnvoll sein, um die Bürger in kommunale Projektvorhaben einzubinden.

Kommunalanleihen: Kämmerer scheuen Aufwand – Gemeinschaftsanleihen bevorzugt

Die Hälfte der befragten Kämmerer kann sich zudem die Begebung einer Gemeinschaftsanleihe (Städteanleihe) vorstellen oder hat bereits eine solche Emission durchgeführt. Kämmerer sehen hier den Vorteil, gemeinsam ein marktgängiges Volumen zu erreichen. Große Kommunen bevorzugen dagegen Einzelanleihen. Negativ zu Buche schlägt der hohe Aufwand für die Emission von Kommunalanleihen. Die befragten Investoren aus dem Sparkassenumfeld stehen dem Instrument eher ablehnend gegenüber, während die befragten Versicherungsinstitute offen für Investitionen in Kommunalanleihen sind.

Gefragt nach den wichtigsten Investitionskriterien nannten die Investoren vor allem Emissions- und Ordervolumen, Laufzeit und Rendite des Kommunalinvestments. Die konkrete Finanzlage einer deutschen Kommune ist für die Mehrheit der Investoren zwar kein Ausschlusskriterium, da Kommunen nach wie vor als Teil der föderalen Haftungskette wahrgenommen werden. Gleichzeitig findet bei dieser Assetklasse eine verstärkte Ausdifferenzierung der Bonität statt. Wollen Kommunen den Kapitalmarkt nutzen, fordert daher ein Teil der befragten Investoren externe Ratings zur Erleichterung der Bonitätseinschätzung.

Ratings, Reportings oder Investorenpräsentationen, wie am Kapitalmarkt üblich, werden von den Kämmerern bislang kaum bereitgestellt. In Zukunft werden sich deutsche Kommunen jedoch verstärkt einem „Schönheitswettbewerb” um die besten Konditionen stellen müssen, sodass die Finanzmarktkommunikation zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil avancieren wird.

Alternative Finanzierungen erweitern Handlungsoptionen

Alternative Finanzierungen können den Grundkonflikt in der deutschen Kommunalfinanzierung zwar nicht beheben. Sie erweitern jedoch die Handlungsoptionen einer Kommune deutlich. So bietet ein Schuldschein einer Kommune die Möglichkeit, die Liquidität im Haushalt durch Umschuldung auf lange Laufzeiten zu erhöhen. Eine Gemeinschaftsanleihe verschafft Kommunen Zugang zu neuen Investorengruppen, der ihnen aufgrund der notwendigen Mindestemissionsvolumina ansonsten versagt geblieben wäre. Mit Hilfe einer PPP-Finanzierung können zur Bekämpfung struktureller Defizite wichtige Infrastrukturprojekte schneller und effizienter realisiert werden. Und die Beteiligung der Bürger an Großprojekten kann für eine erhöhte Akzeptanz und damit eine ebenfalls schnellere und effizientere Durchführung sorgen. Natürlich müssen die verschiedenen Optionen vor Realisierung immer einem Tauglichkeitstest standhalten. Aber es bleibt wünschenswert, dass das Thema „alternative Finanzierungsmöglichkeiten” möglichst ohne ideologische Scheuklappen behandelt wird. Schlussendlich wird sich ein Markt für alternative Instrumente der Kommunalfinanzierung nur auf Basis einer professionellen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Kapitalmarkt und Kommunen dauerhaft etablieren.

 

Jakob Fichtner

IKB Deutsche Industriebank AG, Köln
 

Florian Kirchmann

IR. on AG, Köln
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