15.11.2015

Alltagsdelikte und Schleuserkriminalität

Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2014

Alltagsdelikte und Schleuserkriminalität

Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2014

Die Gewalt der Terrormiliz des Islamischen Staates (IS) führt auch in Deutschland zu mehr Extremismus. | © swa182 - Fotolia
Die Gewalt der Terrormiliz des Islamischen Staates (IS) führt auch in Deutschland zu mehr Extremismus. | © swa182 - Fotolia

Organisierte Kriminalität wird immer stärker zu einer Bedrohung für jeden Bürger und dessen Alltag. Dieses Fazit ist aus dem Bundeslagebild Organisierte Kriminalität (OK) 2014 zu ziehen, das Anfang Oktober dieses Jahres vorgestellt wurde. Demnach werden immer häufiger bei Delikten wie Auto-diebstählen und Einbrüchen organisierte Strukturen festgestellt. Die weitverbreitete Vorstellung von einer elitären Mafia in Verbindung mit OK bedarf daher der Korrektur. Zudem zeigt sich ein Anstieg der Schleuserkriminalität, die angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingskrise besonders brisant ist.

Methodik der Lagebilder

Die vom Bundeskriminalamt (BKA) jährlich erstellten Bundeslagebilder „Organisierte Kriminalität” enthalten in gestraffter Form die aktuellen Erkenntnisse zu Lage und Entwicklung im Bereich OK. Sie werden vom BKA in Zusammenarbeit mit den Landeskriminalämtern, dem Zollkriminalamt und dem Bundespolizeipräsidium erstellt. Die im Berichtszeitraum anhängigen OK-Ermittlungsverfahren werden nach einem bundesweit einheitlichen Raster erhoben. Die Aussagen zur Entwicklungen der OK basieren im Wesentlichen auf der Analyse der Entwicklung einzelner Indikatoren aus der retrograden Langzeitbetrachtung.

Ausmaß und Delikte

Das aktuelle Bundeslagebild dokumentiert ein ungebrochen hohes Niveau von Aktivitäten organisiert-krimineller Strukturen in Deutschland. Im Jahr 2014 wurden 571 Ermittlungsverfahren mit OK-Bezug geführt (2013: 580 Ermittlungsverfahren). Von diesen wurden 299 Verfahren neu eingeleitet. Die Zahl der Erstmeldungen stieg damit um 7,2 % im Vergleich zum Vorjahr an. Die Tätigkeitsfelder der Organisierten Kriminalität in Deutschland erstrecken sich in erster Linie auf Rauschgifthandel mit einem Anteil von 32,9 % an den registrierten OK-Taten, gefolgt von Eigentums- (18,9 %) und Wirtschaftskriminalität (12,8 %) sowie von Steuer- und Zolldelikten (9,1 %). Gerade Eigentumsdelikte, wie Einbrüche und PKW-Diebstähle betreffen zunehmend Bürger und ihren Alltag.


Schleuserkriminalität als Problemfeld

In Hinblick auf die aktuelle Flüchtlingskrise spricht Bundesinnenminister Thomas de Maizière von einem „alarmierenden Zuwachs” der Schleuserkriminalität, die bereits im Jahr 2014 auffällig war. Nach Angaben des Lagebildes lag die Anzahl registrierter Schleusungsdelikte im gesamten Vorjahr bei 2.149 und hatte sich damit im Vergleich zu 2013 mit etwa 1.500 Fällen bereits deutlich erhöht. Insgesamt wurde 2014 gegen 35 Gruppierungen der Organisierten Kriminalität ermittelt, die sich auf Schleusungen spezialisiert hatten. 2013 waren es 29. Damit ist der Bereich Schleuserkriminalität nach Einschätzungen des BKA mit einem Gesamtanteil von 6,1 % an den entsprechenden Ermittlungsverfahren das fünftwichtigste Tätigkeitsfeld für professionelle, internationale Verbrechernetzwerke. Die Organisationen seien von syrischen und türkischen Verdächtigen dominiert, daneben fanden sich aber auch mehrere Netzwerke unter deutscher, vietnamesischer, chinesischer, serbischer, irakischer sowie iranischer Kontrolle.

Relation Tatverdächtige und Deliktanzahl

Die Zahl der registrierten Tatverdächtigen sank im Jahr 2014 auf 8.700 von 9.155 im Vorjahr. Allerdings liege die Zahl nach einem deutlichen Anstieg im Jahr 2013 noch immer weit über dem Niveau der Jahre 2011 und 2012. Dabei sagt die Anzahl der erfassten Tatverdächtigen wenig über die Dimension der Delinquenz von OK aus. Beispielsweise kann in Berlin fast jede vierte Straftat im Bereich der organisierten Kriminalität Mitgliedern arabischstämmiger Großfamilien zugeschrieben werden. Dabei stellen arabischstämmige Personen gerade einmal 2,34 Prozent der Berliner Gesamtbevölkerung. Es handelt sich somit um eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Tätern, die sehr viele Delikte begehen. Auch die gering erscheinende Zahl von 571 Verfahren führt mitunter zu einer falschen Vorstellung über die Relevanz des Phänomens Organisierte Kriminalität. Hinter jedem Fall stecken zum Teil Tausende von Einzeldelikten, die von Gruppen begangen werden. Diese agieren grenzüberschreitend, konspirativ und operieren international. Zwei Drittel der Tatverdächtigen seien Ausländer. Insgesamt wurden etwa 100 Nationalitäten registriert. Deutsche Staatsangehörige stellen mit 36 Prozent nach wie vor den größten Anteil unter den mutmaßlichen Tätern.

Fazit und Ausblick

Organisierte Kriminalität als Oberbegriff beinhaltet viele unterschiedliche Deliktformen. Das Lagebild 2014 weist auf zweierlei Entwicklungen hin: Zum einen betreffen Delikte, die von internationalen, professionellen, kriminellen Gruppen begangenen werden mehr den Alltag aller Bürger und stellen eine enorme Bedrohung für jeden, Opfer von Verbrechen zu werden, dar. Zum anderen zeigte das Jahr 2014 bereits einen Anstieg an registrierter Schleuserkriminalität auf, der angesichts der bestehenden Flüchtlingskrise nicht nur weiter rasant angewachsen sein dürfte, sondern auch weiterhin ein problematisches Thema bleiben wird. Innenminister de Maizière kündigte angesichts dieser Entwicklungen gesetzliche Maßnahmen an. Wie diese ausgestaltet sein sollen, wurde indessen noch nicht bekannt gegeben. Zudem soll über diese Themen international beraten und gemeinsame Gegenmaßnahmen initiiert werden.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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