Verbot des öffentlichen Konsums von Cannabis
Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel
Verbot des öffentlichen Konsums von Cannabis
Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel
Ein Veranstalter richtete sich mit seinem Eilantrag beim Verwaltungsgericht Kassel (VG) gegen das Verbot, öffentlich auf einer Großveranstaltung Cannabis zu konsumieren und im Ergebnis auch gegen die Zwangsgeldandrohung. Die Anträge waren nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig, hatten jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Wie das VG grundsätzlich ausgeführt hat, nimmt das Gericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Fall VwGO, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO genügt, eine Abwägung vor zwischen dem öffentlichen Interesse am Vollzug der getroffenen Regelung, dem sog. Vollzugsinteresse, und dem Interesse des Betroffenen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, dem sog. Aussetzungsinteresse.
Interessenabwägung
Diese Interessenabwägung richtet sich auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sachlage in erster Linie nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Interesse am Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung.
Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, überwiegt das öffentliche Interesse nur dann das private Interesse, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des rechtmäßigen Verwaltungsaktes besteht. Kann keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten i. S. einer Evidenzkontrolle getroffen werden, sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen zu gewichten.
Andauernde, besondere Gefahrenlage
Nach diesen Grundsätzen bestehen im Fall des Veranstalters seitens des VG keine Anhaltspunkte, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagung des öffentlichen Konsumierens von Cannabis wiederherzustellen. Die Vollzugsanordnung genügte zudem den Anforderungen von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Der Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörde verwies zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf, dass das unter Nr. 1 der Allgemeinverfügung vom 12.05.2024 verfügte Verbot des öffentlichen Konsumierens von Cannabis aus „Gründen des öffentlichen Interesses“ geboten ist.
Das öffentliche Interesse rechtfertige die Anordnung der sofortigen Vollziehung, weil mit Blick auf die vom Cannabiskonsum ausgehenden Risiken, wie Gesundheit, Kinder- und Jugendschutz, während der Großveranstaltung eine „andauernde und besondere Gefahrenlage“ bestehe.
Kinder- und Jugendschutz
Gerade im Gefahrenabwehrrecht sind geringere Anforderungen an eine Begründung zu stellen. Dies wird auch vom Veranstalter zum einen gar nicht angegriffen, zum anderen ist integraler Bestandteil die Begründung, dass hier der Kinder-, Jugend- und Gesundheitsschutz im Vordergrund steht. Weiter enthält die Begründung den konkreten Bezug auf den nur relativ kurzen Zeitraum von zehn Tagen, innerhalb dessen eine gerichtliche Entscheidung nicht zu erwarten ist, gleichzeitig aber ein hohes Gefahrenpotenzial für Leib und Leben bzw. die Gesundheit besteht.
In materieller Hinsicht überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung vom 12.05.2024 das Interesse an der Aussetzung deren Vollziehung. Das materielle Überwiegen des öffentlichen Vollziehungsinteresses beruht dabei darauf, dass im Zeitpunkt seiner Entscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keine Erfolgsaussichten des Veranstalters in der Hauptsache bestehen.
Cannabiskonsum in Gegenwart von Minderjährigen verboten
Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung waren die landesrechtlichen Vorschriften in § 11 Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG). Danach können die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit wie hier nicht die folgenden Vorschriften die Befugnisse der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden besonders regeln.
Eine Gefahr kennzeichnet eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in überschaubarer Zukunft den Eintritt eines nicht unerheblichen Schadens zur Folge hat.
Gefahr für öffentliche Sicherheit
Unter der öffentlichen Sicherheit versteht man den Schutz von Individualrechtsgütern wie Leben, Gesundheit, Ehre und Vermögen, die Unversehrtheit der gesamten Rechtsordnung sowie den Schutz des Staats und seiner Einrichtungen. Spezialvorschriften sind nicht ersichtlich, der Anwendungsbereich der Generalklausel ist eröffnet.
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Konsumcannabisgesetz (KCanG) liegt vor. Danach ist der Cannabiskonsum in unmittelbarer Gegenwart von Personen verboten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Verstoß ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG auch ordnungsgeldbewehrt.
Die Gesetzesbegründung (Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften) definiert unmittelbare Gegenwart als „gleichzeitige, vorsätzliche enge körperliche Nähe der konsumierenden Person und einem oder mehreren Kindern oder Jugendlichen am gleichen Ort oder in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander (…), sodass eine konkrete Gefährdung der oder des Minderjährigen besteht“.
(…)
Verwaltungsgericht Kassel, Beschl. v. 22.05.2024 – 7 L 725/24
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 17/2024 Rn. 206.