21.11.2024

Die neue BauO NRW 2024

Wesentliche Änderungen des materiellen Rechtes

Die neue BauO NRW 2024

Wesentliche Änderungen des materiellen Rechtes

Ein Beitrag aus »Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV

Nach dem Regierungswechsel in NRW hatte die nordrhein-westfälische Ministerin des seinerzeitigen Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, Frau Ina Scharrenbach, im Namen der Landesregierung am 14.07.2017 erklärt, das Inkrafttreten der im Dezember 2016 beschlossenen und im Gesetzblatt bereits verkündeten Novellierung der Landesbauordnung (mit Ausnahme der bereits im Juni 2017 in Kraft getretenen Regelungen zum Bauproduktenrecht) auf den 01.01.2019 zu verschieben. Der Zeitraum dieses Moratoriums sollte genutzt werden, um sich mit einzelnen Vorschriften erneut auseinanderzusetzen. Im Anschluss an die dann in wesentlichen Teilen geänderte Neufassung des Gesetzes mit Wirkung zum 01.01.2019 folgte ein erstes Änderungsgesetz der neuen Landesbauordnung; die Änderungen traten am 02.07.2021 in Kraft. Das nunmehr zweite Änderungsgesetz zur novellierten Landesbauordnung trat mit Wirkung zum 01.01.2024 in Kraft. Wesentliche Änderungen der Novellierung betreffen den Anwendungsbereich für Windkraftanlagen, die Teilung von Grundstücken, die Behandlung von Schottergärten und die Einführung einer Solaranlagen-Pflicht. Weitere Änderungen betreffen die Aufhebung der Schriftform im Bauantragsverfahren, Umsetzung von Verfahrensregelungen nach der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2018/2001 (RED II), Ausweitung der Vorhabensvariante Genehmigungsfreistellung auf Gebäudeklasse 4, Erweiterung des Katalogs der verfahrensfreien Vorhaben, Änderungen im Bereich der Abweichungen sowie Einführung einer materiellen Präklusionsvorschrift bei Beteiligung der Nachbarschaft.

1. Anwendungsbereich für Windkraftanlagen

Windenergieanlagen sind aus verschiedenen Bauteilen hergestellte Maschinen und zugleich bauliche Anlagen, was zu der Frage des Anwendungsbereichs der Landesbauordnung sowie der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG führt, welche durch die Maschinenverordnung 2023/1230 mit vollumfänglicher Wirkung ab 20.01.2027 ersetzt werden wird. Windenergieanlagen sind Maschinen im Sinne der Neunten Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV) als Umsetzung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, wobei die Regelungen eine Vielzahl von Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Konstruktion und Bau von Maschinen sowie formale Anforderungen für das erstmalige Bereitstellen von Produkten wie Maschinen, Sicherheitsbauteilen, oder Lastaufnahmemitteln auf dem Markt der Europäischen Union enthalten. Diese Anforderungen müssen durch den Hersteller oder seinen Bevollmächtigten anlässlich des Inverkehrbringens gewährleistet und durch eine CE-Kennzeichnung dokumentiert werden. Im Interesse des freien Warenverkehrs sieht Artikel 6 der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG vor, dass die Mitgliedsstaaten das Inverkehrbringen und/oder die Inbetriebnahme von Maschinen in ihrem Hoheitsgebiet nicht untersagen, beschränken oder behindern dürfen, wenn diese den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen. Eine vergleichbare Regelung enthält auch die Maschinenverordnung in Artikel 4 Abs. 1, wobei diese das Behinderungsverbot auf Gründe im Zusammenhang mit den von der Verordnung erfassten Aspekten beschränkt. Da Windkraftanlagen als Maschine zugleich als mit dem Erdboden verbundene und aus Bauprodukten hergestellte Anlagen bauliche Anlagen darstellen, gilt es zu klären, ob und welche Anforderungen die Landesbauordnung im Verhältnis zur Maschinenrichtlinie und deren Umsetzung (noch) stellen darf. Dies gilt insbesondere, da der Trend zu immer leistungsfähigeren Anlagen mit wesentlich höheren Türmen geht.

Hierzu wurde bezüglich des Anwendungsbereichs in § 1 Abs. 1 BauO NRW 2018 mit Satz 3 eine Regelung eingeführt, nach der die Bestimmungen der Landesbauordnung für Windenergieanlagen gelten, soweit die an sie gestellten Anforderungen nicht bereits durch CE-Kennzeichen und EG-Konformitätserklärung gemäß Maschinenrichtlinie abgedeckt sind. Die Regelung führt in der Praxis zu Missverständnissen, da z. B. Windenergieanlagenhersteller teilweise davon ausgehen, dass durch die CE-Kennzeichnung von Anlagen oder Anlagenteilen Bestimmungen der Landesbauordnung per se keine Anwendung mehr finden. Bereits die Regelungen zu den Abstandsflächen für Windenergieanlagen in § 6 BauO NRW 2018 zeigen, dass diese Annahme nicht zutreffend sein kann. So kann ein Windenergieanlagenhersteller bei der Aufstellung einer Anlage die nach der Landesbauordnung einzuhaltende Abstandsfläche nicht dadurch umgehen, dass er ein CE-Kennzeichen auf die Anlage klebt. Ebenso ist es einer Bauaufsichtsbehörde unbenommen, bauordnungsrechtliche Verfügungen bei sicherheitsgefährdender Errichtung oder Betrieb einer Windenergieanlage zu erlassen. Auch dies erfordert die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Landesbauordnung mit den entsprechenden gesetzlichen Grundlagen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.


Es gilt zu beachten, dass eine Windenergieanlage aus einzelnen Teilen wie dem Rotor, der Gondel und dem Mast besteht, welche in Wechselwirkung zueinanderstehen. So vermag ein unterdimensionierter Mast keine Gondel mit Rotor zu tragen, welche für einen lastfähigeren Mast ausgelegt ist. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass auf die einzelnen Teile ein CE-Kennzeichen aufgebracht wird. Vielmehr müssen die technischen Anforderungen für die Gesamtheit der Anlage und in ihren Wechselwirkungen berücksichtigt werden. Nur insoweit unterliegt die Anlage nicht mehr den Anforderungen nach der Landesbauordnung. Auch zu beachten ist, dass die Anlage auf ein Fundament gesetzt wird, dessen Tragfähigkeit wie auch der Untergrund des Fundamentes wesentlichen Einfluss auf die statischen Verhältnisse der darauf ruhenden Anlage als Bauwerk-Boden-Wechselwirkungen haben. Hierzu sieht die Gesetzesbegründung in LT-Drs. 18/4593 auch ausdrücklich vor, dass die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen naturgemäß mit bauordnungsrechtlichem Gefahrenpotential verbunden sind. Im Genehmigungsverfahren nach § 64 – welches ebenfalls bereits die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Landesbauordnung voraussetzt – sind neben Bauplanungs- und Naturschutzrecht auch diejenigen bauordnungsrechtlichen Anforderungen zu prüfen, welche durch die CE-Kennzeichnung nicht abgedeckt sind. Hierfür ist es unerheblich, ob die CE-Kennzeichnung die Anforderung nicht abdeckt, weil sie nicht zum Prüfprogramm gehört oder weil sie trotz Inhalt des Prüfprogramms nicht geprüft wurde. Neben Fragen der statischen Lastaufnahmefähigkeit des Untergrundes und dem Zusammenwirken der einzelnen Anlagenteile (soweit nicht auch das Zusammenwirken durch CE-Kennzeichen dokumentiert geprüft wurde) sind Aspekte der Erreichbarkeit durch die Feuerwehr wie auch der Vorbeugung von Brandausbreitung außerhalb der Anlage vorstellbar.

2. Teilung von Grundstücken

Während die Musterbauordnung mit § 7 MBO materielle Anforderungen an die Teilung formuliert, enthält § 7 Abs. 1 BauO NRW 2018 für die Teilung von Grundstücken eine Verfahrensvorschrift. Angesichts der weitreichenden bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Bedeutung, aber auch wirtschaftlichen Konsequenzen, drängt es sich nahezu auf, die Teilung nicht allein materiell-rechtlich zu regeln, sondern auch Verfahrensinstanzen zu bestimmen. Bestrebungen in anderen Bundesländern, stattdessen die Regelung der Musterbauordnung umzusetzen und die Verantwortung für die Teilung in die Zuständigkeit der Bauherrschaft zu verlagern, gründen häufig darin, die Bauaufsichtsbehörden von Aufgaben zu entlasten. Diesem Gedanken und dem Anliegen einer Beschleunigung von Verfahren entsprechend sieht die Regelung in § 7 Abs. 1 BauO NRW 2018 mit Satz 2 Nummer 2 alternativ zu der weiterhin vorgesehenen Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde die Variante einer Bescheinigung durch Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure als mit der Wahrnehmung der Aufgaben befugte Person nach § 2 VermKatG NRW vor.

Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist nicht zur Genehmigung der Teilung berufen, sondern lässt durch seine Bescheinigung das Erfordernis der Teilung einer Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde entfallen. Voraussetzung für den gebundenen Anspruch auf Genehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde ist, dass durch die Teilung keine Verhältnisse geschaffen werden, die den Vorschriften der Landesbauordnung, untergesetzlichen Vorschriften auf Grundlage der Landesbauordnung sowie den Festsetzungen des Bebauungsplans zuwiderlaufen. In der Praxis zeigen sich bauplanungs- wie bauordnungsrechtlich einfach gelagerte Fälle ohne Baulasten, in denen die Unbedenklichkeit einer Teilung leicht festzustellen ist. Für diese Fälle ist die Variante einer Bescheinigung über die Unbedenklichkeit durch Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure vorgesehen. Die Bescheinigung stellt einen feststellenden Verwaltungsakt darüber dar, dass die bauordnungs- wie bauplanungsrechtliche Unbedenklichkeit vorliegt.

Diesen Verwaltungsakt erlässt der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur auf Antrag, nachdem er die Voraussetzungen festgestellt hat. Nach Antragseingang stellt der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur zunächst fest, ob es sich um einen einfach gelagerten Fall handelt oder nicht, weil z. B. Baulasten (Abstands- und Freiflächen, Geh-, Fahr- und Leitungsrechte, Feuerwehrzufahrten, Stellplatzsicherungen oder ähnliches) einzutragen sind. Sodann prüft er die bauordnungs- wie bauplanungsrechtliche Unbedenklichkeit. Als Grundlage für die Beurteilung ist ein Amtlicher Lageplan nach den Vorgaben der Verordnung über bautechnische Prüfungen zu erstellen, soweit nicht ein für die Beurteilung der Unbedenklichkeit geeigneter Amtlicher Lageplan bereits vorhanden ist. Dieser zeigt unter anderem die vorhandene Bebauung auf dem Grundstück und stellt Festsetzungen eines Bebauungsplans wie Baulinien, Baugrenzen oder Art und Maß der baulichen Nutzung sowie für das Grundstück durch Satzung der Gemeinde dar. Während die Bauaufsichtsbehörde bei der Genehmigung nur Widersprüche zu Festsetzungen eines vorhandenen Bebauungsplans zu prüfen hat, hat der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur die bauplanungsrechtliche Unbedenklichkeit auch dann zu prüfen, wenn kein Bebauungsplan vorliegt. Handelt es sich nicht um einen einfach gelagerten Fall oder würden sich durch die Teilung bauplanungs- bzw. bauordnungsrechtswidrige Zustände ergeben (z. B. eine Unterschreitung von Abstandsflächen), darf der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur die Bescheinigung nicht ausstellen und er muss den Antrag ablehnen. Indiz für das Vorliegen eines nicht einfach gelagerten Falls ist das Vorliegen einer oder mehrerer Baulasten. Bestehen Baulasten für das zu teilende Grundstück, kommt eine Bescheinigung nur noch ausnahmsweise in Betracht.

Mit der Ergänzung des Prüfungsprogramms um die auch bauplanungsrechtliche Unbedenklichkeit trägt der Gesetzgeber der weitreichenden Verantwortung einer Bescheinigung durch Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure Rechnung. Gleichzeitig schreibt er das weder für die Bauherrschaft noch den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur dispositive Erfordernis eines Amtlichen Lageplans fest. Da die Bescheinigung auf Grundlage des Lageplans zu erfolgen hat, erschöpft sich die Prüfung der Unbedenklichkeit auf Feststellungen, die aus dem – ordnungsgemäß erstellten – Amtlichen Lageplan ersichtlich sind.

3. Schottergärten

Die Ergänzung der Regelung zur Gestaltung nicht überbauter Flächen der bebauten Grundstücke hat in der öffentlichen Wahrnehmung – insbesondere den in Neubaugebieten mit Ein- und Zweifamilienhäusern angesiedelten Schicksalsgemeinschaften – eine erhebliche Resonanz gefunden. Dies erklärt sich wohl daraus, dass Bauherrschaft wie auch Grundstückseigentümer abgeschlossener Vorhaben aus der Tatsache eines nicht oder nicht einheitlichen Vorgehens durch die unteren Bauaufsichtsbehörden die Überzeugung gewonnen hatten, das Aufbringen flächigen Schotter- oder Steinschüttungen sei bauordnungsrechtlich zulässig oder werde jedenfalls bauaufsichtlich dauerhaft geduldet.

Die bereits bisher in § 8 Abs. 1 BauO NRW 2018 vorgesehene Pflicht des Eigentümers, auf nicht überbauten Flächen von Grundstücken Wasseraufnahmefähigkeit und Begrünung sicherzustellen geht über den Erhalt der Natur um ihrer selbst willen hinaus und ist Grundlage der den Menschen dienenden Ökosystemleistung. Das eigentumsrechtlich zugeordnete Flurstück vermittelt dem Eigentümer zwar einen Anspruch auf individuelle Gestaltung, ist daneben aber auch Teil des klimarelevanten Naturraums. Angelegte Schotterflächen sind jedoch ökologisch wertlos, bieten Insekten keine Nahrungsquellen und sorgen für aufgestaute Hitze. Zudem kann durch die unter dem Schotter ausgelegte Folie Niederschlagswasser schlecht bis gar nicht abfließen und aufgrund des fehlenden Wurzelwerks von Pflanzen ist die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens stark eingeschränkt. In der Praxis der Bauaufsichtsbehörden wurden jedoch Zweifel geäußert, ob Schottergärten keine zulässige Begrünung seien und wie mit Entstehung und Bestand umzugehen sei.

Hier hat sich der nordrhein-westfälische Gesetzgeber statt einer Aufnahme nur in die Verwaltungsvorschrift zu einer Klarstellung im Gesetz selbst entschieden. Der neu eingefügte § 8 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 2018 sieht zu der unverändert fortbestehenden Begrünungspflicht vor, dass Schotterungen zur Gestaltung von Grünflächen sowie Kunstrasen keine andere zulässige Verwendung darstellen. Vergleichbare Regelungen wurden auch in anderen Bundesländern vorgesehen. Mit der Ergänzung macht der Gesetzgeber über die Ebene einer Verwaltungsvorschrift hinaus deutlich, wie die Regelung zu verstehen und anzuwenden ist. Schottergärten meint dabei Flächen, die größtenteils mit Folie oder Flies und anschließend mit Schotter, Splitt, Kies oder Mulchmaterialien bedeckt werden und zudem keine oder nur eine sehr karge Bepflanzung aufweisen. Wie auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht am 17.01.20231 entschieden hat, ist die Verwendung von Steinelementen nicht grundsätzlich unzulässig. Vielmehr kommt es darauf an, dass es sich um eine durch Bewuchs geprägte Fläche mit grünem Charakter handeln muss, für die Schotter, Kies oder auch Stein mit untergeordneter Bedeutung verwendet werden können.

Mit der Ergänzung auf dieser Regelungsebene belegt der Gesetzgeber die Bedeutung des Anliegens, was auch für die Anwendung der Regelung Bedeutung hat. Der nunmehr ausdrückliche Wortlaut bezüglich Schottergärten kann in der Verwaltungspraxis kaum mehr weginterpretiert werden. Dem gegenüber ist das deutsche Recht tendenziell durch abstrakte Regelungsstrukturen und diesen dienende unbestimmte Rechtsbegriffe geprägt. Der Gesetzgeber zählt gerade nicht jede vorstellbare oder mögliche Variante auf, sondern verwendet Begriffe wie Begrünung oder Bepflanzung, die einen für die Praxis auch erforderlichen Interpretationsspielraum belassen. So kann die Ergänzung für die Zukunft auch einen negativen Effekt dergestalt haben, dass zuständige Behörden oder Rechtsprechungsinstanzen annehmen, andere Arten der Gestaltung mit vergleichbar fehlender ökologischer Eignung seien zulässig, da diese ja nicht ausdrücklich als unzulässig definiert werden. Gesetztechnisch hilfreicher wäre hier eine Formulierung gewesen, nach der „insbesondere“ Schotterungen und Kunstrassen keine zulässige Verwendung darstellen.

Für Bestandsvorhaben mit Schottergärten gilt, dass diese unter Verstoß gegen die bereits bislang geltende Begrünungspflicht und damit materiell baurechtswidrig errichtet wurden. Aus der Tatsache, dass die Schottergärten errichtet wurden und die Bauaufsichtsbehörden bislang nicht eingeschritten sind, können Grundstückseigentümer keine Verwirkung oder gar Bestandsschutz herleiten. Bauaufsichtsbehörden haben per Ordnungsverfügung die ermessensbasierte Möglichkeit, gegen bestehende oder entstehende Schottergärten vorzugehen. Während eine Ermessensreduzierung durch Art 20 a GG fraglich scheint, ist ein intendiertes Ermessen durch die gesetzgeberische Wertung des ausdrücklichen Verbots von Schottergärten mehr als naheliegend. Hingegen ergibt sich aus der Begrünungspflicht kein subjektiver Anspruch des Nachbarn auf Einschreiten, da § 8 Abs. 1 BauO NRW 2018 keine nachbarschützende Wirkung entfaltet. Ein Beteiligungsrecht oder einen Anspruch von anerkannten Naturschutzvereinigungen auf Einschreiten vergleichbar mit § 63 BNatSchG kennt die Landesbauordnung nicht.

Erste Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die unteren Bauaufsichtsbehörden sehr unterschiedlich mit der Änderung umgehen. Teilweise werden Konzepte aufgestellt, teilweise werden in Neubaugebieten Ordnungsverfügungen erlassen, andernorts wird beschlossen, dass alle bestehenden Schottergärten vor dem 01.01.2024 ungeahndet bleiben sollen. Dies bedeutet keinen Bestandsschutz, da die Behörde jederzeit die Möglichkeit hat, ihre Ermessensausübung in anderer Weise vorzunehmen, solange nicht die Grenze eines willkürlichen Handelns überschritten wird. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 64 Abs. 1 BauO NRW 2018 wurde § 8 Abs. 1 BauO NRW 2018 aus dem Prüfprogramm gestrichen. Dies hat für Bauaufsichtsbehörden zu der Frage geführt, ob sie nun Schottergärten nicht mehr prüfen dürfen bzw. sehenden Auges geplante Schottergärten zulassen müssen. Für Bayern ist in Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO vorgesehen, dass die Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Eine vergleichbare Regelung ist in NRW nicht vorgesehen. Entsprechend definiert die jeweilige Verfahrensart nur ein Mindestprüfprogramm, welches die Behörde abzuarbeiten hat. Darüber hinaus kann sie nicht willkürlich Unterlagen und Bauvorlagen verlangen, jedoch materiell-rechtliche Vorschriften prüfen, die auch unabhängig vom Prüfprogramm des Genehmigungsverfahrens einzuhalten sind. Dies kann z. B. bei Schottergärten auch sinnvoll sein, indem bei einem geplanten Schottergarten die Genehmigung nicht erteilt wird, da andernfalls mit Genehmigung und Errichtung ein bauordnungsrechtswidriger Zustand entstehen würde, welcher dann Gegenstand repressiver Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörde werden würde.

[…]

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 9/2024, S. 365.

 

Dr. Alexander Petschulat

Justiziar der Ingenieurkammer – Bau NRW, Düsseldorf
n/a