19.11.2024

Inklusionsbeauftragte

Bestellung ist Arbeitgeberpflicht

Inklusionsbeauftragte

Bestellung ist Arbeitgeberpflicht

Inklusionsbeauftragte brauchen Wissen. | © magicpitzy - Fotolia
Inklusionsbeauftragte brauchen Wissen. | © magicpitzy - Fotolia

Inklusionsbeauftragte als Mitgestalter und Hüter der Unternehmensprozesse in den Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen.

Nach § 181 S. 1 1. Hs. SGB IX ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, einen Inklusionsbeauftragten zu bestellen, der ihn in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen verantwortlich vertritt.

Was aber macht ein Inklusionsbeauftragter?

Inklusionsbeauftragte sind Netzwerker: Sie sind Ansprechpartner für schwerbehinderte- und gleichgestellte Menschen, Betriebs- oder Personalräte und Mitarbeitervertretungen. Sie sind neben der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen die Verbindungsperson zur Agentur für Arbeit und zum Integrationsamt. Sie unterstützen die Rehabilitationsträger nach § 182 Abs. 2 S. 1 SGB IX bei der Durchführung ihrer Aufgaben.


Sie haben eigene Aufgaben: Nach § 181 S. 3 SGB IX hat der Inklusionsbeauftragte insbesondere auf die Einhaltung der Verpflichtungen des Arbeitgebers aus den besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen des SGB IX zu achten. Mit dem Arbeitgeber, der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- bzw. Personalrat arbeitet der Inklusionsbeauftragte eng zusammen. Enge Zusammenarbeit meint das gemeinsame Vorgehen bei der Analyse von Problemen in Bezug auf die Teilhabe schwerbehinderter Menschen im betrieblichen Arbeitsleben, der Entwicklung von Lösungen und der Vereinbarung von Umsetzungsmöglichkeiten.  Grundlegende Voraussetzung dafür ist eine regelmäßige und umfassende gegenseitige Information.

Inklusionsbeauftragten werden daneben ggf. Aufgaben übertragen: Die Aufgaben des Inklusionsbeauftragten sind auch solche, in denen er den Arbeitgeber vertritt. Welche Aufgaben ihm zur (alleinigen) Vertretung übergeben sind, sollte im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Inklusionsbeauftragtem klargestellt sein, § 181 S.1 SGB IX verdeutlicht, dass ein Inklusionsbeauftragter mit seiner Bestellung das Vertretungsrecht von Gesetzes wegen erhält.

Um also den eigenen Aufgaben der Überwachung des Arbeitgebers wie den vom Arbeitgeber ggf. übertragenen Aufgaben nachkommen zu können, müssen Inklusionsbeauftragte wissen um die Aufgaben und Pflichten von Arbeitgebern aus dem SGB IX. Im Rahmen der auf ihn übertragenen Aufgabe treffen den Inklusionsbeauftragten Beratungs-, Hinweis- und Warnpflichten gegenüber dem Arbeitgeber. Er muss von sich aus auf Gefahren und die eventuell folgenden Konsequenzen und finanziellen Risiken des Handelns, Nichthandelns oder Fehlhandelns des Arbeitgebers hinweisen. Außerdem muss er Handlungsmöglichkeiten mit den jeweiligen Konsequenzen aufzeigen.

Inklusionsbeauftragte können sich für die Arbeitgeber Unterstützung holen bei den Einheitlichen Ansprechstellen (EAA). Diese EAA haben eine Lotsenfunktion, sie informieren, beraten und unterstützen Arbeitgebende bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen, sie unterstützen den Arbeitgeber auch bei der Beantragung von Leistungen.

Welche Aufgaben hat ein Inklusionsbeauftragter denn nun konkret (Beispiel)?

Konkret können die Aufgaben des Inklusionsbeauftragten folgende (nicht abschließende) Bereiche umfassen:

  • Koordination und Abstimmung der Bereiche im Betrieb, die sich mit der Teilhabe nach dem SGB IX und dem sonstigen Schwerbehindertenrecht befassen (Personal, Beschaffung, Fortbildungen etc.)
  • Erstellung und Implementierung eines Geschäftsprozesses, der sicherstellt, dass die Schwerbehindertenvertretung i.S.v. § 178 Abs. 2 SGB IX informiert und angehört bzw. beteiligt wird
  • Recherche, Planung und ggf. Implementierung von geeigneten (fortlaufenden) Maßnahmen zur möglichst dauerhaften Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im gesetzlich geforderten Umfang (§ 164 Abs. 3 SGB IX)
  • Bewertung der Entwicklung der Beschäftigungspflichtquote schwerbehinderter Menschen z.B. mit Blick auf die demografische Entwicklung und Unterbreitung von Vorschlägen für die künftige Personalplanung und -entwicklung
  • Gewährleistung einer behindertengerechten Ausstattung/Einrichtung der Arbeitsstätte im Sinne von § 3a ArbStättV (z.B. behindertengerechtes WC, barrierefreie Zugänge im Ein- und Ausgang sowie zu anderen Räumen wie Besprechungszimmern, Büros anderer Kolleginnen und Kollegen, Aufzug mit Sprachansage, Parkplätze, Arbeitsmittel, Softwareergonomie)
  • Einsetzen dafür, dass eingehende qualifizierte Vermittlungsvorschläge bei der Stellenbesetzung ernsthaft in Erwägung gezogen werden
  • Planung und Implementierung von Geschäftsprozessen, die sicherstellen, dass die Eignung freier und freiwerdender Arbeitsplätze für die Besetzung mit schwerbehinderten Menschen (ggf. in Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung) ausreichend geprüft werden (§ 164 Abs. 1 S. 1 und 6 SGB IX)
  • Regelung eines Verfahrens zur Verbindungsaufnahme mit der Agentur für Arbeit (§ 164 Abs. 1 S. 2 SGB IX), insb. auch auf welche Weise die Personalabteilung ständigen Kontakt zur Agentur für Arbeit hält
  • Eigenverantwortliche Mitwirkung am Treffen einer Integrationsvereinbarung (§ 166 Abs. 1 SGB IX)
  • Moderator-Funktion: Hinwirken auf einen Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten im Konfliktfall

Insgesamt ist der Inklusionsbeauftragte Mitgestalter und Hüter der Unternehmensprozesse in den Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen, er nimmt in den Einzelfallfragen die Rolle des Moderators, nicht des Entscheiders ein.

Was braucht ein Inklusionsbeauftragter?

Inklusionsbeauftragte brauchen Wissen. Sie sollen darauf achten, dass der Arbeitgeber seine Aufgaben und Pflichten einhält – er muss also um alle Pflichten bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen, in laufenden Arbeitsverhältnissen und bei der Beendigung wissen. Inklusionsbeauftragte unterstützen im Netzwerk die nach dem SGB IX beauftragten Stellen (insbesondere Bundesagentur für Arbeit, Rehabilitationsträger, Integrationsamt), das bedeutet, sie müssen wissen, in welchen Fragen und Aufgaben sie unterstützen können und Unterstützung erwarten dürfen.

Inklusionsbeauftragte arbeiten eng mit den betrieblichen Interessenvertretungen zusammen, sie müssen also um die Regeln der Zusammenarbeit und um die Beteiligungsthermen und -rechte von Betriebsrat/Personalrat und Mitarbeitervertretung sowie Vertrauensperson der Schwerbehinderten wissen.

Worauf muss ein Inklusionsbeauftragter achten?

Ein Inklusionsbeauftragter ist zur Verschwiegenheit über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet sowie zur Geheimhaltung der persönlichen Daten und Lebensumstände der schwerbehinderten Arbeitnehmer, die er aufgrund seines Amtes erfährt. Diese Informationen sind von denen, die er in einer anderen Rolle (z.B. Leiter HR) erfährt, datenschutzrechtlich zu trennen. Der Inklusionsbeauftragte trägt die persönliche Verantwortung für die Beachtung des Schwerbehindertenrechts, er haftet.

Wie wird man Inklusionsbeauftragter?

Das Verfahren zur Bestellung eines Inklusionsbeauftragten ist gesetzlich nicht geregelt.  Die Bestellung erfolgt, indem der Arbeitgeber durch einseitige Willenserklärung einen Auftrag i. S. v. § 662 BGB erteilt.  Der bestellte Arbeitnehmer ist gesetzlich nicht verpflichtet, diesen Auftrag anzunehmen. Es ist zu empfehlen, die Bestellung schriftlich vorzunehmen, auch um die Rechte und Pflichten des Inklusionsbeauftragten im Innenverhältnis – also zwischen Arbeitgeber und Inklusionsbeauftragtem – eindeutig zu definieren.  So können die Zuständigkeiten von Arbeitgeber und Inklusionsbeauftragtem klar voneinander abgegrenzt werden. Gesetzlich vorgeschrieben ist dies aber nicht.

Was passiert, wenn kein Inklusionsbeauftragter bestellt ist?

Wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht aus § 181 S. 1 SGB IX nicht nachkommt und keinen Inklusionsbeauftragten bestellt, nimmt er selbst alle mit diesem Amt einhergehenden Rechte und Pflichten wahr. Der Verstoß gegen die Bestellpflicht wird nicht direkt sanktioniert. Die unterbliebene Bestellung eines Inklusionsbeauftragten kann mittelbar sanktioniert werden. Wird die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen abgelehnt, ist die fehlende Bestellung eines Inklusionsbeauftragten ein Indiz für eine Benachteiligung aufgrund der Behinderung i. S. v. § 22 AGG.

Woher weiß man, wer Inklusionsbeauftragter ist?

Nach der Bestellung des Inklusionsbeauftragten muss der Arbeitgeber diesen „unverzüglich“ der für ihn örtlich zuständigen Agentur für Arbeit und dem zuständigen Integrationsamt benennen. Die Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten sind vor der Bestellung zu beteiligen in der Weise, wie sie immer zu beteiligen sind, wenn es die Belange einzelner oder der schwerbehinderten Menschen als Gruppe betrifft: Daher muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung gem. § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX vor seiner Entscheidung unterrichten, sie anhören und ihr anschließend die Entscheidung unverzüglich mitteilen. Die Genannten wissen also um die Person des Inklusionsbeauftragten.

Redaktionsanmerkungen:

  1. Die Autorin Larissa Wocken ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, hierbei Partnerin bei nexus.rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Hamburg. Sie ist Herausgeberin des Praxishandbuchs für Inklusionsbeauftragte, das Ende Oktober 2024 im Richard Boorberg Verlag erschienen ist.
  2. Zu Inklusionsbeauftragten siehe auch den Beitrag von Silvia Bohnert im kürzlich erschienen Spezialnewsletter
 

Larissa Wocken

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partnerin bei nexus.rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Hamburg
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