10.12.2018

Verantwortung gegenüber Brüssel oder Gewährleistungsverantwortung des Staates?

Änderung des Akkreditierungsstellengesetzes

Verantwortung gegenüber Brüssel oder Gewährleistungsverantwortung des Staates?

Änderung des Akkreditierungsstellengesetzes

Die Änderungen des AkkStelleG stärken die Position der DAkkS und erleichtern ein Vorgehen gegen „Schattenakkreditierungsstellen“. | © Ronny - stock.adobe.com
Die Änderungen des AkkStelleG stärken die Position der DAkkS und erleichtern ein Vorgehen gegen „Schattenakkreditierungsstellen“. | © Ronny - stock.adobe.com

Der Bundestag hat am 11. Oktober 2018 ein Gesetz angenommen, das vordergründig lediglich der Durchsetzung von EU-Recht dient. Mit dem Gesetz zur Änderung des Akkreditierungsstellengesetzes (AkkStelleG), das in Kürze (am Tag nach der Verkündung) in Kraft tritt, soll ausweislich der Begründung eine effektive Einhaltung der europäischen Verordnung (EG) Nr. 765/2008 (ABl. EU 2008 L 218/30) sichergestellt werden. Die Änderungen des AkkStelleG werfen allerdings grundlegendere Fragen zur Akkreditierung und Zertifizierung auf.

Hintergrund der Gesetzesänderung

Die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 dient unter anderen dazu, einheitlich Regelungen für die Akkreditierung in der EU zu schaffen und damit mittelbar die Qualität von Konformitätsbewertungen sicherzustellen. Staatliche Akkreditierungen sind die Reaktion auf das bekannte Phänomen, dass der Gesetzgeber und die Exekutive Mühe haben, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Um seine Aufgaben erfüllen zu können, muss der Staat neue Konzepte entwickeln und vor allem über das erforderliche Know-how verfügen. Ein Weg, um dies zu erreichen, ist es, einzelne Kontrollaufgaben Privaten zu übertragen, die über die entsprechende Expertise verfügen. Indem der Staat wiederum die fachliche Kompetenz, die Unabhängigkeit und sonstige Eignung der Privaten überwacht, nimmt er seine Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Bürger wahr.

Systeme der Bewertung (und Kennzeichnung) von Produkten und Dienstleistungen anhand bestimmter Kriterien finden sich in zahlreichen, ganz unterschiedlichen Bereichen. Einer solchen Konformitätsbewertung ist regelmäßig vorgelagert, dass die Prüfstellen ihrerseits begutachtet und zugelassen werden. Dies gilt auch für vollständig privat aufgesetzte und verwaltete Systeme, die weder auf einem gesetzlichen Rahmen beruhen noch dem staatlichen Bereich der Gefahrenabwehr oder Gefahrprävention zugerechnet werden können. Eine (strengere) Regulierung solcher Systeme hätte eine erhebliche Relevanz und wirft auch verschiedene rechtliche Fragen auf. Dennoch hat das Gesetz im gesamten Gesetzgebungsverfahren kaum Aufmerksamkeit erfahren. Dies kann verwundern. Denn selbst wenn bei bestimmten Fragen ein gesamtgesellschaftlicher Konsens herrscht, lässt sich doch über die Ausgestaltung im Detail stets streiten. Im Falle der Änderung des AkkStelleG blieb dies weitestgehend aus. Das Gesetz dürfte allerdings nicht über jeden Zweifel erhaben sein. Vielmehr ist das Gesetz wohl nicht für eine öffentliche Debatte geeignet, da der Regelungsgegenstand recht technisch ist. Zudem ist der Spielraum des Gesetzgebers ohnehin begrenzt, da es im Kern um die Durchsetzung von EU-Recht gehen soll.


Auslöser der Änderung des AkkStelleG dürfte ein Vertragsverletzungsverfahren gewesen sein, in dem die Europäische Kommission den Vorwurf erhoben hat, dass Deutschland nicht die „Alleinstellung der nationalen Akkreditierungsstelle“ hinreichend gewährleistet hat. Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 darf es in jedem Mitgliedstaat maximal eine Akkreditierungsstelle geben. Nach der Gesetzesbegründung soll diese Alleinstellung sichergestellt werden.

Durch das Änderungsgesetz werden auch einzelne Bestimmungen der Gewerbeordnung modifiziert. Diese sind allerdings nicht Gegenstand dieses Beitrags.

Unberechtigte Akkreditierung

Die Alleinstellung der Akkreditierungsstelle soll insbesondere durch die Verbotstatbestände in § 1a Abs. 1 Satz 1 AkkStelleG geschützt werden. Nach dessen Ziffer 1 ist es verboten, unberechtigt eine Akkreditierung im Sinne des Art. 2 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 durchzuführen. Bei der Anwendung dieser Bestimmung wird ganz grundsätzlich zu klären sein, welche Tätigkeiten verboten sind. Der Wortlaut des Gesetzes ist dabei allerdings nicht hilfreich. Es bedarf vielmehr einer Auslegung anhand der Gesetzesbegründung und des zugrundeliegenden EU-Rechts. Denn das Verbot, unberechtigt eine Akkreditierung im Sinne des Art. 2 Nr. 10 Verordnung (EG) Nr. 765/2008 durchzuführen, soll wohl nicht jede Akkreditierung im Sinne der Verordnung erfassen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Definition in der Verordnung schon deshalb nicht direkt angewendet werden kann, da danach nur die „Bestätigung durch eine nationale Akkreditierungsstelle“ als Akkreditierung gilt. Eine unberechtigte Akkreditierung käme dann nur in Betracht, wenn sie von einer nicht zuständigen nationalen Akkreditierungsstelle durchgeführt wurde. Gemeint ist hingegen, dass eine unberechtigte Akkreditierung im Sinne des AkkStelleG wohl dann in Betracht kommt, wenn rechtlich eine Akkreditierung durch eine nationale Akkreditierungsstelle erforderlich ist und sie (stattdessen) von einer anderen Stelle durchgeführt wurde. So sollen nach der Gesetzesbegründung „Akkreditierungen“ von Studiengängen sowie die Akkreditierung von Diplomaten und Journalisten nicht erfasst sein – offenbar weil eine Akkreditierung durch eine nationale Akkreditierungsstelle nicht erforderlich ist.

Daher wird sich in der Praxis zunächst die Frage stellen, welche Einrichtungen überhaupt der Akkreditierungspflicht unterfallen. Dies ist weder im AkkStelleG noch in der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 geregelt, sondern ergibt sich aus anderen europäischen Harmonisierungsvorschriften oder nationalen Gesetzen und muss im Einzelfall festgestellt werden. Daneben kommt zwar gemäß Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 765/2008 eine freiwillige Akkreditierung in Betracht. In diesem Fall besteht aber gerade keine Akkreditierungspflicht, sodass auch keine unberechtigte Akkreditierung gemäß § 1a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AkkStelleG denkbar ist.

Anschein einer Akkreditierung

Der Verbotstatbestand in § 1a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AkkStelleG dürfte sich in der Anwendung noch schwieriger darstellen. Verboten ist es danach, den Anschein zu erwecken, Akkreditierungen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 durchzuführen. Dabei wird der Anschein einer Akkreditierung insbesondere dadurch geweckt, dass eine Konformitätsbewertungsstelle die Bezeichnung „Akkreditierung“ unberechtigt für von ihr ausgeführte Konformitätsbewertungen verwendet. Da nach der Definition der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 praktisch jede Stelle, die etwas prüft, eine Konformitätsbewertungsstelle ist, könnte man meinen, dass die Verwendung des Begriffs „Akkreditierung“ für die Tätigkeit der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) monopolisiert wird. Dagegen spricht, dass nach der Gesetzesbegründung beispielsweise die „Akkreditierung“ von Studiengängen, Diplomaten und Journalisten weiterhin zulässig sein soll.

Bei der praktischen Anwendung wird es daher vielmehr darauf ankommen, dass nur durch die „unberechtigte“ Verwendung des Begriffs der Anschein einer Akkreditierung erweckt kann. Da der Begriff der „Akkreditierung“ grundsätzlich nicht geschützt ist, werden Kriterien dafür entwickelt werden müssen, wann die Verwendung „unberechtigt“ erfolgt. Rechtsstaatlich bedenklich ist insofern, dass gemäß § 1a Abs. 1 Satz 2 AkkStelleG in Zweifelsfällen die DAkkS darüber entscheidet, ob die Bezeichnung berechtigt geführt wird. Dies gilt umso mehr, wenn die DAkkS – mit den Worten der Unionsfraktion im Finanzausschuss – bisher „eher als Agentur denn als Behörde“ handelt. Eine Untersagung durch die DAkkS gemäß § 1a Abs. 3 AkkStelleG soll zwar – nach der Gesetzesbegründung – der Zustimmung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bedürfen. Es wäre jedoch erforderlich, dass das Ministerium auch die Entscheidungen über „Zweifelsfälle“ kontrolliert. Aber selbst dann blieben Bedenken, dass der Gesetzgeber die Entscheidung über Zweifelsfälle der Exekutive überlassen hat, statt dies zu selbst zu regeln.

Eine restriktive Auslegung und Anwendung ist auch bei § 1a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit a AkkStelleG erforderlich. Nach der Bestimmung wird der Anschein, eine Akkreditierung durchzuführen, auch dadurch geweckt, dass die Erfüllung von Anforderungen bestätigt wird, die Anforderungen aus harmonisierten Normen im Sinne des Art. 2 Nr. 9 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 inhaltlich ganz oder teilweise entsprechen. Da die Anforderungen aus den harmonisierten Normen teilweise auf so allgemeine Kriterien wie Fachkunde, Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit abstellen, sind sie nicht zur Abgrenzung geeignet. Denn auch bei privaten Qualitätssicherungssystemen müssen die Prüfstellen diese Anforderungen erfüllen. Jedoch sollen Systeme der Selbstverwaltung der Wirtschaft nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich nicht erfasst sein. Private Systeme der Qualitätssicherung sind von § 1a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit a AkkStelleG ausgenommen, weil der Verbotstatbestand voraussetzt, dass „im Übrigen eine unberechtigte Akkreditierung im Sinne der Nummer 1 durchgeführt wird“. Er greift also – wie oben erläutert – nur, wenn rechtlich eine Akkreditierung durch eine nationale Akkreditierungsstelle erforderlich ist und die Anforderungen (stattdessen) von einer anderen Stelle bestätigt werden.

Fazit

Die Änderungen des AkkStelleG stärken die Position der DAkkS und erleichtern ein Vorgehen gegen „Schattenakkreditierungsstellen“. Ob dies erforderlich war, ist zweifelhaft. Durch eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im eingangs erwähnten Vertragsverletzungsverfahren wäre geklärt worden, ob die bisherige Rechtslage in Deutschland mit dem EU-Recht vereinbar war. Die Einführung der Verbotstatbestände und der Untersagungsmöglichkeit war – im Verhältnis zum EU-Recht – möglicherweise „überobligatorisch“. Der Gesetzgeber hat insofern freilich einen gewissen Spielraum, wie er eine effiziente Anwendung des EU-Rechts sicherstellt. Bedauerlich ist allerdings der Kollateralschaden, der durch ungeeignete und unklare Bestimmungen verursacht wird. Sie führen zu einer erheblichen Verunsicherung darüber, welche Tätigkeiten künftig zulässig sind. Dies ist schädlich für das System der freiwilligen Qualitätssicherung. Die Klarstellungen in der Gesetzesbegründung sind allenfalls die zweitbeste Lösung. Es ist zu hoffen, dass die Anwendungspraxis Rechtssicherheit bringt, sodass die staatliche Akkreditierung sowie private Qualitätssicherungssysteme ihre unterschiedlichen Aufgaben wieder mit Erfolg erfüllen können.

 

Dr. Christian Wagner

Rechtsanwalt, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel

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