06.12.2018

Drei zentrale Fragen

Ein Beitrag zur Diskussion um die Abschaffung des Straßenbaubeitrags

Drei zentrale Fragen

Ein Beitrag zur Diskussion um die Abschaffung des Straßenbaubeitrags

Drei zentrale Fragen | ©Animaflora PicsStock - stock.adobe.com
Drei zentrale Fragen | ©Animaflora PicsStock - stock.adobe.com

In den letzten Monaten ist in verschiedenen Bundesländern eine lebhafte Diskussion über eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags entstanden. In Nordrhein-Westfalen hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf zu einer solchen Abschaffung in den Landtag eingebracht, in Sachsen-Anhalt hat die SPD-Fraktion einen entsprechenden Antrag angekündigt; die Fraktion Die Linke will mit einem Gesetzentwurf die Diskussion im Landtag in Magdeburg anschieben. In Brandenburg hat die Vereinigung BVB/Freie Wähler eine Volksinitiative zur Abschaffung des Straßenbaubeitrags gestartet. In Thüringen sollen sich die Regierungsfraktionen auf eine Abschaffung schon mit Wirkung zum 1. Januar 2019 geeinigt haben. Auch in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz sollen die Straßenbaubeiträge vor dem Aus stehen. In Bayern sind die Straßenbaubeiträge noch kurz vor der Landtagswahl im Oktober 2018 rückwirkend zum 1. Januar 2018 abgeschafft worden.

Die Anti-Straßenbaubeitrag-Bewegung wird namentlich in den neuen Bundesländern in der Presse nahezu durchgehend damit begründet, die „Bürger“ müssten von Beitragszahlungen befreit werden, die Beiträge seien unsozial und könnten der „Bevölkerung“ nicht mehr zugemutet werden. Dazu ist zunächst klarzustellen: Straßenbaubeiträge werden in Deutschland – ebenso wie Erschließungsbeiträge – seit weit über 100 Jahren ausschließlich von Grundeigentümern (bzw. Erbbauberechtigten, die jedoch ebenso wie – in den neuen Bundesländern – „sonst dinglich zur baulichen Nutzung“ Berechtigte im Folgenden vernachlässigt werden sollen), nicht aber von Mietern oder von durch ein Nießbrauchsrecht zum Wohnen berechtigte Personen erhoben. Zwar ist jeder Grundeigentümer ein Bürger, nicht aber jeder Bürger ein Grundeigentümer. Beispielsweise in Berlin sind lediglich etwa 10% der Bürger Grundeigentümer. In rein ländlichen Regionen mag sich die Anzahl der Grundeigentümer gelegentlich der Anzahl der Bürger annähern, doch ändert das nichts daran, dass dies in städtischen Regionen regelmäßig völlig anders ist. Kurzum: Die Annahme, alle Bürger bzw. die „Bevölkerung“ würden durch Straßenbaubeiträge belastet, ist schlicht unzutreffend.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich für eine Diskussion über die Abschaffung des Straßenbaubeitrags drei sozusagen zentrale Fragen, nämlich ob – erstens – eine solche Abschaffung wegen einer – im Verhältnis zur Allgemeinheit – ungebührlichen Belastung der Grundeigentümer veranlasst ist, ob sie – zweitens – etwas für die Lösung des Problems der Deckung des für den gemeindlichen Straßenbau entstehenden Aufwands hergibt und ob sie – drittens – zu einer Befriedung der Bevölkerung in der jeweiligen Gemeinde beiträgt. Die Antworten auf diese Fragen sollen letztlich dem Leser überlassen bleiben.


Ist eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags wegen einer – im Verhältnis zur Allgemeinheit ungebührlichen Belastung der Grundeigentümer sachlich veranlasst?

  1. Straßenbaubeiträge werden typischerweise für die Kosten der Verbesserung oder Erneuerung einer verschlissenen Gemeindestraße erhoben, und zwar von den Grundeigentümern, deren angrenzende Grundstücke durch diese Straße erschlossen und bebaubar gemacht worden sind. Ob der Gebrauchswert solcher Grundstücke durch einen beitragsfähigen Ausbau der betreffenden Verkehrsanlage steigt und damit deren Grundeigentümer bevorteilt werden, lässt sich – alle juristischen Überlegungen zum beitragsrechtlichen Vorteilsbegriff hinten gestellt – ganz einfach durch eine Gegenprobe beantworten: Baut die Gemeinde eine verschlissene Straße nicht aus, sondern lässt sie gleichsam „verrotten“, werden nach Ablauf einer bestimmten Zeit Straße und angrenzende Grundstücke – nahezu – unbenutzbar, jedenfalls sinkt der Gebrauchswert dieser Grundstücke und erleiden deren Eigentümer dadurch einen Nachteil. Saniert die Gemeinde dagegen die Straße rechtzeitig, wird nicht nur ein solcher Nachteil vermieden, sondern es wird durch die gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit der erneuerten Straße dieser Gebrauchswert im Verhältnis zum Gebrauchswert während des Zeitraums des Verschlissenseins der Straße erhöht.
  2. Straßenbaubeiträge berühren lediglich die Grundeigentümer, deren Grundstücke – wegen ihrer Nähe – in besonderer Weise von der Inanspruchnahmemöglichkeit gerade der (ausgebauten) Straße abhängig sind. Diesen Grundeigentümern – und nur ihnen – gewährleistet die Rechtsordnung einen sog. Anliegergebrauch an dieser Straße insoweit, als eine angemessene Nutzung des Grundeigentums oder die Ausübung oder Fortführung eines Gewerbebetriebs die Benutzung dieser Straße erfordern. Dadurch ist ein spezifisches Verhältnis zwischen diesen Grundeigentümern und „ihrer“ Straße begründet, und diese Grundeigentümer sind aus dem Kreis der Allgemeinheit hervorgehoben.
  3. Straßenbaubeiträge werden seit jeher als Vorzugslasten der u.a. durch den Anliegergebrauch besonders bevorteilten Grundeigentümer angesehen. Diesen Vorzugslasten trägt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (u.a. Urteil vom 22.3.1994 – IX R 109/90 – BFHE 175/31) dadurch Rechnung, dass sie die Straßenbaubeiträge als sofort abziehbare Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung anerkennt.
  4. Richtig ist, dass die Eigentümer (einschließlich Familien) der Grundstücke, die an eine ausgebaute Straße angrenzen, nicht die einzigen Benutzer dieser Straße sind, sie vielmehr auch von Mietern, Besuchern und anderen Personen in Anspruch genommen wird. Darauf reagiert das Straßenbaubeitragsrecht dadurch, dass es den betreffenden Grundeigentümern nur einen Anteil von den für die Sanierung „ihrer“ Gemeindestraße entstandenen Ausbaukosten auferlegt. Dieser Anteil (Eigentümeranteil) entspricht der Höhe nach dem Umfang der von ihren Grundstücken voraussichtlich ausgelösten Inanspruchnahme der Straße im Verhältnis zur voraussichtlichen Inanspruchnahme durch die Allgemeinheit. Das führt dazu, dass die Grundeigentümer im Durchschnitt, d.h. bei Berücksichtigung aller Straßenarten (Anlieger-, Haupterschließungs- und Durchfahrtsstraßen), lediglich einen Anteil von ca. 50% der Ausbaukosten von Gemeindestraßen zu übernehmen haben und die übrigen ca. 50 % von der Allgemeinheit, also den anderen Einwohnern der Gemeinde als sog. Gemeindeanteil zu tragen sind.
  5. Einzuräumen ist, dass in seltenen Ausnahmefällen ein Straßenbaubeitrag die Größenordnung eines mittleren fünfstelligen Betrags oder gar mehr erreicht. Das betrifft allerdings nicht Eigentümer kleinerer, einzig mit einem Eigenheim bebauter Grundstücke, sondern regelmäßig nur eher wohlhabende Eigentümer von großflächigen, intensiv z.B. gewerblich genutzten Grundstücken. Denn der Anteil an dem für eine beitragsfähige Ausbaumaßnahme angefallenen Aufwand, der von den Eigentümern zu tragen ist, wird typischerweise nach dem sog. Vollgeschossmaßstab auf die anliegenden Grundstücke verteilt, d.h. nach einem Maßstab, der ausschlaggebend abstellt auf die Größe dieser Grundstücke sowie Art und Maß von deren baulicher Ausnutzung (Ausnutzbarkeit). Sollte gleichwohl in einem Einzelfall eine Beitragserhebung zu einer unbilligen persönlichen oder sachlichen Härte führen, begründen teilweise recht großzügige gesetzliche Regelungen Erleichterungen von Stundungen über Ratenzahlungen bis zu (ggfs. teilweisen) Beitragserlassen. Das schließt – anders als Befürworter einer Abschaffung des Straßenbaubeitrags gelegentlich glauben machen wollen – in der Praxis eine übermäßige Belastung von Grundeigentümern aus, schließt insbesondere aus, dass sich Grundeigentümer zur Begleichung einer Beitragsschuld von ihrem Grundstück trennen müssen.
  6. Insoweit abschließend bleibt zu prüfen, ob es einen tragfähigen sozialen oder finanzwirtschaftlichen Grund gibt, zugunsten der durch die Sanierung „ihrer“ Straße bevorteilten Grundeigentümer auf die Erhebung von Straßenbaubeiträgen mit der Folge zu verzichten, dass selbst der Eigentümeranteil von allen Gemeindemitgliedern aufgebracht werden muss oder zur Erfüllung anderer gemeindlicher Aufgaben fehlt.

Gibt die Abschaffung des Straßenbaubeitrags etwas für die Lösung des Problems der Deckung des für den gemeindlichen Straßenbau entstehenden Aufwands her?

  1. Gemeindestraßen unterliegen einem Verschleiß. Dieser Verschleiß löst nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums einen Sanierungsbedarf aus. Die zur Deckung dieses Bedarfs erforderlichen Ausbaukosten entstehen bei der Gemeinde. An dem damit skizzierten Grundproblem ändert die Abschaffung des Straßenbaubeitrags nichts.
  2. Aus dem in allen Verfassungen der Flächenländer – wenn auch mit unterschiedlichen Formulierungen – enthaltenen sog. Konnexitätsprinzip lässt sich (jedenfalls sinngemäß) der Grundsatz herleiten, für den Fall, dass eine Veränderung landesrechtlicher Bestimmungen zu einer wesentlichen Belastung der Gemeinden führt, habe das Land einen angemessenen Ausgleich zu schaffen. Dementsprechend hat der Freistaat Bayern einen Ausgleichsbetrag von zunächst 100 Millionen € und ab 2020 von 150 Millionen € vorgesehen. In dem im Landtag in Nordrhein-Westfalen eingereichten Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ist ebenfalls ein Betrag von 100 Millionen € genannt, in Sachsen-Anhalt ist eine Kompensationssumme von 27 Millionen € im Gespräch.
    Im Zusammenhang mit einem angemessenen Ausgleichsbetrag ist folgende Besonderheit des Straßenbaubeitrags zu berücksichtigen: Anders als das Erschließungsbeitragsrecht bezieht sich das Straßenbaubeitragsrecht nicht auf einen einmaligen Ausbau (erstmalige Herstellung) einer bestimmten Gemeindestraße. Vielmehr können sich nach Maßgabe des Straßenbaubeitragsrechts beitragsfähige Ausbaumaßnahmen an ein und derselben Straße immer wiederholen, nämlich nach jedem Ablauf einer normalen „Haltbarkeitsdauer“ des durch einen Ausbau erreichten Zustands dieser Verkehrsanlage. Die normale „Haltbarkeitsdauer“ beträgt sowohl nach der erstmaligen Herstellung einer Gemeindestraße als auch nach ihrer Erneuerung bzw. Verbesserung etwa 30 Jahre. Nach Ablauf dieses Zeitraums tritt erfahrungsgemäß ein Verschleiß mit der Folge ein, dass ein Sanierungsbedarf entsteht und ein beitragsfähiger Ausbau erforderlich wird. Die Lebensdauer einer Gemeindestraße kann viele Jahrhunderte ausmachen, so dass sich der Vorgang „Verschleiß-Sanierungsbedarf-beitragsfähiger Ausbau“ nahezu unendlich häufig wiederholen kann. Da durch eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags für die Gemeinden eine langanhaltende „Finanzierungsquelle“ entfällt und folglich entsprechende Beitragsausfälle entstehen, muss ein vom Konnexitätsprinzip verlangter angemessener finanzieller Ausgleich für diese Beitragsausfälle auf viele Jahrzehnte angelegt sein. Das begründet selbstverständlich eine jährliche, für eine unabsehbare Zeit andauernde Belastung des betreffenden Landeshaushalts.
  3. In Bayern soll der Kompensationsbetrag – wie gesagt – zunächst jährlich mindestens 100 Millionen € betragen und ab 2020 auf 150 Millionen € ansteigen. Diese Beträge verfehlen den nach dem Konnexitätsprinzip gebotenen angemessenen jährlichen Ausgleich deutlich. Eine von einer namhaften Beratungsgesellschaft 2018 erarbeitete Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in Bayern ein jährlicher Erneuerungsbedarf bei Gemeindestraßen von etwa einer Milliarde € anzunehmen ist. Folglich entsteht bei den bayerischen Gemeinden infolge der Abschaffung des Straßenbaubeitrags und der sich daraus ergebenden Beitragsausfälle eine erhebliche Finanzierungslücke. In den übrigen Ländern dürfte auf der Grundlage der bisher genannten Kompensationsbeträge Entsprechendes gelten. Mit anderen Worten: Die den Gemeinden zum Ausgleich von Beitragsausfällen voraussichtlich zur Verfügung gestellten Beträge werden über viele Jahre nur einen Bruchteil der Ausfälle decken, die ihnen durch die Abschaffung des Straßenbaubeitrags entstehen.
  4. Zur Schließung der aufgezeigten Finanzierungslücke kommen in erster Linie (wenn nicht sogar ausschließlich) Einnahmen aus den Grundsteuern als der wichtigsten Gemeindesteuer in Betracht oder genauer: zusätzliche Einnahmen aus einer Erhöhung der Grundsteuern durch eine in der Zuständigkeit der Gemeinden liegende Erhöhung der betreffenden Hebesätze. Dazu heißt es in einem Bericht einer mittelgroßen Gemeinde: Die Verwaltung habe ganz genau errechnet, um wieviel der Hebesatz für die Grundsteuern erhöht werden müsste, um Straßenbaubeiträge zu ersetzen und die Straßen gleichwohl in gewohnter Weise sanieren zu können. Das Ergebnis sei „niederschmetternd“, es müsse der „Hebesatz der Grundsteuern von 400 auf 800 Prozentpunkte erhöht“ werden. Eine zweite Prüfung habe ein freundlicheres Ergebnis gebracht. Beschränke man sich im Wesentlichen auf eine „Sanierung light, also ein Abfräsen und Erneuern der Decke“, reiche eine Erhöhung des Hebesatzes von 400 auf 560 Prozentpunkte aus. Jedoch beseitigt eine solche „Sanierung light“ nicht eine etwaige Verschlissenheit einer Straße, sondern verschiebt eine „Vollsanierung“ nur auf einen späteren, dann voraussichtlich mit nicht unerheblich höheren Kosten verbundenen Zeitpunkt.
  5. Allerdings weist eine Schließung der Finanzierungslücke durch Einnahmen aus einer Erhöhung der Grundsteuer und damit die Ersetzung des Finanzierungsmittels
    „Straßenbaubeiträge“ durch das Finanzierungmittel „(erhöhte) Grundsteuer“ zwei bemerkenswerte Mängel auf: Zum einen ist festzustellen, dass Schuldner der Grundsteuer ebenso wie Schuldner der Straßenbaubeiträge die Grundeigentümer in der jeweiligen Gemeinde sind, die Belastung dieser Grundeigentümer mit Kosten für den gemeindlichen Straßenbau durch den Austausch der Finanzierungsmittel also vom Ansatz her – abgesehen von den unzureichenden Ausgleichsbeträgen – im wirtschaftlichen Ergebnis unverändert bleibt. Zum anderen ergibt sich mit Blick auf vermietete Objekte ein ungleich bedeutsamerer Mangel daraus, dass Grundsteuern gemäß § 2 Ziffer 1 der Betriebskostenverordnung zu den auf Mieter abwälzbaren Betriebskosten zählen und deshalb jede Erhöhung der Grundsteuern zur anteiligen Finanzierung der gemeindlichen Straßenbaukosten immer eine entsprechende Steigerung der Miet(neben)kosten zur Folge hat. Ob diese Folge in einer Zeit, in der die Höhe der Mietkosten zu einem, wenn nicht dem bedeutendsten sozialen und gesellschaftlichen Problem geworden ist, gewollt und vertretbar sein kann, dürfte ernsthaft zu bezweifeln sein.

Trägt eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags zu einer Befriedung in der Bevölkerung einer Gemeinde bei?

  1. Die Abschaffung des Straßenbaubeitrags kann ausschließlich zu einem bestimmten Stichtag erfolgen, selbst wenn dieser Stichtag rückwirkend festgelegt wird. Jede Stichtagslösung begründet zwangsläufig eine sozusagen Zwei-Klassen-Gesellschaft, nämlich bei Straßenbaubeiträgen eine Gruppe von Grundeigentümern, die für den beitragsfähigen Ausbau „ihrer“ Straße noch Straßenbaubeiträge bezahlen mussten, und eine andere Gruppe, deren Mitglieder von einer derartigen Belastung befreit sind. In Bayern beispielsweise hat der Gesetzgeber in Art. 19 Abs. 7 KAG bestimmt, Straßenbaubeiträge nach den bis dahin geltenden gesetzlichen Bestimmungen hätten nur noch diejenigen Grundeigentümer zu zahlen, denen ein Beitragsbescheid bis zum 31. Dezember 2017 bekannt gegeben worden ist; später bekannt gegebene Beitragsbescheide seien hingegen aufzuheben. Das kann dazu führen, dass die Grundeigentümer, denen in den letzten Tagen des Jahres 2017 ein Beitragsbescheid bekannt gegeben worden ist, noch Straßenbaubeiträge für einen beitragsfähigen Ausbau „ihrer“ Ortsstraße bezahlen müssen, während Eigentümer von an die gleiche Ortstraße angrenzenden Grundstücken, denen – aus welchen (Zufälligkeits-)Gründen auch immer – eine solcher Bescheid erst in den ersten Tagen des Jahres 2018 bekannt gegeben worden ist, von einer solchen Bezahlung befreit sind. Es kann bezweifelt werden, ob in solchen und ähnlichen Konstellationen den Grundeigentümern, die noch einen Straßenbaubeitrag erbringen müssen, ein derartiges Ergebnis überzeugend verständlich gemacht werden kann, und vor allem ob es zur Befriedung in der Bevölkerung der Gemeinde beiträgt.
  2. Eine Abschaffung des Straßenbaubeitrags und eine Schließung von dadurch bei einer Gemeinde auftretenden Finanzierungslücken durch die Einnahmen aus einer Erhöhung der Grundsteuer führt erstmals zu einer Einbeziehung von Mietern in den Kreis derjenigen, die unmittelbar Kosten für eine beitragsfähige Sanierung von Gemeindestraßen zu tragen haben. Ob diese Folge sachlich gerechtfertigt und vor allem sozial verträglich ist, dürfte sehr fraglich sein; jedenfalls in einer Gemeinde mit vielen Mietern dürfte sie schwerlich zur Befriedung in der Bevölkerung beitragen.

Schlussbetrachtung

Die vorstehenden Ausführungen drängen die Frage auf, ob nicht durch eine intelligentere Lösung ein angemessener Interessenausgleich gefunden werden kann. Gegenüber stehen sich das Interesse der Gemeinde als Vertreterin der (gemeindlichen) Allgemeinheit einschließlich der Mieter am Festhalten an der bisherigen Beitragsfinanzierung durch die jeweiligen Grundeigentümer und deren Interesse an einer Reduzierung der von ihnen zu tragenden Beitragslasten. Zu einem solchen Interessenausgleich könnte sicher beitragen, wenn Länder, die bei einer Abschaffung des Straßenbaubeitrags eine Kompensation in einer bestimmten Höhe zu leisten hätten, diesen Betrag zur Reduzierung des Eigentümeranteils an den für einen beitragsfähigen Ausbau entstehenden Kosten einsetzten, also die Kompensationsmittel in entsprechende Fördermittel „umwidmen“ würden. Denn dadurch würde der von den Eigentümern zu tragende Anteil an den Kosten für einen beitragsfähigen Ausbau nennenswert reduziert, ohne dass die Gemeinde zusätzlich belastet würde. Eine die Grundeigentümer entlastende Wirkung könnte auch dadurch erreicht werden, dass Förderungen der Länder für den kommunalen Straßenbau in Zukunft nicht auf den Gemeindeanteil bezogen, sondern auf die Gesamtkosten einer beitragsfähigen Maßnahme ausgerichtet werden. Überdies könnten zu einer Entlastung der Grundeigentümer großzügigere Stundungsregelungen und die Begründung eines Rechtsanspruchs führen, den Beitrag unabhängig vom Vorliegen irgendwelcher Billigkeitsgründe in bis zu zwanzig aufeinander folgenden Raten begleichen zu können, und zwar bei einer Verzinsung des jeweiligen Restbetrags zu jährlich höchstens 1 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB. Eine ähnliche Regelung enthält in Hessen bereits § 11 Abs. 12 KAG; sie ist zugleich geeignet, einen Anreiz für eine Entscheidung zugunsten der rechtlich sehr komplizierten und kostenaufwändigen wiederkehrenden Straßenbaubeiträge zu beseitigen. Schließlich könnte ein Gesetzgeber für ganz besondere Konstellationen – z.B. für den Fall, dass der Beitrag über dem Verkehrswert des entsprechenden Grundstücks liegt – einen vollständigen Beitragserlass anordnen.

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus

Prof. Dr. Hans-Joachim Driehaus

Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator, vormals Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht, Berlin

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