15.06.2014

Schutzziele gesucht!

Gefährdung kritischer Infrastrukturen im Bevölkerungsschutz

Schutzziele gesucht!

Gefährdung kritischer Infrastrukturen im Bevölkerungsschutz

Krisen wie das Elbehochwasser 2002 können Staat, Wirtschaft und Bürger an ihre Grenzen führen. | © DOC RABE Media - Fotolia
Krisen wie das Elbehochwasser 2002 können Staat, Wirtschaft und Bürger an ihre Grenzen führen. | © DOC RABE Media - Fotolia

Infrastrukturen haben eine hohe Priorität für den Bevölkerungsschutz, da sie als neuralgische Punkte bei einem Ausfall große Bevölkerungsanteile empfindlich beeinträchtigen können. Um ihn optimal gewährleisten zu können, sind Verantwortungsbewusstsein und das Bestimmen von Schutzzielen wichtige Parameter.

Kritische Infrastrukturen

In der Wirtschaft gilt nicht jeder Betrieb gerne als „kritisch“. Da der Gefährdungsaspekt von Infrastrukturen beim Bevölkerungsschutz gegenwärtig in Deutschland nicht vorrangig beachtet wird, könnte man erwägen, künftig nur noch von „Infrastrukturen“ statt von „kritischen Infrastrukturen“ zu sprechen, oder von besonders wichtigen, essenziellen Infrastrukturen für die Versorgung der Bevölkerung.

Neben der Debatte um Begriffe geht es aber vor allem um die Frage der Verantwortungsübernahme. Für außergewöhnliche Notfälle, Krisen oder Katastrophen muss ein gemeinsames Verantwortungsbewusstsein geschaffen werden. Es genügt nicht, nur Vorschriften und Gesetzesvorgaben abzuarbeiten, vielmehr ist proaktives Denken in Krisen notwendig.


Krisen wie das Elbehochwasser 2002 oder die jüngste Finanzkrise machen deutlich, dass Staat, Wirtschaft und auch die Bürger in derartigen Situationen an Grenzen stoßen. Keiner will den Löwenanteil der Schäden bezahlen oder die Schulden begleichen. Aber es ist auch schwierig, die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu erkennen, eine Krise zu bewältigen. Noch schwieriger ist es, das Bewusstsein zu vermitteln, auch für andere Verantwortung zu übernehmen und deren korrekte Umsetzung. Das gilt für die Handlung von Individuen wie für große Organisationen gleichermaßen. Ausnahmen und leuchtende Vorbilder gibt es natürlich.

Risikomanagement in Unternehmen

Mitunter hört man auch von großen Unternehmen – unter der Hand – den Ruf nach staatlichen Vorgaben und Richtlinien. Dies ist verständlich, wenn man sich die inzwischen weltweit agierenden Unternehmenszweige und in Tochterunternehmen ausgelagerte Arbeitsbereiche vor Augen führt. Denn Outsourcing und Unbundling haben zu einer Zersplitterung des davor zentral vorhandenen Wissens über die Unternehmensbereiche geführt. Damit fehlt teilweise ein ganzheitliches Risikomanagement und ein Überblick über Lieferketten, Verflechtungen und Abhängigkeiten, kurz, die ganze Palette an Risikofaktoren.

Daher besteht auch in großen Unternehmen Interesse an Leitfäden zum Risikomanagement, zum Business Continuity Management und zu Risikoanalysen sowie an Gefahrenkatalogen und zentralen Wissensdatenbanken. Risikomanagement und gerade der Consultingbereich scheinen in diesen Bereichen zu boomen. Diese Beratungsfunktion kann die staatliche Seite bezogen auf den Bevölkerungsschutz nur begrenzt leisten.

Schutzziele im Bevölkerungsschutz

Ähnlich dem Risikomanagement in Unternehmen gibt es auch im Bevölkerungsschutz strategische Ziele, z. B. Schutzziele. Als Schutzziel wird in diesem Zusammenhang ein gesamtgesellschaftliches Übereinkommen von Zielvorstellungen über den Umgang mit Krisen bis hin zu katastrophenartigen Risiken verstanden.

Schutzziele formulieren generell anzustrebende Zustände oder Vorbilder für die Gesellschaft in Bezug auf den Umgang mit Ressourcen und Bedrohungen. Sie existieren für verschiedene Zwecke und auf verschiedenen Ebenen. Es gibt z. B. technische Normen und Schutzziele zur Dimensionierung von Extrembelastungen wie an Strommasten oder Gebäuden. Diese Schutzziele legen Grenzwerte (z. B. Stand der Technik, Grenzbelastungen, erwartete Belastungsspitzen) und damit in gewisser Weise auch den erwarteten Risikobereich fest.

Neben technischen Normen werden zunehmend auch Sicherheitskonzepte oder Risikoanalyseprozesse standardisiert und normiert.

Die Beratung zu Zertifizierungen im Bereich Sicherheit und Risikomanagement ist ein attraktives und wachsendes Geschäftsfeld, mit sowohl der Wirtschaft als auch Behörden als Zielgruppe.

Praxishinweise

Gegenwärtig lassen sich zwei Wege zur Erstellung von gesamtgesellschaftlichen Schutzzielen im Bevölkerungsschutz erkennen:

  • Der eine Weg führt über die Ermittlung von gemessenen oder beobachteten Grenzen, z. B. von Kapazitäten oder Ressourcen, zur Erstellung von Schutzzielen.
  • Zum anderen können Schutzniveaus und Schutzziele anhand von Toleranzgrenzen („Null Tote“, Nachhaltigkeit, etc.) vorgegeben werden. Dies kann z. B. durch Gremien (Normung), Institutionen oder durch die Einbeziehung vieler Akteure (siehe „Stuttgart 21“) vorgegeben werden.
  • Für den Bevölkerungsschutz lassen sich Schutzziele anhand von vier Kernfragen gliedern:
  1. Wovor soll geschützt werden?
  2. Was soll geschützt werden?
  3. Bis zu welchem Grad soll geschützt werden?
  4. Wie soll dieses Ziel erreicht werden?
 

Prof. Dr. Alexander Fekete

Risiko- und Krisenmanagement, Fachhochschule Köln
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