15.06.2014

Neue Regeln gegen Abgeordnetenbestechung

Verschärfungen gelten auch für kommunale Mandatsträger

Neue Regeln gegen Abgeordnetenbestechung

Verschärfungen gelten auch für kommunale Mandatsträger

Künftig wird jedwede korruptive Verhaltensweise von und gegenüber Mandatsträgern unter Strafe gestellt. | © Edler von Rabenstein - Fotolia
Künftig wird jedwede korruptive Verhaltensweise von und gegenüber Mandatsträgern unter Strafe gestellt. | © Edler von Rabenstein - Fotolia

Bundesrat und Bundestag haben eine Erweiterung des bisherigen Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung kurzfristig beschlossen. Mit der zum 01. 09. 2014 in Kraft tretenden Fassung soll nunmehr über die bisherige Regelung zum Stimmenkauf oder –verkauf bei Wahlen und Abstimmungen hinaus jedwede korruptive Verhaltensweise von und gegenüber Mandatsträgern unter Strafe gestellt werden. Wie bisher findet die Regelung auch Anwendung auf Mitglieder der Volksvertretungen kommunaler Gebietskörperschaften.

Das achtundvierzigste Strafrechtsänderungsgesetz

Bundesrat und Bundestag haben im Gesamtpaket mit der Neugestaltung der Diäten der Bundestagsabgeordneten im Februar bzw. März 2014 im Eiltempo eine Erweiterung des bisherigen Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung kurzfristig und ohne vorherige formale Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände beschlossen. Nach der derzeit noch gültigen Fassung zur Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten in § 108e Strafgesetzbuch (StGB) ist lediglich der Stimmenkauf oder –verkauf bei Wahlen und Abstimmungen strafbar. Einbezogen in diese Regelung sind auch die Kommunalvertretungen.

Mit der künftigen Fassung soll nunmehr jedwede korruptive Verhaltensweise von und gegenüber Mandatsträgern, die im Zusammenhang mit der Mandatsausübung steht, unter Strafe gestellt werden. Gemäß dem zugrunde liegenden achtundvierzigsten Strafrechtsänderungsgesetz tritt die neue Regelung zum 01. 09. 2014 in Kraft. Die durch den Bundesrat bis zum Inkrafttreten vorgenommene zeitliche Verschiebung von vier Monaten soll insbesondere auch den Vertretungen der kommunalen Gebietskörperschaften ermöglichen, sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen. Inhaltlich bestimmt die neu gefasste Regelung eine Strafbarkeit bis zu fünf Jahren, wenn ein Mitglied einer Volksvertretung „einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse“.


Die Einbeziehung der Kommunen

Die Regelung gilt auch für die kommunalen Volksvertretungen – also insbesondere die Kreistage, Stadt- und Gemeinderäte –, aber als Neuerung auch für Ortschaftsbeiräte und ähnliches, soweit sie aus unmittelbaren und allgemeinen Wahlen hervorgegangen sind. Dieser Einbeziehung der kommunalen Ebene wird auch durch die Umbenennung der Abgeordnetenbestechung hin zur „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“ Ausdruck verliehen.

Rein quantitativ erfasst die Regelung mit den Bundestagsabgeordneten 631 Personen, in Landtagen knapp 2.000 Abgeordnete, alleine in den Kreistagen über 15.000 Mandatsträger sowie auf Gemeindeebene mehr als 200.000 ehrenamtlich tätige Mandatsträger.

Der „ungerechtfertigte Vorteil“ und „die Gegenleistung“

Die Formulierungen „ungerechtfertigter Vorteil“ sowie „als Gegenleistung“ übernehmen wortgleich die UN-Konvention gegen Korruption, die Deutschland bereits im Jahr 2003 unterzeichnet, bisher allerdings noch nicht in nationales Recht umgesetzt hatte. Sie sollen beide dazu dienen, mandatsübliches Verhalten von einer Strafbarkeit von vornherein auszunehmen. Das Gespräch mit einem Interessenvertreter bei einem Mittagessen soll nicht gleich staatsanwaltliche Ermittlungen auslösen können.

Der „ungerechtfertigte Vorteil“ wird zudem bezogen auf die Ausübung politischer Mandate und Funktionen, die im Einklang mit den für die Rechtstellung des Mandatsträgers maßgeblichen Regeln stehen, ausgeschlossen. Auch das Merkmal der „Gegenleistung“ schränkt die Strafbarkeit ein, indem eine „qualifizierte Unrechtsvereinbarung“ zwischen dem Mandatsträger und dem Vorteilsgewährenden erforderlich ist. Über die UN-Konvention hinaus geht die Anforderung „eine Handlung im Auftrag und auf Weisung“ vorzunehmen. Diese setzt eine enge Kausalbeziehung zwischen der Vorteilsgewährung und der zu erbringenden Leistung voraus. Erforderlich ist demgemäß eine Handlung des Mandatsträgers quasi gegen seine eigene Überzeugung.

Besonderheiten auf kommunaler Ebene

Der Gesetzentwurf war den kommunalen Spitzenverbänden wie auch anderen Interessierten mit einer Frist zur Stellungnahme von lediglich 2 ½ Werktagen übermittelt worden. Eine breite und der hohen kommunalen Betroffenheit angemessene Beteiligung war auf diese Weise nicht zu gewährleisten. Kernargument für eine Geltung auch für kommunale Mandatsträger war neben der bisherigen Einbeziehung der Kommunen in die bestehende Regelung des § 108e StGB vor allem die Gefahr, ansonsten gegenüber Landtagen und Bundestag hinsichtlich der demokratischen Legitimation in eine angreifbare Rolle zu geraten bzw. sich stärker dem Vorwurf möglicher korruptiver Handlungsweisen ausgesetzt zu sehen. Andere Einschätzungen sahen Probleme durch die Möglichkeit der politischen Instrumentalisierung im kommunalen Alltagsgeschäft, hinsichtlich der Praktikabilität und Nachweisschwierigkeiten, ob eine enge Kausalbeziehung zwischen einer möglichen Zahlung und Gegenleistung tatsächlich stattgefunden habe. Zudem ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass im Kommunalbereich anders als in Landtagen und im Bundestag eine engere räumliche und persönliche Verflechtung besteht und in einem höheren Maße einzelfallbezogene Entscheidungen getroffen werden, die ggfs. leichter beeinflussbar erscheinen.

Unterrichtung der Mandatsträger

Nachdem die Regelung dessen ungeachtet seitens des Bundestages wie des Bundesrates beschlossen worden ist, kommt es nunmehr darauf an, wie mit dieser Regelung in den Kommunen umzugehen ist. Der Zeitpunkt bis zum Inkrafttreten am 01. 09. 2014 dürfte für die Verabschiedung kommunaler Ehrenordnungen oder Verhaltenskodizes nicht ausreichen. Er bietet dennoch denjenigen, die dies vor Ort für sinnvoll halten, die Möglichkeit, dass noch im Jahr 2014 entsprechende Regelungen getroffen werden, um die praktische Anwendbarkeit ggf. zu verbessern.

Der Bundestag und einzelne Landtage beabsichtigen, auch vor dem Hintergrund dieser Neuregelung des Strafgesetzbuchs ihre Verhaltensregeln zu überarbeiten. Darüber hinaus bestehen auf kommunaler Ebene regelmäßig bereits Richtlinien über die Aufwandserstattung sowie sonstige Verhaltensregeln.

In jedem Fall sollte die Zeit bis Anfang September genutzt werden, um die Ehrenamtler in den kommunalen Vertretungskörperschaften auf diese Verschärfung des Strafrechts aufmerksam zu machen und entsprechend zu sensibilisieren. Dabei kann berücksichtigt werden, dass die kommunale Ebene bereits über breite Anwendungserfahrungen mit Ausschließungsgründen bei Interessenkollisionen verfügt. Derartige Regelungen bestehen auf Ebene der Landtage und des Bundestages nicht.

Als förderlich in Bezug auf die Sensibilisierung der kommunalen Gebietskörperschaften dürfte es sich erweisen, dass nach den Kommunalwahlen in zehn Bundesländern im März und Mai dieses Jahres ohnehin flächendeckend eine Unterrichtung der neuen wie alten Mandatsträger über ihre rechtlichen Rahmenbedingungen ansteht.

Ausblick

Ob sich die Erweiterung sowohl der einbezogenen kommunalen Mandatsträger wie auch der Breite der erfassten Tathandlungen als praxistauglich erweisen wird, bleibt abzuwarten. Eine spätere Einführung für die zahlenmäßig weit mehr betroffenen Kommunen und eine Begrenzung zunächst auf Bundestag und Landtage, wie sie zwischenzeitlich vorgeschlagen worden war, hätte sich möglicherweise als zweckdienlicher erwiesen.

Dies schließt nicht aus, dass der Bundestag oder die Bundesregierung in spätestens drei Jahren eine Evaluation der Regelung vornimmt, um gerade auch die Auswirkungen im kommunalen Bereich zu überprüfen.

Dr. Kay Ruge

Dr. Kay Ruge

Beigeordneter, Deutscher Landkreistag, Berlin
n/a