15.06.2014

Das neue Fahreignungsregister

"Fair" oder nur "FAER" – Was bringt das neue Punktsystem?

Das neue Fahreignungsregister

"Fair" oder nur "FAER" – Was bringt das neue Punktsystem?

Punkte-Tacho: von grün bis schwarz. | © Bundesministerium für Verkehr u
Punkte-Tacho: von grün bis schwarz. | © Bundesministerium für Verkehr u

Normalerweise ist jeder froh, wenn sein Kontostand eine beträchtliche Höhe aufweist. Das gilt aber nicht für das Punktekonto in der vom Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg seit 1974 geführten „Verkehrssünder-Kartei“. Nach nun 40 Jahren scheint aber das bisherige „Mehrfachtäter-Punktsystem“ in seiner bisherigen Form ausgedient zu haben. Am 01. 05. 2014 trat mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (BGBl. I, 3313; VkBl. 2013, 1102) und der Neunten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BGBl. I, 3920; VkBl. 2013, 1162) eine grundlegende Reform des Punktsystems in Kraft.

Ziele der Reform sind ein „Mehr“ an Verkehrssicherheit und eine erhöhte Transparenz für die Betroffenen. Bereits die neuen Begriffe „Fahreignungsregister (FAER)“ statt „Verkehrszentralregister (VZR“) und „Fahreignungs-Bewertungssystem“ statt „Mehrfachtäter-Punktsystem“ sollen nach der Gesetzesbegründung (VkBl. 2013, 1117) die Aufgabenstellung des Systems, ungeeignete Kraftfahrer zu identifizieren, sie zu warnen und „Unbelehrbare“ (Ungeeignete) nach einer bestimmten Kumulation von Verstößen durch Entziehung der Fahrerlaubnis vom Straßenverkehr auszuschließen, (nun) deutlich widerspiegeln. Was aber bringt die Änderung genau?

Gründe für das Punktsystem

Wer mit einem Pkw, einem Motorrad oder gar einem Lkw oder einem Bus am Straßenverkehr teilnimmt, lebt bekanntermaßen gefährlich und kann leicht auch zur Gefahr für andere werden. Um diese Gefahren des modernen Straßenverkehrs möglichst zu minimieren, soll eine Fahrerlaubnis nur bekommen (und auch behalten) dürfen, wer sich als geeignet und befähigt dazu erweist (§ 2 Abs. 4 Straßenverkehrsgesetz -StVG, §§ 11, 15 Fahrerlaubnisverordnung -FeV).


Die Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug zu führen, weist man in der Regel durch eine Fahrprüfung nach (§ 15 FeV), die Eignung wird – mit Ausnahme eines Gesundheitschecks bei Lkw- und Busfahrern (§ 11 Abs. 9 FeV, Anlage 5 zur FeV) – zunächst unterstellt. Die körperliche Eignung beurteilt sich nach Anlage 4 zur FeV – Eignung und bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Für die Prüfung der ebenso wichtigen charakterlichen Eignung dient das am 01. 05. 1974 – damals noch als Verwaltungsvorschrift – eingeführte Punktsystem. 9. 045. 000 Personen waren 2013 im Verkehrszentralregister registriert – davon 7. 144. 000 mit Punkten. 4.220 Personen verloren im Jahr 2012 als „fleißige Punktesammler“ ihren Führerschein (Angabe nach ADAC – das neue Punktsystem, Stand 1. Mai 2014).

Das alte System (Verkehrszentralregister- VZR)

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG a. F. hatte die Fahrerlaubnisbehörde zum Schutz vor Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern und –haltern ausgehen, die in Absatz 3 genannten Maßnahmen (Punktsystem) zu ergreifen. (Massive) Verstöße gegen Verkehrsvorschriften wurden danach zusätzlich zu Bußgeldern mit einem Punkt bis zu sieben Punkten bewertet und im Verkehrszentralregister (VZR) erfasst. Eingetragen und „bepunktet“ wurden alle Verstöße, für die eine Geldbuße von mindestens 40,- Euro festgesetzt worden war (§ 28 Abs. 3 Nr. 3, § 4 Abs. 2 Satz 1 StVG a. F.).

Erreichte der Kontostand eines Fahrerlaubnisinhabers 8 Punkte, schrieb ihn die Fahrerlaubnisbehörde an und verwarnte ihn. Gleichzeitig wies sie ihn darauf hin, dass er an einem Aufbauseminar teilnehmen kann, was zu einer Punktegutschrift von vier Punkten (bei einem Punktestand von insgesamt 8 Punkten) bzw. 2 Punkten (bei einem Punktestand von mehr als 8 Punkten) führte. Hatte das Konto einen Stand von 14 Punkten, ordnete die Führerscheinstelle die Teilnahme am Seminar verbindlich an, wenn der Betroffene nicht innerhalb der letzten 5 Jahre schon auf einem solchen Seminar war. Punktegutschrift gab es dann aber keine mehr. Der Führerscheininhaber hatte jedoch die Möglichkeit, an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Das wurde mit einem Bonus von 2 Punkten honoriert. Wies das Konto 18 Punkte auf, war der Verkehrssünder seinen Lappen los: nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 StVG a. F. galt er als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Führerscheinstelle hatte ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Den Führerschein bekam der Verkehrssünder dann gem. § 4 Abs. 10 StVG a. F. (und n. F.) frühestens nach Ablauf einer Sperrfrist von 6 Monaten wieder und auch nur, wenn seine Fahreignung durch ein Gutachten festgestellt worden ist.

Für das Register galt eine 2-jährige Tilgungsfrist für Ordnungswidrigkeiten, nach 5 Jahren wurden alle Entscheidungen wegen einer Straftat mit Ausnahme von Alkohol- oder Drogendelikten (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a, § 316, § 323a StGB), alle übrigen Fälle nach 10 Jahren getilgt. Bei den „Alkoholstraftaten“ lag der Grund dafür in der besonders hohen und lang andauernden Rückfallwahrscheinlichkeit bei Alkoholtätern. Schwer handhabbar war die Regelung des § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG a. F. über die Tilgungshemmung: Enthielt das VZR mehrere Eintragungen, so war die Tilgung einer bestimmten Eintragung erst zulässig, wenn die Voraussetzungen für eine Tilgung auch bei allen anderen Eintragungen vorlagen. Die Vorschrift enthielt also den Grundsatz, dass die Begehung neuer Verkehrsverstöße die Tilgung bisheriger Eintragungen hemmt.

Wurde die Fahrerlaubnis entzogen, wurden die bis dahin angefallenen Punkte alle gelöscht (§ 4 Abs. 2 Satz 3 StVG). Wurde dann dem Verkehrssünder der Führerschein neu erteilt, begann er mit einem leeren Punktekonto.

Gründe für die Reform

Diese Regelungen waren selbst von Experten kaum mehr durchschaubar und wurden zunehmend als intransparent und unverhältnismäßig angesehen. Besonders im Mittelpunkt der Kritik standen:

die unübersichtlichen Hemmungsregelungen, die dazu geführt hatten, dass die Ermittlung der Tilgungsfristen für das KBA, die Behörden und die Gerichte schwer handhabbar und die Konsequenzen für die Betroffenen kaum absehbar geworden waren,

die unterschiedlichen Regelungen zum Beginn der Tilgungsfristen je nach Art der Zuwiderhandlung, dass nicht die Art der Ordnungswidrigkeit und die Bedeutung des Verstoßes für die Verkehrssicherheit für den Eintrag in das VZR maßgebend waren, sondern nur die Höhe des verhängten Bußgeldes.

Notwendig schien deshalb eine Rückbesinnung auf die eigentliche Aufgabe des Punktsystems: Die Verbesserung der Verkehrssicherheit durch Ermahnung und Warnung und – im äußersten Falle – auch durch das „Aus-dem-Verkehr-Ziehen“ tatsächlich unbelehrbarer Wiederholungstäter. In der Vergangenheit war das System auch dazu genutzt worden, ganz allgemein die Abschreckung vor unterschiedlichen Verstößen zu erhöhen (VkBl. 2013, 1116). Die Gesetzesvorlage für ein moderneres „Fahreignungs-Bewertungssystem“ (FAER) kam noch von Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer, der das neue System mit einem „Punkte-Tacho in Ampelform“ verglich, der dem Delinquenten den erreichten Bedrohungsstand deutlich vor Augen führen soll.

Punkte-Tacho: Von grün bis schwarz

Vier Stufen sieht dieser Tacho vor: Im „grünen Bereich“ bewegt sich, wer 1 bis 3 Punkte hat. Er bekommt lediglich eine Vormerkung im Fahreignungsregister, ohne dass ihm weitere Konsequenzen drohen. Wer in den „gelben Bereich“ (4 und 5 Punkte) vorstößt, bekommt eine Ermahnung mit dem Hinweis, dass die Möglichkeit besteht, (freiwillig) ein Fahreignungsseminar zu besuchen. Mit der Teilnahme an diesem Seminar, das das alte Aufbauseminar ablöst, aus einem verkehrspädagogischen und einem verkehrspsychologischen Teil besteht und rund 400 Euro kosten soll, kann der Verkehrssünder einen Punkt tilgen – aber nur einmal innerhalb von fünf Jahren.

Gefährlich rot wird es bei 6 und 7 Punkten: Dann ergeht eine Verwarnung. Der freiwillige Besuch eines Fahreignungsseminars dient nur mehr der eigenen Bewusstseinsbildung, Punkte können damit nicht mehr getilgt werden. „Schwarz“ sieht der Betroffene nun schon bei 8 – statt wie bisher 18 – Punkten. Dann ist die Fahrerlaubnis weg.

All diese Stufen sind zwingend zu durchlaufen. Erreicht beispielsweise jemand einen Stand von 6 oder 8 Punkten, ohne vorher ermahnt worden zu sein, verringert sich sein Konto auf 5 Punkte. Erreicht oder überschreitet er 8 Punkte, ohne vorher verwarnt worden zu sein, reduziert sich der Punktestand auf 7 Punkte.

Ist die Fahrerlaubnis erst einmal weg, ist der Betroffene für sechs Monate gesperrt. Erst wenn er nach dieser Zeit ein positives Fahreignungsgutachten vorlegen kann, bekommt er seine Fahrerlaubnis zurück. Erst dann – und nicht wie bisher schon bei der Entziehung – werden die Punkte im Register gelöscht (§ 4 Abs. 3 StVG n.F.).

Stärkerer Bezug zur Verkehrssicherheit

Nach dem neuen System soll es keine Eintragungen mehr geben für Verstöße, die keinen unmittelbaren Bezug zur Verkehrssicherheit haben. Mit 40 Euro und einem Punkt bedroht war vor der Reform etwa die Einfahrt in eine Umweltzone ohne entsprechende Plakette. Punkte brachten auch Straftaten ein wie Beleidigung oder Urkundefälschung im Straßenverkehr.

Seit dem 01. 05. 2014 müssen nun zwei Voraussetzungen vorliegen, damit es zu einer Eintragung ins Fahreignungs-Register kommt:

Zum einen muss die Geldbuße die neue Eintragungsgrenze von 60 Euro erreichen, zum anderen muss es sich um eine Ordnungswidrigkeit handeln, die in der Anlage 13 zur FeV aufgelistet ist. Auch für Straftaten genügt es nicht mehr, dass sie bloß im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs stehen; sie müssen vielmehr auch in die Anlage zur FeV aufgenommen worden sein und geeignet sein, direkt die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen.

Die Bewertung mit bis zu 7 Punkten wurde fallen gelassen, da wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, dass nicht die Anzahl der Punkte, sondern die Anzahl der Verstöße das Risiko eines Verkehrsauffälligen für die Verkehrssicherheit widerspiegelt. Für schwere Verkehrsverstöße wie Geschwindigkeitsüberschreitungen um mehr als 25 km/h innerorts oder mehr als 30 km/h außerorts gibt es nun nach Nr. 3.2 der Anlage 13 zur FeV 1 Punkt (statt wie bisher 1 bis 4), für „besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeiten“ wie Alkoholverstöße fallen 2 (statt 3 bis 4) Punkte an und für Straftaten wie fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) oder Nötigung (§ 240 StGB) 3 Punkte.

Komplett gestrichen wurde die alte Regelung zur Tilgungshemmung. Die Tilgung jeder Eintragung erfolgt nun streng nach Ablauf der für sie jeweils geltenden Frist, auch wenn zwischenzeitlich ein weiterer Verkehrsverstoß begangen wurde. Diese Frist wird nun allerdings für Ordnungswidrigkeiten, die mit 2 Punkten bewertet werden, von zwei auf fünf Jahre erhöht (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b StVG n.F.).

Insgesamt ergeben sich folgende Tilgungsfristen (nach: BMVI-Neues Fahreignungsregister).

Die Eintragungen erfolgen nun auch generell nach dem „Tattagprinzip“ (BVerwG, Urt. v. 25. 09. 2008 – 3 C 3/07), d. h. für das Entstehen der Punkte wird darauf abgestellt, wann die Tat begangen worden ist.

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Was geschieht mit den alten Punkten?

Zur Überführung in das neue System müssen die vorhandenen Punktestände umgerechnet werden. Punkte für Delikte, die nach neuem Recht nicht eingetragen würden, werden komplett gelöscht (§ 65 Abs. 3 StVG n.F.). Punkte für Verkehrsverstöße, die auch nach der Reform noch bleiben, werden nach folgendem Schema „umgerechnet“:

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Ist der Führerschein nun schneller weg?

Teilweise wird befürchtet, dass gerade Vielfahrer nun recht schnell ihren „Lappen“ los sein werden. Das Bundesverkehrsministerium dagegen erwartet nur für die Anzahl der zu ergreifenden Maßnahmen der ersten Stufe (Ermahnung) einen (gewissen) Anstieg und für die der zweiten Stufe (Verwarnung) eine deutliche Steigerung (VkBl. 2013, 117). Bei den Entziehungen wird dagegen nur ein marginaler Anstieg erwartet. Diese Prognosen unterstreichen nach Ansicht des BMVI den „Erziehungscharakter des Fahreignungs-Bewertungssystems“, dessen Maßnahmen nun ausdrücklich (nur) Fahrerlaubnisinhaber betreffen, die sich erheblich über Verkehrsvorschriften hinwegsetzen (VkBl. 2013, 1117).

Billiger wird es mit der Reform jedenfalls nicht werden: Statt Punkten wird nun meist ein höheres Bußgeld fällig. Das Bundesverkehrsministerium spricht dabei von „einer kompensatorischen Anhebung des Regelsatzes“. So wurde beispielsweise das Bußgeld für das Fahren in Umweltzonen ohne entsprechende Plakette von 40 auf 80 Euro erhöht.

 

Dr. Adolf Rebler

Regierungsamtsrat, Regierung der Oberpfalz, Regensburg
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