09.01.2017

Kein Spaß mit »Malta-Masche«

Kommunale Mitarbeiter werden zur Zielscheibe der Reichsbürger

Kein Spaß mit »Malta-Masche«

Kommunale Mitarbeiter werden zur Zielscheibe der Reichsbürger

Kein Spaß mit »Malta-Masche«
Kommunale Mitarbeiter werden zunehmend mit horrenden Fantasieforderungen von Reichsbürgern konfrontiert. | © Mathias Richter - Fotolia

Eine durch die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft im August und September 2016 durchgeführte Umfrage ergab, dass Gemeinden immer stärker in das Visier sogenannter Reichsbürger geraten. Nahezu alle Kommunen (98%), die sich an der Umfrage beteiligten, hatten bereits Kontakt mit ihnen. Bei mehr als zwei Dritteln der 54 teilnehmenden Kreise und Städte kam es schon mehr als zehn Mal zu Auseinandersetzungen mit Reichsbürgern. In drei Vierteln dieser Fälle sandten Reichsbürger Schreiben an kommunale Mitarbeiter, in denen sie Schadensersatz oder Strafzahlungen verlangten. Eine möglicherweise durch die Reichsbürger drohende Rechtsdurchsetzung unter Inanspruchnahme des maltesischen Rechtssystems ist unter dem Begriff der »Malta-Masche« bekannt geworden. Gleichwohl ist die Malta-Masche über 40% der Kommunen kein Begriff. Zudem fühlt sich fast die Hälfte der Kommunen gar nicht oder eher nicht auf den Umgang mit Reichsbürgern und deren Geltendmachung von Fantasieforderungen vorbereitet.

 

Hatte Ihre Stadt/Ihr Kreis schon einmal Kontakt mit sog. »Reichsbürgern«? Wenn ja, wie oft?

 

Ist Ihre Stadt/Ihr Kreis nach Ihrer Einschätzung auf den Umgang mit Reichsbürgern und von diesen geltend gemachten Forderungen bzw. von diesen erwirkten ausländischen Vollstreckungstiteln vorbereitet?


 

Die Reichsbürger

Das öffentliche Interesse an Reichsbürgern ist in den letzten Monaten stark angestiegen. Dies liegt an sich häufenden Auseinandersetzungen der Reichsbürger mit der Staatsgewalt – seien es Fantasieforderungen an staatliche Bedienstete, Tumulte in Gerichtssälen oder gar die Schüsse auf Polizeibeamte im Rahmen einer Zwangsvollstreckung. Reichsbürger erkennen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland und daher auch alle staatlichen Hoheitsakte nicht an. Sie sehen sich selbst als Staatsangehörige des Deutschen Reichs.

Wenn kommunale Mitarbeiter nun im Rahmen ihrer Tätigkeit Hoheitsakte erlassen, werden sie immer häufiger zur Zielscheibe der Reichsbürger. Regelmäßig fordern die Reichsbürger die kommunalen Mitarbeiter etwa dazu auf, sich durch Amtsausweise zu legitimieren und die Gründungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland oder der jeweiligen Gebietskörperschaft vorzulegen. In ihren ellenlangen, oft abstrusen Schriftsätzen legen sie des Weiteren dar, dass die Bundesrepublik Deutschland in der Form einer GmbH organisiert sei und alle Bundesbürger deshalb zu deren »Personal« gehörten. Ferner enthalten die Schriftsätze vermeintliche Beweise für das Fortbestehen des deutschen Reiches.

Die Malta-Masche

Bei der Zusendung von Abhandlungen über Verschwörungstheorien, überstaatliches Recht und den Fortbestand des Deutschen Reiches bleibt es jedoch oft nicht. Da der kommunale Mitarbeiter mit dem Erlass eines Hoheitsaktes aus Sicht des Reichsbürgers rechtswidrig handelt, sieht sich der Anhänger der Reichsbürgerbewegung dazu ermächtigt, eigene Sanktionsmaßnahmen einzuleiten. Dazu sendet er dem Sachbearbeiter ein Angebot über einen Schadensersatzvertrag zu, der die eigens kreierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen einbezieht. Reagiert der Adressat auf dieses Schreiben nicht, greift eine Klausel der reichsbürgerlichen AGB, nach der der Schadensersatzvertrag stillschweigend angenommen wurde. Auf dieses Zustandekommen des Vertrags hin folgt nun eine Schadensersatz- oder Strafgeldforderung des Reichsbürgers. Die Zahlung wird unter Fristsetzung verlangt; weitere (gerichtliche) Schritte oft schon in diesem Zeitpunkt angedroht.

Ist Ihnen der Begriff der »Malta-Masche«, derer sich manche Reichsbürger zur Durchsetzung Ihrer vermeintlichen Forderungen bedienen, bekannt?

 

Unsere Umfrage hat gezeigt, dass fast die Hälfte der Mitarbeiter der Städte und Kreise auf derartige – teils horrende – Fantasieforderungen nicht reagiert. Dass ein solches Vorgehen jedoch gravierende finanzielle Folgen haben kann, wird durch die weiteren Schritte der Malta-Masche deutlich.

 

Wie haben Ihre Mitarbeiter auf die Forderungen der Reichsbürger reagiert?

 

Die fingierten Schadensersatzforderungen werden im nächsten Schritt der Malta-Masche in ein US-amerikanisches UCC-Register, das in jedem US-Bundesstaat existiert, eingetragen. Ein UCC-Register ist eine Art Pfandregister, in welches Eintragungen ohne materielle Prüfung vorgenommen werden können. Voraussetzung für eine erfolgreiche Eintragung sind allein die korrekte Angabe der Daten des vermeintlichen Gläubigers und des Schuldners nebst der Angabe, dass der Schuldner der Forderungen bisher nicht widersprochen hat.

Anschließend wird die Forderung regelmäßig an ein Inkasso-Unternehmen abgetreten. Aus Presseberichten geht hervor, dass dafür beispielweise die Pegasus International Incasso Limited gewählt wird. Diese strengt sodann eine Art beschleunigtes Verfahren vor einem maltesischen Gericht an, durch welches ein vollstreckbarer Titel gegen den kommunalen Mitarbeiter erstritten werden soll. Die kommunalen Mitarbeiter nehmen oftmals an, dass ein ausländisches Urteil, das auf einer haltlosen Forderung beruht, in Deutschland nicht vollstreckt werden könnte. Sind jedoch die maltesische Klage und das Urteil dem Beklagten nach der Europäischen Zustellungsverordnung zugestellt worden, ist eine Vollstreckung in Deutschland möglich. Denn nach der europäischen Brüssel Ia-Verordnung wird ein in einem anderen Mitgliedstaat erwirkter Titel grundsätzlich auch in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt und ist damit vollstreckbar, ohne dass es zu einer erneuten Überprüfung in der Sache kommt.

Wie können Kommunen sich und ihre Mitarbeiter schützen?

Die Abwehrmaßnahmen, die dem vermeintlichen Schuldner zur Verfügung stehen, sind vielseitig. Präventiv ist es möglich, dass Städte und Kreise ihre Mitarbeiter über die Malta-Masche aufklären, sodass diese nicht unvorbereitet auf etwaige Forderungsschreiben von Reichsbürger sind.

Hinsichtlich möglicher Eintragung in das UCC-Register kommen (je nach US-Bundesstaat) unterschiedliche Maßnahmen in Betracht. Es ist an vorbeugende wie auch an nachträgliche Maßnahmen zu denken. Wie die Bundesregierung kürzlich auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zutreffend antwortete, ist zwar das Einpflegen eines Filters in ein UCC-Register, welcher unbegründete Eintragungen von vornherein verhindert, nicht möglich (BT-Drs. 18/9978). Es kommt jedoch (je nach US-Bundesstaat) etwa die Einleitung eines sogenannten Pre-Filing Administrative Remedy in Betracht. Mithilfe dieses Verfahrens kann unter Umständen die Eintragung einer konkreten Forderung durch eine konkrete Person verhindert werden, wenn die betrügerischen Absichten des Eintragenden schlüssig dargelegt werden. Ist die Eintragung einmal erfolgt, kann im Nachgang eine Löschung des Eintrags bei der Registerbehörde beantragt oder gerichtlich durchgesetzt werden.

Sobald Reichsbürger Forderungen gegenüber kommunalen Mitarbeitern geltend machen, bedarf es einer Reaktion. So können und sollten die kommunalen Mitarbeiter die Fantasieforderungen unmittelbar und bestimmt zurückweisen. Auch das Stellen eines Strafantrages kommt in Betracht. Ein anwaltliches Schreiben mitsamt der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung kann erwogen werden. In einem weiteren Schritt kann es (je nach Einzelfall) eine Option sein, eine einstweilige Verfügung gegen den Reichsbürger zu beantragen, in der diesem bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € oder einer Ordnungshaft untersagt wird, seine Forderungen gegenüber Dritten zu behaupten.

Erlangt ein kommunaler Mitarbeiter Kenntnis von einem Vorgehen vor maltesischen Gerichten, sollte die Forderung bestritten und die prozessualen Verteidigungsmöglichkeiten genutzt werden. Dabei ist zu beachten, dass eine anwaltliche Vertretung durch einen maltesischen Anwalt notwendig und ein persönliches Erscheinen des Beklagten häufig notwendig ist. Ferner können Rechtsmittel gegen ein einmal ergangenes Urteil eingelegt werden. Sollte ein maltesischer (oder anderer ausländischer) Titel in der Welt sein, kommt ein Antrag auf Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung oder ein Antrag auf Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung in Betracht, um eine Vollstreckung in Deutschland abzuwenden.

Vorsicht ist besser als Nachsicht

Auseinandersetzungen mit Reichsbürgern und deren Beharrlichkeit und Kreativität in der Durchsetzung ihrer Fantasieforderungen sollten nicht unterschätzt werden. Die Kommunen sind nach den Ergebnissen unserer Umfrage jedoch überwiegend schlecht vorbereitet. Ein bloßes Ignorieren der reichsbürgerlichen Forderungen kann angesichts der durch die Malta-Masche drohenden Gefahren keine Option sein.

Sie finden alle Ergebnisse der Umfrage hier.

 

Dr. Stephan Bausch

D.U., Rechtsanwalt und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln
 

Simon Heetkamp

Rechtsanwalt und Associate der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln
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