23.10.2017

Es geht um die Wurst!

Streit um »Bratwurstverkauf« an der A 9 geht in die zweite Runde

Es geht um die Wurst!

Streit um »Bratwurstverkauf« an der A 9 geht in die zweite Runde

„Eine Bratwurst für den Himmel“ ist dieses Bild betitelt. Könnte ja hilfreich sein auf dem Weg zu einem Happy End! | © damato - stock.adobe.com
„Eine Bratwurst für den Himmel“ ist dieses Bild betitelt. Könnte ja hilfreich sein auf dem Weg zu einem Happy End! | © damato - stock.adobe.com

Ein kurioser Rechtsstreit beschäftigt Medien, Gerichte, das Landesamt für Bau und Verkehr in Thüringen sowie das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Hintergrund dieses Rechtsstreits ist der inzwischen allseits bekannte »Bratwurstverkauf über den Zaun« neben der A 9 in Richtung Berlin – Nürnberg am Parkplatz »Rodaborn«.

Hintergrund

Die ehemalige und Deutschlands erste Autobahnraststätte »Rodaborn« wurde im Jahre 1928 ursprünglich als »Walderholungsheim« eröffnet, im Zuge der Errichtung der Reichsautobahn zwischen Eisenberg und Schleiz zur Autobahnraststätte umgebaut und im Jahr 1936 in Betrieb genommen. Die Raststätte »Rodaborn« wurde als solche bis 2004 von der Tank & Rast GmbH betrieben. Infolge des Ausbaus der A 9 wurde die Raststätte »Rodaborn« geschlossen und der für den Betrieb der Raststätte erforderliche Konzessionsvertrag mit der Tank & Rast GmbH gekündigt. Zwischen der ehemaligen Autobahnraststätte »Rodaborn« und dem im Zuge des Autobahnausbaus angelegten Parkplatz mit WC (»Rodaborn-West«) wurde ein Metallgitterzaun errichtet, welcher zwar eine Tür zur ehemaligen Raststätte vom Parkplatz aus enthält, aber vom Landesamt für Bau und Verkehr Thüringen dauerhaft verschlossen gehalten wird. Nach eigener Aussage des Landesamts für Bau und Verkehr Thüringen diene der errichtete Metallgitterzaun neben der Verkehrssicherheit unter anderem auch der Abschreckung von Wildtieren wie Rehen und Hirschen. Das ehemalige Raststättengebäude befand sich bis Mai 2009 im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

Auslöser des Rechtsstreits

Die jetzige Eigentümerin erwarb das Grundstück mit der ehemaligen Raststätte »Rodaborn« im Mai 2009. In der Verkaufsbeschreibung wurde zwar darauf hingewiesen, dass eine Konzession für den Betrieb der ehemaligen Raststätte »Rodaborn« als Raststätte an einer Bundesautobahn nach dem Fernstraßengesetz (FStrG) nicht wieder erteilt werde. Doch enthielt die Verkaufsbeschreibung den Zusatz, dass eine Fußgängerbrücke vom neuen Parkplatz »Rodaborn-West« zum ehemaligen Raststättengebäude geschaffen wird. Eine solche Fußgängerbrücke ist bis heute nicht errichtet worden. Deshalb ergriff die Eigentümerin die Initiative und fing an, ihre Thüringer Bratwürste erst durch, inzwischen über den Metallgitterzaun zu verkaufen. Diese Verkaufspraxis wurde vom Landesamt für Bau und Verkehr Thüringen jahrelang geduldet und öffentlich bekundet.


Die Untersagungsverfügung

Die Ausführung des FStrG unterliegt als Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 1 GG den Ländern. Deshalb wies das Bundesamt für Verkehr und digitale Infrastruktur das Landesamt für Bau und Verkehr Thüringen im Mai 2012 an, den Bratwurstverkauf über den Zaun zu beenden. Das Bundesamt für Verkehr und digitale Infrastruktur vertritt dabei die Auffassung, dass der praktizierte Bratwurstverkauf über den Zaun eine Konkurrenztätigkeit zur Tank & Rast GmbH darstelle, weil sich das Bundesamt für Verkehr und digitale Infrastruktur vertraglich gegenüber der Tank & Rast GmbH verpflichtet habe, jegliche Konkurrenztätigkeit auf dem ehemaligen Raststättengelände zu unterbinden. Trotz dieser Weisung des Bundesamts für Verkehr und digitale Infrastruktur versuchte das Landesamt für Bau und Verkehr wiederholt und vergeblich darzulegen, weshalb es sich bei dem Bratwurstverkauf um keine Konkurrenztätigkeit und damit um keine vertragliche Verletzung seitens des Bundesamts für Verkehr und digitale Infrastruktur handle. Letztendlich wurde mit Schreiben vom 23.10.2013 eine Untersagungsverfügung dahingehend ausgesprochen, dass der Verkauf von Waren vom Grundstück der Eigentümerin an die Verkehrsteilnehmer der A 9 über den Zaun des Parkplatzes ab dem 10.11.2013 zu unterlassen sei. Zugleich wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2 000,00 € angedroht. Gegen die Untersagungsverfügung erhob die Grundstückseigentümerin Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2014 zurückgewiesen wurde.

Das Klageverfahren 1. Instanz vor dem VG Gera

Am 30.05.2014 erhob die Grundstückseigentümerin Klage vor dem VG Gera und beantragte, den Bescheid und den Widerspruchsbescheid des Landesamts für Bau und Verkehr Thüringen aufzuheben. Nach einer Beweisaufnahme vor Ort und einer sich daran anschließenden etwas ungewöhnlichen mündlichen Verhandlung wies das VG Gera die Klage der Grundstückseigentümerin am 03.05.2016 als unbegründet zurück (VG Gera, Urt. v. 03.05.2016 – 3 K 649/14 G). Im Wesentlichen stützte das VG Gera die Entscheidung darauf, dass der von der Grundstückseigentümerin praktizierte Bratwurstverkauf über den Zaun eine erlaubnispflichtige Sondernutzung nach § 8 Abs. 1 FStrG darstelle, ein Antrag auf Erteilung einer solchen Sondernutzung aber zu keiner Zeit gestellt wurde.

Das Zulassungsverfahren vor dem OVG Weimar

Um die Bestandskraft der Untersagungsverfügung weiter hinauszuschieben, wurde parallel zum Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ein Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem OVG Weimar gestellt. Dieser Antrag wurde – wie erwartet – mit Beschluss vom 22.05.2017 (ThürOVG, Beschl. v. 22.05.2017 – 1 ZKO 468/16) abgelehnt.

Der Antrag auf Sondernutzungserlaubnis

Mit Schreiben vom 28.06.2016 wurde ein Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 8 Abs. 1 FStrG gestellt, welcher mit Bescheid vom 09.11.2016 abgelehnt wurde. Der dagegen gerichtete Widerspruch wurde – erwartungsgemäß – mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2017 zurückgewiesen. Hiergegen wurde unter dem 03.07.2017 Verpflichtungsklage vor dem VG Gera erhoben. Der Streit um den »Bratwurstverkauf über den Zaun« geht also in die zweite Runde.

Rechtliche Einordnung

Eine erlaubnispflichtige Sondernutzung nach § 8 Abs. 1 FStrG wird nur deshalb angenommen, weil die Abwicklung des Verkaufsgeschäfts bei einem Verkauf über den Zaun auf dem Parkplatz, mithin auf einer Nebenanlage zur Bundesautobahn, stattfindet. Würde man allerdings der Grundstückseigentümerin gestatten, die vorhandene Türe im Metallgitterzaun zu öffnen und ihr zugleich auferlegen, dafür zu sorgen, dass die Türe nach jedem Kunden ordnungsgemäß geschlossen und nach Ende ihrer Verkaufstätigkeit verschlossen wird, würde die gesamte Abwicklung des Verkaufsgeschäfts auf dem Grundstück der Grundstückseigentümerin stattfinden. Somit würde eine erlaubnispflichtige Sondernutzung der Nebenanlage der Bundesautobahn überhaupt nicht vorliegen. Durch eine Schließung der Türe im Metallgitterzaun nach jedem Benutzen durch die Kunden bestünde auch keine Gefahr, dass sich scheue Wildtiere auf der Autobahn verirren und ein Gefahrpotenzial für die Verkehrsteilnehmer bilden.

Das Landesamt für Bau und Verkehr Thüringen stellt sich allerdings auf den Standpunkt, dass ein Versorgungsbedürfnis der Verkehrsteilnehmer auf dem Parkplatz überhaupt nicht bestünde, weil der Parkplatz nur zum kurzweiligen Aufenthalt mit der Möglichkeit des Verzehrs eigener Speisen und Getränke gedacht sei. Wo jedoch der Unterschied zwischen einer »Bratwurstsemmel auf die Hand« und dem mitgebrachten Wurstbrot liegen soll, ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen stellt der Verkauf der Bratwürste über den Zaun oder auf dem Grundstück der Grundstückseigentümerin auch keine Konkurrenztätigkeit zur Tank & Rast GmbH dar. Der erzielte Umsatz aus dem Verkauf ist im Vergleich zum Umsatz der Tank & Rast GmbH marginal. Der Bratwurststand hat, wenn das witterungsbedingt möglich ist, in der Zeit von März bis ca. Oktober geöffnet. Die Öffnungszeiten beschränken sich auf wenige Stunden am Tag. Eine Vertragsverletzung ist – wenn eine solche überhaupt durch die Verkaufstätigkeit der Grundstückseigentümerin begründet werden kann – nicht gegeben.

Aber auch die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis unter entsprechenden Auflagen ist vorliegend möglich. Das Argument, der Verkauf könnte zur einer Gefährdung der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs führen, ist unter Betrachtung der tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort nicht gegeben.

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, wie das VG Gera nunmehr über die Verpflichtungsklage auf Aufhebung des Ablehnungs- und Widerspruchsbescheids und der Verpflichtung des Beklagten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung urteilen wird. Nach erfolgter Klagebegründung steht die Klageerwiderung des Landesamts für Bau und Verkehr aus. Es wird dauern.

 

Dr. Sonja Sojka

Rechtsanwältin, Dipl. Finanzwirtin (FH), Nürnberg
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