15.11.2013

Die Kommunen haben Ihre Aufgaben gemacht

Im Blickpunkt: Zwei Gerichtsentscheidungen zum Kita-Anspruch

Die Kommunen haben Ihre Aufgaben gemacht

Im Blickpunkt: Zwei Gerichtsentscheidungen zum Kita-Anspruch

Den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz können die Kommunen weitestgehend erfüllen. | © ioStephy.it - Fotolia
Den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz können die Kommunen weitestgehend erfüllen. | © ioStephy.it - Fotolia

Städte und Gemeinden haben mit erheblichen eigenen Anstrengungen und mit finanzieller Unterstützung durch Bund und Länder die Angebote frühkindlicher Bildung mit großem Erfolg ausgebaut. Aktuell sind die meisten Kinder, für die Eltern Betreuung suchen, mit Angeboten versorgt. Trotz der großen Erfolge ist der Ausbau der U3-Plätze noch nicht abgeschlossen. Vor allem viele Ballungsräume und Großstädte stehen auf Grund der regional hohen Nachfrage noch vor großen Anstrengungen, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. Eine Klagewelle, wie noch vor gut einem Jahr zu befürchten war, ist ausgeblieben. Während zahlreiche Anwälte und Kanzleien bereits im Vorfeld ein neues Betätigungsfeld für sich entdeckt zu haben scheinen, haben die Städte und Gemeinden den Ausbau konsequent weitergeführt und mit den betroffenen Eltern nach Lösungen für die zu betreuenden Kinder gesucht.

Gleichwohl haben in den vergangenen Wochen bundesweit zwei gerichtliche Entscheidungen für große Aufmerksamkeit gesorgt.

1. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. 09. 2013 – Kommune konnte Anspruch auf einen Kindergartenplatz nicht erfüllen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 12. 09. 2013 entschieden (Az. 5 C 35.12), dass ein Kind, dessen Rechtsanspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes nicht erfüllt wird, unter ganz bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch darauf hat, dass die Aufwendungen der Eltern für seine Unterbringung in einer privaten Kindertagesstätte ersetzt werden.


Im konkreten Streitfall ging es um den Ersatz der Aufwendungen, die durch die Unterbringung der damals zweijährigen Tochter der Klägerin in der Kinderkrippe einer privaten Elterninitiative von April bis Oktober 2011 entstanden sind. Die Eltern ließen die Tochter dort betreuen, weil die beklagte Stadt Mainz während dieser Zeit keinen Krippenplatz zur Verfügung stellen konnte. Das in diesem Fall anwendbare Kindertagesstättengesetz Rheinland-Pfalz sieht vor, dass Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten haben. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die in dem genannten Zeitraum entstandenen Aufwendungen für die private Kinderkrippe in Höhe von etwa 2.200 Euro zu erstatten. Dieses Urteil hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis bestätigt. Die Beklagte habe den nach Landesrecht bestehenden und von der Mutter rechtzeitig geltend gemachten Anspruch auf einen Kindergartenplatz nicht erfüllt. Deshalb müsse sie die Kosten des selbst beschafften Ersatzplatzes in einer privaten Kinderkrippe übernehmen.

Aufwendungsersatz für bestimmte Ansprüche auf Jugendhilfeleistungen

Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten hat das BVerwG jetzt zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz habe mit Urteil vom 25. 10. 2012 (Az. 7 A 10671/12) ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass im Fall der Nichterfüllung des landesrechtlichen Anspruchs auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für einen selbstbeschafften Platz besteht.

Enge Voraussetzungen beim Aufwendungsersatz

Der Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen setzt allerdings voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Bedarf rechtzeitig in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorgelegen haben und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub duldet.

Die Entscheidung des BVerwG betrifft zwar in erster Linie einen landesspezifischen Fall in Rheinland-Pfalz, wo das dortige Kindertagesstättengesetz bereits seit dem 01. 08. 2010 für Kinder ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz vorsieht. Allerdings entsprechen die rechtlichen Grundlagen dem ab 01. 08. 2013 bundesweit geltenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, so dass diese Entscheidung durchaus eine bundespolitische Signalwirkung enthält. Das Urteil setzt allerdings der Selbstbeschaffung von Leistungen enge Grenzen. Zwingende Voraussetzung für eine Kostenerstattung muss eine vorherige Geltendmachung des Betreuungsanspruchs gegenüber dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sein, denn die vorrangige Inanspruchnahme zumutbaren Primärrechtsschutzes ist ein allgemeines staatshaftungsrechtliches Dogma. D. h. die Inanspruchnahme eines Platzes bzw. der Bedarf muss frühzeitig angemeldet werden; Landesrecht kann hier, wie in einigen Bundesländer bereits praktiziert, Fristen setzen. Auch muss nachgewiesen werden, dass die Bedarfsdeckung dringend erforderlich ist.

2. Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. 08. 2013 – Kein Wahlrecht auf konkret geforderten Betreuungsplatz

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat mit seiner Eilentscheidung vom 14. 08. 2013 (Az. 12 B 793/13) den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. 07. 2013 (Az. 19 L 864/13) abgeändert und anhand der aktuellen Rechtslage teilweise grundlegende Aussagen zum Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz getroffen.

So hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts entschieden, dass Eltern eines unter drei Jahre alten Kindes auf eine Tagesmutter verwiesen werden können, und damit der Beschwerde der Stadt Köln gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. 07. 2013 stattgegeben. Der Senat hat darüber hinaus hingewiesen, dass bei der abschließenden Prüfung, ob die U3-Betreuung in zumutbarer Entfernung zur Wohnung des Kindes liegt, eine pauschalierende Regelbeurteilung allein nicht ausreicht, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden müssen.

Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Stadt Köln verpflichtet, dem unter drei Jahre alten Antragsteller entsprechend dem Wunsch seiner Eltern vorläufig einen Platz in einer der in der Nähe der elterlichen Wohnung gelegenen Kindertagesstätten zuzuweisen. Der ab dem 1. August 2013 bestehende Rechtsanspruch des Antragstellers auf U3-Betreuung sei weder dadurch erfüllt, dass die Stadt Köln ihm einen Platz in einer 5,8 km von seiner Wohnung entfernt gelegenen Kindertagesstätte zugewiesen habe, noch dadurch, dass ihm ein Platz bei einer wohnortnahen Tagesmutter angeboten worden sei.

Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege sind gleichwertige Arten der frühkindlichen Förderung – Grenzen beim Wunsch und Wahlrecht

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und zur Begründung u. a. ausgeführt, dass Eltern eines unter drei Jahre alten Kindes zwar grundsätzlich zwischen den gleich geeigneten und gleichwertigen Arten der frühkindlichen Förderung in einer Kindertagesstätte und bei einer Tagesmutter wählen können. Dem Wunsch der Eltern müsse allerdings nicht entsprochen werden, wenn in der gewünschten Betreuungsform kein Platz mehr vorhanden sei. Stehe ein freier Platz nur bei einer Tagesmutter und nicht in der von den Eltern gewünschten Kindertagesstätte zur Verfügung, erfülle der Träger der Jugendhilfe den Rechtsanspruch auf U3-Betreuung mit dem Angebot dieses freien Platzes. Ein Anspruch auf Kapazitätserweiterung bestehe nicht.

Zumutbarkeit möglicher Entfernung

Das Oberverwaltungsgericht konnte offenlassen, ob die Einschätzung des Verwaltungsgerichts zutrifft, in Ballungsräumen sei eine über fünf Kilometer von der Wohnung des Kindes entfernt gelegene Kindertagesstätte nicht mehr als wohnortnah zu qualifizieren. Er hat allerdings darauf hingewiesen, dass bei der abschließenden Prüfung, ob die U3-Betreuung in zumutbarer Entfernung zur Wohnung des Kindes liegt, eine pauschalierende Regelbeurteilung allein nicht ausreicht, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden müssen.

Das Oberverwaltungsgericht hat damit völlig zutreffend die Gleichwertigkeit der Betreuung in einer Krippe und bei einer Tagesmutter unterstrichen. Die Städte und Gemeinden nehmen die Wahlfreiheit der Eltern bezüglich der Betreuungsform für ihr Kind sehr ernst; allerdings ist es vor dem Hintergrund des seit 01. 08. 2013 bestehenden Rechtsanspruchs nicht immer möglich, diesen Wünschen zu entsprechen. Des Weiteren begrüßen die Städte und Gemeinden, dass das Oberverwaltungsgericht auch klarstellt, dass bei der abschließenden Prüfung, ob die U3-Betreuung in zumutbarer Entfernung zur Wohnung des Kindes liegt, eine pauschalierende Regelbeurteilung allein nicht ausreicht, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden müssen.

 

Ursula Krickl

Deutscher Städte- und Gemeindebund, Referatsleiterin für Soziales, Jugend und Gesundheit, stellvertretende Pressesprecherin, Berlin
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