Das neue polizeiliche Kostenrecht in NRW
Chronologischer Überblick und Verfassungsmäßigkeit
Das neue polizeiliche Kostenrecht in NRW
Chronologischer Überblick und Verfassungsmäßigkeit

Die Rechtsgrundlagen zur Erhebung von Kosten für polizeiliche Maßnahmen sind in NRW Ende 2023 grundlegend geändert worden. Da es sich insoweit um Rechtsfragen handelt, die nicht nur praktisch und für das Examen von hoher Bedeutung sind, sondern die auch Grundfragen hinsichtlich der (Kosten der) öffentlichen Sicherheit betreffen, sollen die Änderungen in diesem Beitrag, der im nächsten Heft fortgesetzt wird, dargestellt werden. Hierzu soll im ersten Teil zunächst der chronologische Verlauf der Änderungen geschildert und die Frage der Verfassungsmäßigkeit der nunmehrigen Rechtslage betrachtet werden. Im zweiten Teil liegt der Fokus sodann auf der Darstellung der geänderten Rechtslage. Dort soll insbesondere aufgezeigt werden, welche Anforderungen nach neuem Recht an die Kostenerhebung bestehen und der Rechtsschutz nach neuer Rechtslage erörtert werden.
I. Der stete Streit um die Kostenerhebung für Polizeieinsätze
Nicht nur bei den Debatten um den Wehretat des Bundes wird oft betont: „Sicherheit hat ihren Preis.“1 Die Aussage provoziert dabei unmittelbar eine Folgefrage, die nicht erst Jupp Schmitz und Kurt Feltz treffend beschrieben – „Wer soll das bezahlen?“. Diese Frage wurde und wird insbesondere mit Blick auf die Kosten für polizeiliche Maßnahmen zu immer neuen Anlässen kontrovers diskutiert; besondere Aufmerksamkeit erlangte sie zuletzt bspw. bezüglich Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen2 und auch bei Blockadeaktionen der „Letzten Generation“3. Gestritten wird darum, inwieweit derjenige, der einen Polizeieinsatz „verursacht“, für die Kosten aufkommen muss.4
Hierzu wird überwiegend ein vorrangiger Grundsatz der Gebührenfreiheit postuliert, der auf der im Grundsatz weitgehend geteilten These aufbaut, dass der Steuerstaat für die Kosten der öffentlichen Sicherheit aufzukommen hat;5 die Gegenansicht betont dagegen, dass im Grundsatz derjenige, der die Entstehung der Kosten verursacht, für diese aufzukommen hat.6 Der Streit ist praktisch jedoch nur von untergeordneter Relevanz, da auch die Vertreter der erstgenannten Ansicht davon ausgehen, dass eine Durchbrechung des von ihnen postulierten Grundsatzes mit Blick auf das Verursacherprinzip keinen Bedenken begegnet.
Diese dogmatischen Grundfragen sollen jedoch im Folgenden nicht im Fokus stehen. Kern dieses Beitrags sollen stattdessen die gesetzlich kodifizierten Kostenregelungen in Nordrhein-Westfalen sein, konkret mit Blick auf Kosten, die von einem polizeirechtlich Verantwortlichen7 erhoben werden sollen.8 Denn Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass die Heranziehung zu Polizeikosten mit Blick auf die belastende Wirkung derselben wegen des Vorbehalts des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG in jedem Fall einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf.9
Diese Rechtsgrundlagen waren Gegenstand des Siebten Gesetzes zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19.12.2023,10 dem zeitlich eine Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Allgemeine Verwaltungsgebührenordnung NRW – AVwGebO NRW) vom 08.08.202311 vorausging. Die Neuregelung dieser praxis- und examensrelevanten Materie im Überblick darzustellen und kritisch zu würdigen ist Gegenstand dieses Beitrags.
II. Polizeiliches Kostenrecht nach alter Rechtslage
1. Kostenregelungen im PolG NRW a. F.
Zum Verständnis der neuen Rechtslage bietet es sich an, chronologisch vorzugehen und zunächst überblicksweise die bis August 2023 geltende Rechtslage darzustellen. Danach sah das Polizeigesetz NRW für zwei Maßnahmen eine Ermächtigung zur Erhebung von Kosten vor: Für die Sicherstellung in § 46 Abs. 3 Satz 3 PolG NRW a. F. sowie für die Ersatzvornahme in § 52 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F.12 Die Normen lauteten dabei ebenso schlicht wie wortgleich: „§ 77 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet Anwendung.“ Sie führten so zu einer Verweisung in das VwVG NRW und von dort in die Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (Ausführungsverordnung VwVG – VO VwVG NRW).13 Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW bedurfte es einer „Amtshandlung nach diesem Gesetz“, also einer gesetz- und damit rechtmäßigen Maßnahme, womit die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zum Prüfungsgegenstand wurde. Erhoben werden konnten die in der VO VwVG NRW näher geregelten Kosten, die § 77 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW als „Gebühren und Auslagen“ legaldefiniert.14
2. Anwendbarkeit des GebG NRW?
Ob daneben grundsätzlich auch das GebG NRW herangezogen werden konnte,15 um einem Störer Kosten aufzuerlegen, wurde nicht einheitlich bewertet. Jedenfalls war die Anwendbarkeit aber nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der Kostenerhebung für belastende Maßnahmen nicht um „Gebühren“ handeln könnte. Auch wenn in der Regel die Gebührenerhebung als Maßnahme des Vorteilsausgleichs angesehen wird, der Bürger also mit den Kosten einer für ihn nützlichen Leistung belastet wird,16 wird hierdurch der Gebührenbegriff nur unvollständig erfasst. Es gilt vielmehr der Grundsatz der „Vorteilsneutralität“ des Gebührenrechts, sodass auch für eine Eingriffsmaßnahme grundsätzlich das Instrument der Gebühr in Betracht kommt.17 Eine Gebühr ist daher nach dem Bundesverfassungsgericht18 zu definieren als öffentlich-rechtliche Geldleistung, die aus Anlass einer individuell zurechenbaren, öffentlichen Leistung dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt wird und dazu bestimmt ist, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken.19
Die Frage der Anwendbarkeit des Gebührengesetzes war insoweit nicht mit solch allgemeinen Erwägungen zu beantworten. Dogmatisch war der Streit vielmehr an einer anderen Stelle zu verorten, namentlich bei der Konturierung des Anwendungsbereichs des Gebührengesetzes. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW findet das Gesetz Anwendung auf „Kosten, die als Gegenleistung für die besondere öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit (Amtshandlung) einer Behörde des Landes […] in Form von Verwaltungsgebühren […] und Auslagenerstattung erhoben werden“. Ausgeschlossen ist die Anwendbarkeit dagegen insbesondere bei besonderer Regelung durch Gesetz (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 GebG NRW).
Dieser Anwendbarkeitsausschluss ist es, an dem die divergierenden Auffassungen – ohne dies immer eindeutig zu benennen – virulent wurden. So wurde einerseits in der Sache vertreten, dass aufgrund der konkret vorhandenen Anordnungen einer Kostentragungspflicht mit Verweis auf § 77 VwVG NRW eine abschließende Regelung für die Kostenerhebung für Eingriffsmaßnahmen nach dem PolG NRW vorgelegen habe.20 Wenn man dies annimmt, dann gab es für andere polizeiliche (Eingriffs-)Maßnahmen21 eine besondere gesetzliche Regelung (nämlich in Form einer bewussten Nichtregelung), welche die Anwendbarkeit des GebG NRW ausgeschlossen hätte.22
Nach anderer Auffassung, der sich auch die Landesregierung in der Begründung der Änderung des PolG NRW angeschlossen hat,23 entfaltete der Verweis auf § 77 VwVG NRW dagegen keine Sperrwirkung.24 Vielmehr sei den punktuellen Regelungen keine abschließende Regelungswirkung zu entnehmen gewesen.25 Die Anwendbarkeit wäre demnach nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 GebG NRW ausgeschlossen gewesen.26
Der Streit war dabei bis zur oben erwähnten Änderung der AVwGebO NRW nicht in größerem Maße von Bedeutung. Der Grund hierfür liegt in der Struktur der Erhebung von Gebühren nach dem GebG NRW;27 bis dahin waren nämlich Kostentatbestände im Allgemeinen Gebührentarif (AGT) in der Anlage zur AVwGebO NRW (der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AVwGebO NRW Teil derselben ist) für polizeiliche Maßnahmen größtenteils28 nicht vorhanden. Damit fehlte es aber ohnehin an einer gebührenrechtlichen Rechtsgrundlage für die Kostenerhebung, da nur die enumerativ aufgezählten Maßnahmen Gegenstand eines Kostenbescheids sein können.
III. Rechtslage nach Änderung der AVwGebO NRW
Seit der oben erwähnten AVwGebO NRW-Novelle sind nun unter Tarifstelle 2 des AGT in der Anlage zur AVwGebO NRW zahlreiche Gebührentatbestände für polizeiliche Maßnahmen genannt, für welche Kosten erhoben werden können. Hierunter fallen auch (z. T. unter näheren Voraussetzungen) besonders praxis- und examensrelevante Maßnahmen wie die Ingewahrsamnahme nach § 35 PolG NRW (Tarifstelle 2.1.1.4), die Anwendung unmittelbaren Zwangs nach §§ 51 Abs. 1 Nr. 3, 55, 57 bis 66 PolG NRW (Tarifstelle 2.1.1.6),29 die Ersatzvornahme nach § 52 PolG NRW (Tarifstelle 2.1.1.7), die Sicherstellung nach § 43 PolG NRW (Tarifstelle 2.1.1.8) oder auch die Verwahrung nach § 44 PolG NRW (Tarifstelle 2.1.1.9).30
Auffällig ist, dass auch die im Zeitpunkt der Änderung noch nach dem PolG NRW kostenpflichtigen Maßnahmen ebenfalls im Katalog des AGT genannt sind. Jedenfalls für diese Maßnahmen bestand aber eine besondere Regelung durch Gesetz i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 GebG NRW. Die Kostenerhebung über das GebG NRW i. V. m. AVwGebO NRW i. V. m. AGT war jedenfalls für diese Maßnahmen daher mangels Anwendbarkeit des GebG NRW nicht möglich.
Ob hinsichtlich der anderen genannten Maßnahmen (jedenfalls bis zur Änderung des PolG NRW) dem polizeirechtlichen Regelungssystem tatsächlich eine Sperrwirkung der Kostenerhebung zu entnehmen war, ist nach der zwischenzeitlichen Rechtslage durchaus bedeutsam gewesen. Es erscheint zunächst allerdings nicht von übermäßiger Bedeutung, diese Frage zu beantworten, da der Zeitraum der Überschneidung nur wenige Monate andauerte. Gerade für den hier intendierten Überblick könnte man erwägen, den Streit nicht weiter zu beachten.
Bedeutsam ist die Frage freilich, weil hiervon die Wirksamkeit der derzeit geltenden AVwGebO NRW abhängt. Verstoßen Regelungen in einer Verordnung gegen höherrangiges Recht, so sind sie nichtig.31 War die AVwGebO NRW allerdings (teilweise) nichtig, ist – unabhängig von den Auswirkungen der späteren PolG NRW-Änderung32 – eine Heilung nicht möglich, sondern ein Neuerlass notwendig.33 Das würde bedeuten, dass auch heute die AVwGebO NRW mangels wirksamer Gebührentatbestände für die benannten polizeilichen Maßnahme insoweit keine Ermächtigung zur Kostenerhebung enthielte.
Das Nichtigkeitsverdikt ließe sich hier, bei Annahme einer Sperrwirkung der Kostenerhebungsmöglichkeiten im PolG NRW a. F., dadurch begründen, dass der geänderte Allgemeine Gebührentarif als Teil der AVwGebO NRW (so § 1 Abs. 1 Satz 2 AVwGebO NRW) den abschließenden Charakter höherrangigen Rechts missachtet. Dies führte zur Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit einer Verordnung.34
Das würde dann nicht gelten, wenn der Normkonflikt tatsächlich nicht besteht, bzw. bereits auf andere Art und Weise geregelt worden ist. Eine solche anderweitige Regelung könnte in der klaren Abgrenzung des Anwendungsbereichs des GebG NRW liegen. Nimmt man den abschließenden Charakter und damit eine anderweitige gesetzliche Regelung der Kostenerhebung im PolG NRW a. F. an, so war nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 GebG NRW dessen Anwendungsbereich nicht eröffnet; da es sich insoweit um einen dynamischen Verweis handelt, ist „statisch“ auf den Zeitpunkt des Verordnungserlasses abzustellen. Dies wirft jedoch ein Folgeproblem auf: Ist das GebG NRW schon nicht anwendbar, so kann eine – nach Art. 80 GG,35 Art. 70 LV NRW notwendige – parlamentsgesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht in § 2 Abs. 1 GebG NRW ersehen werden.
Somit spricht viel dafür – erneut: bei Annahme einer Sperrwirkung der Kostenerhebungsregelungen im PolG NRW a. F. – eine Nichtigkeit der neuen Gebührentatbestände im AGT anzunehmen. In besonderem Maße gilt dies für die Gebührenerhebung für die Sicherstellung und die Ersatzvornahme, da insoweit unzweifelhaft die Anwendbarkeit des GebG NRW nicht gegeben war; diese Maßnahmen waren explizit anderweitig im PolG NRW a. F. geregelt. Eine gegenteilige Annahme würde wohl voraussetzen, dass man eine „antizipierte“ Einfügung von Gebührentatbeständen mit Blick auf eine zukünftige Änderung für zulässig hielte oder man per se eine Schaffung von Gebührentatbeständen als von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ansieht, die de lege lata nicht über das GebG NRW geregelt werden dürften. Beides erscheint allerdings angesichts der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen durch Verordnungen problematisch.
Es kommt für die weiteren Gebührenstellen darauf an, ob man den Kostenerhebungsregelungen im PolG NRW a. F. eine Sperrwirkung zuerkennt. Ob man insofern tatsächlich von einer bloßen „rechtstechnischen Verwirrung des Gesetzgebers“36 ausgehen kann, erscheint dabei fraglich. Die von Michl aufgezeigte geschichtliche Entwicklung mag zwar belegen, dass die Gesetzgebungshistorie in Bezug auf die Ersatzfähigkeit von Polizeikosten nicht frei von Missverständnissen war. Gerade durch die „klarstellende“ Einfügung der Verweise auf § 77 VwVG NRW37 hat der Gesetzgeber aber – wenngleich man dies, wie in der Stellungnahme von Michl geschehen, durchaus kritisieren kann – seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Kostenerhebung über das VwVG NRW der zu wählende Weg sei. Jedenfalls dadurch hat sich der Gesetzgeber für eine Regelungssystematik entschieden, an der er sich nunmehr festhalten lassen muss(te). Diese Systematik sah eine Kostenerhebung nur im Wege der Anwendung des § 77 VwVG NRW vor; fehlte dieser Verweis, war eine Kostenerhebung nicht möglich. Insofern war, wie vor Beginn des Gesetzgebungsverfahrens wohl auch überwiegend angenommen wurde, eine Sperrwirkung des PolG NRW a. F. für die Kostenerhebung für andere Fälle als Sicherstellung und Ersatzvornahme anzunehmen. Somit bestand eine „besonder[e] Regelung durch Gesetz“, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 GebG NRW, mit der oben beschriebenen Nichtigkeitsfolge.
Es bleibt insoweit abzuwarten, ob die Rechtsprechung die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die neuen Gebührentatbestände (nur teilweise bei Annahme fehlender Sperrwirkung oder weitgehend, wenn man dem PolG NRW a. F. eine abschließende Regelung zuerkennt) teilen wird. Befugt, die Regelungen der AVwGebO NRW zu verwerfen, wäre dabei nicht nur das Bundesverfassungsgericht (bzw. der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen). Das Verwerfungsmonopol des Art. 100 Abs. 1 GG gilt nicht für Rechtsverordnungen.38 Aus diesem Grund kann in jedem verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit einer Gebührenerhebung die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen geklärt werden.
IV. Umfassende Anwendbarkeit des GebG NRW seit der Änderung des PolG NRW
Zum Zwecke der weiteren Untersuchung soll allerdings von der Verfassungsmäßigkeit der nunmehr geltenden AVwGebO NRW ausgegangen werden – dies nicht zuletzt deshalb, weil die Verordnung bei erkannter Verfassungswidrigkeit der bisherigen Regelung schlicht neu erlassen werden könnte.39 Daher ist zu klären, wie sich die Rechtslage nach der nunmehrigen Änderung des PolG NRW darstellt. Hierfür soll zunächst die Änderung selbst dargestellt werden, bevor auf die hierdurch geänderte Rechtslage – einschließlich ihrer Verfassungsmäßigkeit – eingegangen wird.
1. Hintergrund und Inhalt der PolG NRW-Änderung
Rechtspolitischer Hintergrund der Änderung war nach Ansicht der meisten Beobachter, dass eine Möglichkeit gesucht wurde, eine Kostenpflicht für landläufig so benannte „Klimakleber“ zu schaffen.40 Hierfür war im Regierungsentwurf neben einer Streichung der §§ 46 Abs. 3 Satz 3, 52 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW a. F. noch die Schaffung eines neuen mit „Gebühren“ überschriebenen § 69 PolG NRW-E mit folgendem Wortlaut vorgesehen: „Die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen nach diesem Gesetz richtet sich, soweit in der jeweiligen Befugnisnorm keine speziellere Regelung getroffen wurde, nach dem Gebührengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen […] und den hierzu erlassenen Gebührenordnungen.“41
Die Landesregierung wollte hiermit nach eigenem Bekunden aus Transparenzgründen einen „lediglich deklaratorischen Verweis auf die gebührenrechtlichen Vorschriften“42 schaffen. Im Rahmen der Sachverständigenanhörung ist diese Regelung kontrovers diskutiert worden. Dabei reichten die Auffassungen hinsichtlich der neuen Rechtslage vom Verdikt der vollständigen43 oder teilweisen Verfassungswidrigkeit44 bis zur Ansicht, die Neuregelung sei in (beinahe45) keiner Hinsicht zu beanstanden46. Die Frage, ob die Norm deklaratorischen47 oder konstitutiven Charakter48 hatte, ist dabei ebenfalls unterschiedlich bewertet worden.
Die regierungstragenden Fraktionen brachten auf verschiedentlich vorgetragene Kritik hin einen Änderungsantrag ein, mit dem der neue § 69 PolG NRW-E49 aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde.50 Damit sollte den Meinungsverschiedenheiten der Sachverständigen begegnet und die deklaratorische Wirkung unterstrichen werden.
Mit dieser Änderung wurde das Gesetz denn auch verabschiedet. Demnach stellt sich die aktuelle Rechtslage so dar, dass im PolG NRW n. F. an keiner Stelle eine Ermächtigung zur Erhebung von Kosten vorhanden ist.51
2. Alleinige Geltung des GebG NRW für die Kostenerhebung durch die Polizei
Im Unterschied zur Rechtslage vor Änderung des Polizeigesetzes sind daher nunmehr die Gebührentatbestände im AGT als Teil der AVwGebO NRW vorhanden, wohingegen das Polizeigesetz selbst keine Aussage über eine Kostenerhebung enthält. Nach der Streichung der entsprechenden bisherigen Vorschriften kann – gerade in dem gesetzgeberischen Willen, zu einer Anwendbarkeit des GebG NRW zu gelangen – von einer Sperrwirkung des PolG NRW als „besonderer Regelung durch Gesetz“ i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 GebG NRW nicht mehr ausgegangen werden. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass in den §§ 46 Abs. 3, 52 PolG NRW von Maßnahmen auf Kosten des Betroffenen die Rede ist. Diesen ist ohne den gestrichenen Verweis auf § 77 VwVG NRW jedenfalls vor der eindeutigen gesetzgeberischen Wertung, welche der Änderung des PolG NRW zugrunde liegt, keine konstitutive Wirkung für das „Ob“ der Kostenerhebung zuzuerkennen.
Fehlt es aber an einer solchen Sperrwirkung, bedarf es zur Anwendbarkeit des GebG NRW nur noch der positiven Voraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW.52 Diese sind hier erfüllt, da die Polizei eine Behörde i. S. d. § 1 Abs. 4 GebG NRW und eine polizeiliche Maßnahme eine Amtshandlung i. S. d. Norm ist. Der Begriff der Amtshandlung ist in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GebG NRW legaldefiniert als „besondere öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit“ und damit lediglich abzugrenzen von allgemeinen Verwaltungstätigkeiten.53 Dass konkrete polizeiliche Gefahrenabwehrmaßnahmen hierunter fallen, dürfte keinen Zweifeln begegnen. Die notwendige Bestimmung der potenziell gebührenpflichtigen Amtshandlungen, die § 2 Abs. 1 GebG NRW vorschreibt, ist durch die Neufassung der AVwGebO NRW gegeben. Für einen Verstoß gegen die Vorgaben der §§ 3 bis 6 GebG NRW ist nichts ersichtlich.
Damit bestehen nach der einfachrechtlichen Systematik keine Bedenken dagegen, polizeiliche Kosten nach dem GebG NRW i. V. m. AVwGebO NRW i. V. m. AGT zu erheben. Im Übrigen ähnelt die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen derjenigen im Bund, wo etwa für Maßnahmen nach dem BPolG – gestützt das Bundesgebührengesetz – aufgrund der „Besonderen Gebührenverordnung BMI“54 eine Kostenerhebung ermöglicht wurde.55
V. Grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Rechtslage
Ist damit die nunmehrige einfachrechtliche Rechtslage in Grundzügen dargestellt, so bleibt noch die Frage, ob (materielle56) verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung57 bestehen – ein Aspekt, zu der auch im Gesetzgebungsverfahren Stellung genommen wurde.
Dies betrifft zunächst die Frage, ob die Neuregelung mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG und dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, 2 GG abgeleiteten Vorbehalt des Gesetzes, insbesondere dem Wesentlichkeitsgrundsatz vereinbar ist. Danach muss der parlamentarische Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen.58 Er darf diese Aufgabe insbesondere nicht auf die Exekutive delegieren.59 Die Bestimmung der „Wesentlichkeit“ hat dabei in besonderem Maße mit Blick auf die Wesentlichkeit für die Verwirklichung der Grundrechte zu erfolgen;60 allein, dass eine Frage politisch umstritten ist, ist nicht ausreichend, um eine Wesentlichkeit in diesem Sinne anzunehmen.61 Die Frage der Kostenerhebung für polizeiliche Eingriffsmaßnahmen ist, wie aufgezeigt, von großer Bedeutung. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Relevanz dieser Maßnahmen. So ist eine Fortsetzung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit über die Ebene der unmittelbaren Gefahrenabwehr hinaus auch für den Bereich der Kostentragung eine gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigung. Die grundlegende Frage des Kostenersatzes dürfte insofern gesetzgeberischer Entscheidung bedürfen.62 Damit ist jedoch nicht gesagt, dass sämtliche Einzelheiten parlamentsgesetzlich geregelt werden müssen.63 Auch die Herausnahme konkret der Entscheidung über die Kostenerhebung bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs64 als „wesentlich“ dürfte nicht angezeigt sein; die besondere Bedeutung dürfe sich auch hier eher aus der politischen Umstrittenheit eines derartigen Kostenersatzes ergeben und nicht ohne Weiteres auch verfassungsrechtlich identisch zu gewichten sein.
Diesen Anforderungen dürfte die aktuelle Rechtslage auch gerecht werden. Indem der Gesetzgeber die nach hier vertretener Ansicht vormalig existente Sperrwirkung der Kostenerhebungsregelungen im Polizeigesetz NRW gestrichen hat, hat er die Regelungsmaterie nicht „regelungsfrei“ gelassen. Er hat sich vielmehr aktiv für die Anwendung des allgemeinen Gebührenrechts entschieden und somit die Anwendbarkeit des GebG NRW ermöglicht. Grundsätzlich muss der Gesetzgeber nicht alle Fragen in ein und demselben Gesetz beantworten; auch Verweisungen auf andere Regelungen stellen nicht ohne Weiteres einen Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes dar.65 Dass somit nunmehr ein Zusammenspiel mehrerer Normen die Kostentragungspflicht begründet, ist verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich zu beanstanden. Gegen die Auslagerung der konkret gebührenpflichtigen Tatbestände auf den Verordnungsgeber dürfte ebenfalls verfassungsrechtlich nichts zu erinnern sein; durch die Freigabe sämtlicher Polizeikosten als potenziell gebührenpflichtig66 hat der Gesetzgeber den Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes Genüge getan haben.
Darüber hinaus ist zu klären, ob die Anforderungen an die Normenklarheit und die hinreichende Bestimmtheit durch die nunmehrigen Kostenerhebungsregelungen gewahrt werden. Zwischen Bestimmtheitsgebot und Parlamentsvorbehalt besteht ein enger Zusammenhang.67 Insbesondere gilt das Bestimmtheitsgebot auch beim Zusammenspiel von Gesetzen und Rechtsverordnungen nach Art. 80 GG bzw. Art. 70 LV NRW.68 Zweifel an der Bestimmtheit könnten sich vorliegend wohl allein aus der Verweisungstechnik ergeben. Faktisch liegt allerdings nicht mehr als ein Verweisungsschritt vor – vom GebG NRW in die AVwGebO NRW. Der AGT ist als Anlage zur AVwGebO NRW Teil derselben und lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit (die gesamte AVwGebO NRW nimmt im Gesetzes- und Verordnungsblatt über 500 Seiten ein) nicht in einer eigenen Norm integriert. Insofern dürfte die Bestimmtheit durch die Art und Weise der Verweisung hier nicht infrage gestellt sein. Die Annahme, es sei problematisch, dass die kostenpflichtigen Maßnahmen nicht aus dem GebG NRW selbst erkennbar sind,69 dürfte die verfassungsrechtlichen Anforderungen wohl überspannen. Es reicht vielmehr aus, wenn der Gesetzgeber das „Ob“ der Gebührenpflicht selbst entscheidet. Hinsichtlich der systematischen Verortung dieser Entscheidung konkrete Vorgaben zu machen, etwa dahingehend, dass die Kostenerhebung erkennbar im systematischen Kontext der kostenpflichtigen Maßnahme zu regeln, ist zwingendem Verfassungsrecht nach hier vertretener Ansicht nicht zu entnehmen, solange es sich nicht um eine arglistig verschleiernde Rechtsgestaltung handelt.
In Nordrhein-Westfalen hat man in Bezug auf die Polizeikosten bei der Neuregelung einen umfassenden Weg für die Kostenerhebung gewählt. Dies ergibt sich zwar nunmehr einzig aus dem Zusammenspiel von fehlender Regelung im PolG NRW, der umfassenden Ermächtigung im GebG NRW und der Ausgestaltung in der AVwGebO NRW sowie dem dazugehörigen AGT. Warum aber nun, wenn eine solch breite Kostenpflicht gewollt ist, eine höhere weitergehende parlamentsgesetzliche Regelungsdichte notwendig sein soll, ist jedenfalls nicht ohne Weiteres einsichtig. Wenn gerade potenziell sämtliche polizeilichen Maßnahmen kostenpflichtig gestellt werden sollen, hätte auch ein Katalog, der die kostenpflichtigen Maßnahmen im Gesetz aufführt, in systematischer Hinsicht nur deklaratorischen Charakter. Ein Mehr an Rechtssicherheit wäre ihm kaum zu entnehmen; gerade angesichts der sich erheblich unterscheidenden Sachmaterien im Gebührenrecht wäre auch fraglich, ob eine solche Regelung tatsächlich die Übersichtlichkeit verbessern würde.70 Nähme man an, die Bestimmung der Kostentatbestände müsse im Gesetz selbst erfolgen und die Begrenzung in § 1 Abs. 1 GebG NRW i. V. m. der Verordnungsermächtigung in § 2 GebG NRW sei nicht ausreichend, würde dies überdies – wenngleich diese Überlegung für sich wohl nicht tragend ist – nicht nur die Neufassung der AVwGebO NRW in Frage stellen, sondern die gebührenrechtliche Regelungslage insgesamt.71
Diskutiert wurde zudem auch bereits in der Vergangenheit, ob eine Kostenerhebung für die Anwendbarkeit unmittelbaren Zwangs überhaupt, nicht allein mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes, verfassungskonform ist.72 Auf eine eingehendere Diskussion dieser Frage soll an dieser Stelle verzichtet werden. Inzwischen dürfte zu Recht überwiegend davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um eine rechtspolitische, keine verfassungsrechtliche Frage handelt.73 Freilich bleibt auf der Ebene der Einzelfallanwendung der grundrechtliche Bezug beachten.
VI. Insbesondere: Kostenerhebung bei Versammlungen?
Diskussionsbedarf nicht nur in Bezug auf die Einzelfallanwendung, sondern in genereller Hinsicht weist die Frage der Kostenerhebung zudem noch bezüglich eines in besonderem Maße betroffenen Grundrechts, nämlich der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG auf. Es stellt sich namentlich die Frage, ob für Polizeieinsätze bei Versammlungen von Verfassungs wegen überhaupt Gebühren erhoben werden können.74
Der Versammlungsfreiheit kommt eine besonders hohe Bedeutung zu; sie ist nach der überzeugenden ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von unverzichtbarer Bedeutung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.75 Eine lenkende Einflussnahme des Staates dahingehend, dass Bürger ihr Grundrecht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, nicht oder in einer dem Staat gefälligen Art und Weise wahrnehmen, ist daher vollständig untersagt.76 Dieser Umstand ist daher auch für die Frage der Erhebung von Polizeikosten bzw. Gebühren aus Anlass von Versammlungen zu beachten,77 da auch die Kostenerhebung die Bereitschaft zur Ausübung der Versammlungsfreiheit beeinflusst und insoweit zumindest regelmäßig einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG darstellt.78 Jedenfalls dürfte der Eingriffscharakter nicht daran scheitern, dass die kostenpflichtigen Maßnahmen selbst rechtmäßig sein müssen.79 Denn die Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme lässt nicht die Eingriffswirkung einer daran anschließenden Kostenerhebung entfallen. Ob auch in Bezug auf die Kosten die Versammlungsfreiheit im Ergebnis zurücktreten muss, ist eine Frage der Rechtfertigung des Eingriffs.
Die politische Bedeutung der Frage der Kostenerhebung erschließt sich unmittelbar, wenn die Kosten betrachtet werden, die – unabhängig von der Frage, inwiefern diese ihrem Wesen nach überhaupt regressiert werden können – bei einer einzelnen Versammlung entstehen können. So entstanden in Mainz für eine Demonstration mit 28(!) Teilnehmern Kosten i. H. v. 300 000 €,80 für die – freilich ohnehin nur in Teilen dem Friedlichkeitsvorbehalt aus Art. 8 Abs. 1 GG unterfallenden – „Demonstrationen“ am 1. Mai entstanden bereits 2010 Kosten i. H. v. 5 000 000 €,81 bei den Pegida- und Legida-Versammlungen waren es zusammengenommen für das erste Jahr – je nach Rechnung – zwischen ca. 775 000 € und (sogar für einen kürzeren Zeitraum) 2 900 000 €82. Stellte man diese Kosten den Teilnehmern in Rechnung – es bedarf keiner großen Fantasie, um anzunehmen, dass die Auswirkungen auf die Bereitschaft, an Versammlungen teilzunehmen, dramatisch sein dürften.
Unterschiedliche Ansichten wurden und werden dabei bereits zu der Frage vertreten, ob bei Versammlungen eine vollständige Gebührenfreiheit hinsichtlich sämtlicher Maßnahmen und Regelungen (bspw. Straßenreinigungsgebühren) besteht, die im Zusammenhang mit Versammlungen stehen,83 oder ob sich eine solche Kostenbelastung jedenfalls grundsätzlich84 rechtfertigen lässt.85 Insbesondere wurde auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Kostenerhebung für versammlungsspezifische Amtshandlungen, etwa die Erteilung von versammlungsrechtlichen Auflagen, diskutiert.86
Jedenfalls für diesen (sich auf das novellierte Polizeikostenrecht konzentrierenden) Beitrag, sind zumindest die letzteren Fragen nicht von entscheidender Bedeutung. Das folgt aus der einfachrechtlichen Regelung des § 30 VersG NRW, nach welchem „Amtshandlungen nach diesem Gesetz“ kostenfrei sind. Für versammlungsrechtliche Maßnahmen i. e. S. dürfen unabhängig von der Frage verfassungsrechtlicher Legitimität auch nach dem neuen polizeilichen Kostenrecht aufgrund der Spezialregelung im VersG NRW keine Kosten erhoben werden. Dies dürfte, wenngleich die Frage des Einsatzes der Polizeikräfte nicht unmittelbar eine „Amtshandlung“ nach dem VersG NRW ist, auch für die Kosten, die für die alleinige Begleitung der Demonstrationen durch die Polizei anfallen, gelten. Etwas anderes gilt freilich für die bereits kurz benannten, nicht versammlungsspezifischen Kostentragungspflichten, etwa der Straßenreinigungsgebühren. Insoweit ist der Weg zur Kostenerhebung einfachrechtlich nicht versperrt; auf der anderen Seite handelt es sich nicht um „Polizeikosten“ im engeren Sinne, weshalb sie jedenfalls nicht zum Kerngegenstand des vorliegenden Beitrags zählen.
Demgegenüber für die hiesige Darstellung relevant sind diejenigen polizeilichen Maßnahmen, die eine von Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlung bzw. deren Teilnehmer treffen, aber – da sie nicht auf das VersG NRW gestützt werden – nicht kraft Gesetzes kostenfrei sind. Dies kann konkret zum einen Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 VersG NRW, zum anderen Maßnahmen nach § 9 Abs. 4 VersG NRW betreffen.87 Soweit über § 9 Abs. 1 VersG NRW das PolG NRW anwendbar ist, sind keine Gründe ersichtlich, warum der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG nicht mehr eröffnet sein sollte. Die Durchbrechung des Grundsatzes der Polizei(rechts)festigkeit des Versammlungsrechts folgt hier nicht daraus, dass es nicht um Maßnahmen mit Versammlungsbezug geht, sondern aus einer Nichtregelung der Gefahrenabwehrmaßnahme im VersG NRW. Indem das VersG NRW allerdings aus seinem Anwendungsbereich heraus verweist, ist eine Fortwirkung der Sperrwirkung (i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 GebG NRW) des § 30 VersG NRW nicht anzunehmen: Es handelt sich sodann um Maßnahmen nach dem PolG NRW, nicht nach dem VersG NRW.88 Mit Blick auf § 9 Abs. 4 VersG NRW, also die Anwendbarkeit des PolG NRW nach Ende der Versammlung oder gegen Personen, die den Versammlungsbereich verlassen haben, kann eine abrupte Beendigung der Schutzwirkung aus Art. 8 Abs. 1 GG ebenfalls nicht angenommen werden. Insoweit ist jedenfalls für einen gewissen Zeitraum eine Nachwirkung der Versammlungsfreiheit anzunehmen.89 Relevanz erhält dieser Umstand etwa in Fällen, in denen sich Teilnehmer einer aufgelösten Demonstration nicht entfernen wollen und deshalb von der Polizei unter Anwendung unmittelbaren Zwangs weggetragen werden (wobei freilich bei derartigen Konstellationen die Reichweite der Nachwirkung zu diskutieren ist).
In diesen Fällen stellt sich denn also die Frage, ob verfassungsrechtlich zwingende Gründe die Kostenerhebung für derartige Maßnahmen verbieten. Das dürfte jedenfalls regelmäßig nicht der Fall sein. Denn auch, wenn der Teilnahme an einer Versammlung kein Preisschild umgehängt werden darf,90 führt der Zusammenhang zu ein dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG unterfallenden Verhalten nicht dazu, dass auf keinen Fall Kosten erhoben werden können. Der hierin liegende Eingriff kann grundsätzlich verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Freilich konstituiert die Versammlungsfreiheit besondere Anforderungen an die Rechtfertigung. So fordert etwa das Bundesverfassungsgericht, dass die Kostenerhebung auch konkret dem Rechtsgut dient, welches im konkreten Fall Vorrang vor der Versammlungsfreiheit erhält.91 Da den hier in Rede stehenden polizeilichen Maßnahmen gemein ist, dass diese im Ergebnis die öffentliche Sicherheit und Ordnung schützen sollen, ist eine Kostenerhebung insoweit jedenfalls nicht generell ausgeschlossen. Es kommt freilich auf die konkrete Einzelfallanwendung an, welche dann den erhöhten Anforderungen aus Art. 8 Abs. 1 GG genügen muss. Insbesondere dürfte zu fordern sein, dass der einzelne jeweils die Kosten zurechenbar verursacht hat.92
Den gesamten Beitrag entnehmen Sie unseren NWVBl. Heft 8/2024.