18.11.2019

Das Arbeitsrecht im Sport –

bedingt arbeitsfähig

Das Arbeitsrecht im Sport –

bedingt arbeitsfähig

Fußball am Abend: Jugendliche Profispieler dürfen nur bis 20 Uhr beschäftigt werden. | © Matthias Stolt - stock.adobe.com
Fußball am Abend: Jugendliche Profispieler dürfen nur bis 20 Uhr beschäftigt werden. | © Matthias Stolt - stock.adobe.com

Unbekümmert, frei von Zwecken, Regeln und Zwängen – so lieben wir den Sport. Und doch bewegt sich auch der Freizeitsport im rechtlichen Raum und ist spätestens dann, wenn etwas schiefgeht, froh, auf das Recht als Konfliktlösungsmechanismus zurückgreifen zu können. Erst recht gilt dies für den von unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen geprägten professionellen Sport. Wenn Arbeitnehmer beteiligt sind – und das ist bei Mannschaftssportarten der Regelfall – gelten die Regelungen des Arbeitsrechts. Im besten Fall funktionieren sie wie ein guter Schiedsrichter, den man kaum bemerkt, und der doch für den Spielfluss unerlässlich ist. Teilweise aber holpert es noch mit dem Arbeitsrecht im Sport. Hierzu drei exemplarische Fälle, ein Lösungsvorschlag und ein sportrechtspolitischer Ausblick.

Fall Julian Draxler – alles zu seiner Zeit

Am 25. Januar 2011 schoß der damals noch 17-jährige Julian Draxler mit seinem Tor zum 3 : 2 in der 119. Minute den FC Schalke 04 zum Sieg im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den 1. FC Nürnberg. Zugleich verstieß Draxler an diesem Abend gegen § 14 Abs. 1 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), wonach Jugendliche nur bis 20 Uhr beschäftigt werden dürfen. Der Verstoß war eindeutig, denn Draxler war als Fußballspieler zweifellos Arbeitnehmer des Vereins, und er war unter 18 Jahren. Dass aber ein begnadeter Fußballer den FC Schalke nur bis abends um acht zum Sieg schießen darf, widersprach dem Anstands- und Gerechtigkeitsempfinden

aller Fußballliebhaber, von den betroffenen Nürnbergern vielleicht einmal abgesehen. Also machte sich die zuständige Gewerbeaufsicht auf die Suche nach einer Ausnahmeregelung. Fündig wurde man in § 14 Abs. 7 JArbSchG bei Musikaufführungen und Theatervorstellungen, an denen Jugendliche bis um 23 Uhr teilnehmen dürfen.


Also erklärte man das Schalker Spiel kurzerhand zu einer künstlerischen Darbietung. Damit war Draxler bis 23 Uhr auf der sicheren Seite, und zum Elfmeterschießen war es ja zum Glück nicht gekommen. Dieses Vorgehen entsprach weder dem Wortlaut noch dem gesetzgeberischen Willen, denn unschwer hätte man sonst neben Musik und Theater auch den Sport in die Liste der Ausnahmeregelungen aufnehmen können. Da die bekannten Auslegungsmethoden – grammatikalisch, systematisch, historisch und teleologisch – nicht weiterhalfen, griff man auf eine fünfte, die Palmströmsche Auslegung, zurück, die Christian Morgenstern 1910 unter dem Titel „Die unmögliche Tatsache“ in den juristischen Diskurs einführte, und die der eigentlich überfahrene Palmström mit den bekannten Worten zusammenfasste, dass „nicht sein kann, was nicht sein darf“[1].

Causa Heinz Müller – Fußballprofi bis zur Rente?

Befristungen sind dem deutschen Arbeitsrecht ein Dorn im Auge, denn Befristungen umgehen den Kündigungsschutz. Daher ist eine sachgrundlose Befristung gemäß § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nur einmalig bis maximal zwei Jahren möglich. Weitergehende Befristungen ohne Sachgrund sind unwirksam. Auf diese Regelung berief sich der Torhüter Heinz Müller, der vom FSV Mainz 05 – wie in der Branche üblich – über den Zeitraum von zwei Jahren hinaus befristete Anstellungsverträge erhalten hatte. Er klagte vor dem Arbeitsgericht Mainz auf unbefristete Beschäftigung und bekam Recht[2]. Das Arbeitsgericht sah keinen sachlichen Grund für eine Befristung. Auch der in § 14 TzBfG vorgesehene Befristungsgrund der „Eigenart der Arbeitsleistung“ greife nicht. Natürlich hätten die Vereine ein Interesse daran, nach einiger Zeit jeweils zu prüfen, ob der Sportler noch die erhoffte Leistung erbringe; dieses Leistungsüberprüfungsinteresse des Arbeitgebers sei aber keine „Eigenart“ der Arbeitsleistung eines Fußballprofis, sondern gelte grundsätzlich für alle Berufe.

Auch der für Trainer in bestimmten Konstellationen anerkannte „Verschleißtatbestand“ – also das Phänomen einer mit der Zeit nachlassenden Motivationsfähigkeit – greife nicht, da der Spieler nicht in erster Linie andere, sondern sich selbst zu motivieren habe. Und auch das vom Verein ins Feld geführte Abwechslungsbedürfnis des Publikums rechtfertige keine Befristung: Während bei Bühnenkünstlern und Hörfunk- und Fernsehdarstellern ein Abwechslungsbedürfnis anerkannt sei, gelte dies im Sport – auch im Mediensport der Fußball-Bundesliga – nicht in gleicher Weise; denn die Beliebtheit der Protagonisten hänge in erster Linie vom sportlichen Erfolg, nicht aber vom bloßen Wechsel des Personals ab.

Allein die Branchenüblichkeit rechtfertige auch nicht die Befristung. Denn eine ständige regelwidrige Praxis könne einen Regelverstoß nicht rechtfertigen. Für die „Eigenart der Arbeitsleistung“ müsse man auf Spezifika des Berufsbildes schauen, nicht darauf, ob die beteiligten Kreise ihre Verträge faktisch unter Verstoß gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz abschließen. Im Ergebnis bejahte das Arbeitsgericht Mainz einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG. Der Spieler verfügte somit über einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hob dieses Urteil in der Berufung auf und begründete dies mit den Besonderheiten eines Arbeitsverhältnisses im Profifußball[3]: Bei unbefristeter Beschäftigung bestehe die Gefahr, dass sich ein Spieler verletze, dass er nicht mehr in das veränderte Spielsystem oder die Altersstruktur passe oder nicht durch bessere Spieler ersetzt werden könne. All dies sind zutreffende und nachvollziehbare Überlegungen. Doch würde wohl jeder Unternehmer außerhalb des Fußballs unterschreiben, dass er gerne die Möglichkeit hätte, auf häufige krankheitsbedingte Ausfälle seiner Arbeitnehmer, auf Änderungen in der Betriebs- und Altersstruktur oder nachlassende Leistungsfähigkeit flexibel zu reagieren und aus diesem Grund die Beschäftigungsverhältnisse von vorneherein zu befristen.

Dass solche Zweckmäßigkeitserwägungen, die im Gesetzeswortlaut keine Stütze finden, außerhalb des Fußballs auch nur ansatzweise für die Legitimation der Befristung eines Arbeitsverhältnisses in Betracht gezogen wurden, ist nicht bekannt und auch nicht zu erwarten. Wieder einmal hat man stattdessen die eigentlich geltende Rechtslage einem gewünschten – so aber de lege lata nicht vorgesehenen – Ergebnis angepasst. Das Bundesarbeitsgericht entschied nach Redaktionsschluss über die Revision[4].

Mindestlohngesetz – Fußballer im Ehrenamt?

Das Mindestlohngesetz sieht vor, dass alle Arbeitnehmer einen Mindestlohn von derzeit 8,84 € erhalten. Die überwiegende Zahl der bei einem Verein beschäftigten Sportler – auch Fußballer der Amateurligen – erhalten deutlich weniger. Dort sind Vergütungen zwischen 200,– € als sog. Übungsleiterpauschalen und 450,– € (Minijobs) an der Tagesordnung. Für 200,– € dürfte ein Spieler im Monat höchstens 22 ½ Stunden tätig sein – bei regelmäßiger Trainings- und Wettbewerbsteilnahme mit Vor- und Nachbereitung eine Illusion.

Da sich viele Amateurvereine die Beschäftigung von Spielern bei Geltung des Mindestlohnes nicht leisten könnten, wurde nach Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2015 der Ruf laut, das Mindestlohngesetz dürfe nicht für Sportvereine gelten, da ansonsten deren Existenz gefährdet sei. Wieder einmal saß man also vor einem Gesetz, dessen Rechtsfolgen auf den Sport irgendwie nicht passten, obwohl es nach Wortlaut wie nach Sinn und Zweck für Sportler genauso galt wie für alle anderen Arbeitnehmer.

Also machten sich DOSB, DFB und die zuständige Bundesministerin für Arbeit und Soziales auf die Suche nach einer Ausnahme. Fündig wurde man in § 22 Abs. 3 MiLoG, wonach das Mindestlohngesetz nicht die Vergütung von ehrenamtlich Tätigen regelt. Dies ist zwar keine echte Ausnahme, da Ehrenamtliche sowieso keine Arbeitnehmer sind. Gleichwohl nahm man diese tautologische Regelung dankbar auf und legte sie mutig dahingehend aus, dass ein angestellter Fußballspieler, wenn er trainiert und Wettbewerbsspiele absolviert, ehrenamtlich tätig sei. Worin genau der Nutzen für die Allgemeinheit liegt, wenn ein Vertragsamateur auf dem Platz Zweikämpfe und Kopfbälle trainiert, wurde nicht näher ausgeführt. Tatsächlich wurde aber in der Folge das Mindestlohngesetz auf Vereine kraft Ministerwort nicht angewendet; diese willkürliche Nichtanwendung eines geltenden Gesetzes wurde von Arbeitsrechtlern kritisiert und begegnet auch unter dem Gesichtspunkt der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz nach dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes erheblichen Bedenken[5].

Lösung über Tarifverträge

Das Arbeitsrecht stößt sich zwar in vielen Fällen hart an der Realität des professionellen Sports, stellt aber zugleich Lösungsmechanismen zur Verfügung: Branchenspezifische Besonderheiten werden typischerweise in Tarifverträgen abgebildet. Dort können sich die Tarifvertragspartner mit entsprechender Sachkunde und Sachnähe den Spezifika ihrer Branche widmen und sie einer sachgerechten Lösung zuführen. So eröffnet § 7 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz für die im professionellen Sport regelmäßig nicht eingehaltenen Arbeits- und Pausenzeiten die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung durch Tarifvertrag. Gleiches gilt für die Arbeitszeit Minderjähriger über § 21a JArbSchG und für die im Sport sicherlich sinnvolle Befristung von Arbeitsverträgen über § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG.

Die österreichische Fußball-Bundesliga hat von dieser Möglichkeit schon vor Jahren Gebrauch gemacht und einen Kollektivvertrag für Fußballspieler zwischen der Liga und der Spielergewerkschaft abgeschlossen. Auch in Deutschland gibt es mit der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV) eine etablierte Spielergewerkschaft. Bislang scheuen die Vereine, die bewusst keine Arbeitgebervereinigung bilden, den Gedanken an einen Tarifvertrag wie der Teufel das Weihwasser – zu Unrecht: Der Tarifvertrag ist keineswegs ein einseitiges Instrument des Arbeitnehmerschutzes. Vielmehr bietet er auch den Arbeitgebern die Möglichkeit, flexible, passgenaue Regelungen für die Branche zu erarbeiten. Mindestrechte für Arbeitnehmer müssen auch für Arbeitnehmer kein Nachteil sein, zumal wenn sie im Gegenzug rechtssichere Gestaltungsmöglichkeiten erhalten.

Ausblick auf ein Berufsrecht des Sports

Während die Möglichkeit von Tarifverträgen von den Protagonisten jederzeit genutzt werden kann, sollte sich auch der Gesetzgeber der Frage stellen, in welchen Bereichen des Arbeitsrechts und darüber hinaus spezifische Regelungen für den professionellen Sport sinnvoll sind. Sicherlich gibt es drängendere Probleme, aber die zunehmend auftretenden Friktionen indizieren den Bedarf für ein abgestimmtes, passgenaues System von Rechten und Pflichten professioneller Sportler. Es bliebe dann nicht mehr – wie bisher – dem Zufall überlassen, an welcher Stelle das nächste Problem auftritt, an dem die bestehenden Regelungen keine oder nur unzureichende Lösungen bieten. Statt eines ständigen Reparaturbetriebes bestünde die Möglichkeit einer proaktiven Gestaltung.

Ein solches Berufsrecht des Sports braucht nicht national beschränkt zu bleiben: Mit dem Welt Anti-Doping Code und der UNESCO-Konvention gegen Doping hat die internationale Staatengemeinschaft im Verbund mit internationalen Sportorganisationen gezeigt, dass sie auch auf internationaler Ebene einheitliche Regelwerke beschließen können. Wenn es gewollt ist, wären solche Regelungen auch für Komplexe jenseits des Dopings möglich.

Statt also im Einzelfall die Rechtslage mit wenig überzeugenden Notlösungen mehr schlecht als recht zurechtzubiegen, sollten sich der Sport und die Sportrechtler der Gestaltung eines Rechts des professionellen Sports widmen. Das kann, muss aber nicht in einer Kodifikation des Sportrechts münden. Schon einige sportspezifische Tariföffnungsklauseln könnten vieles bewirken. Also, Ihr angehenden Sportrechtler – an den Start, es gibt zu tun!

[1] Christian Morgenstern, „Die unmögliche Tatsache“, in: Gesammelte Werke in einem Band, Piper-Verlag, 8. Auflage, 2003, S. 262 f.

[2] ArbG Mainz, Urteil vom 19. 03. 2015, Az. 3 Ca 1197/14, NZA 2015, 684–689.

[3] LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. 02. 2016, Az. 4 Sa 202/15, NZA 2016, 699–703.

[4] BAG, Urteil vom 16. 01. 2018, Az: 7 AZR 312/16.

[5] Thüsing, Editorial NJW, Heft 13/2015.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag entstammt aus dem »Der Wirtschaftsführer für junge Juristen«.

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Dr. Marius Breucker

Rechtsanwalt, Rechtsanwälte Wüterich Breucker, Stuttgart
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