Sicherheitsrechtliche Anordnungen gegen „Problemfan“
Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Sicherheitsrechtliche Anordnungen gegen „Problemfan“
Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat einer Beschwerde der Stadt Augsburg stattgegeben und ein gegenüber einem Mitglied der Ultra-Szene ausgesprochenes Betretungsverbot für Heimspiele des FC Augsburg sowie eine Meldepflicht für Auswärtsspiele als rechtmäßig erachtet.
Sachverhalt
Mit auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 LStVG gestütztem Bescheid vom 28.02.2024 erließ die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller ein Betretungs- und Aufenthaltsverbot an Spieltagen des FC Augsburg für Begegnungen (Heimspiele) der Bundesligasaison 2023/2024 in jeweils bestimmten räumlichen Geltungsbereichen im Stadtgebiet der Antragsgegnerin in einem Zeitraum von vier Stunden vor Spielbeginn bis drei Stunden nach Spielende, das um Regelungen zur Nutzung der Straßenbahn-Stadionlinie ergänzt wurde.
Zu den Verpflichtungen in Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids wurden Ausnahmebestimmungen getroffen. Zudem wurde dem Antragsteller anlässlich nicht im Stadtgebiet der Antragsgegnerin stattfindender Spielbegegnungen eine Meldepflicht bei der zuständigen Polizeidienststelle in Augsburg innerhalb festgelegter Zeiträume auferlegt; auch hierzu wurden Ausnahmemöglichkeiten festgelegt. Für die Verpflichtungen wurde der Sofortvollzug angeordnet und für Verstöße Zwangsgelder angedroht.
Ultra-Gruppierung „Legio Augusta“
Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem Antragsteller handele es sich um einen „Problemfan“ der Augsburger Fußballanhängerschaft. Er sei langjähriges Mitglied der Ultra-Gruppierung „Legio Augusta“ und besitze ein gewisses Maß an Anerkennung innerhalb der Ultra-Szene in Augsburg. Er sei bereits im Rahmen von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auch oder gerade mit Fußball bzw. Sportbezug in der Vergangenheit auffällig geworden; die einzelnen Vorfälle werden aufgelistet.
Der Antragsteller wandte sich hiergegen mit einer Klage und einem Antrag auf Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Er bestritt, an vielen der von der Antragsgegnerin aufgezählten gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein. Zudem dürfe die Sicherheitsbehörde keine Anordnungen für Gefahren bei Auswärtsspielen außerhalb von Bayern treffen. Insgesamt seien die Anordnungen auch unverhältnismäßig.
Das Verwaltungsgericht (VG) hat die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.02.2024 wiederhergestellt bzw. angeordnet. Die Erfolgsaussichten der Klage seien bei Ausschöpfung aller im Eilverfahren verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten der Kammer als offen anzusehen.
Der von der Antragsgegnerin dagegen eingelegten Beschwerde hat der VGH stattgegeben; seinem Beschluss ist Folgendes zu entnehmen:
Sicherheitsrechtliche Generalklausel als Rechtgrundlage
„Rechtsgrundlage für das von der Antragsgegnerin an Heimspieltagen des FC Augsburg verhängte Aufenthalts- und Betretungsverbot in bestimmten Bereichen im Stadtgebiet von Augsburg sowie für die – anlässlich nicht in Augsburg stattfindender Spielbegegnungen – verfügte ,Meldeauflage‘ ist jeweils Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 LStVG.
Danach können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden (Nr. 1), und um Gefahren abzuwehren, die unter anderem das Leben oder die Gesundheit von Menschen bedrohen oder verletzen (Nr. 3).
Der Einwand des Antragstellers, Art. 7 LStVG sei jedenfalls keine tragfähige Befugnisnorm für eine Meldeauflage, da für die ,Untersagung der Betretung und des Aufenthalts in fremdem Hoheitsgebiet‘ die Antragsgegnerin als ,Ordnungsbehörde‘ nicht zuständig sei und in die Entscheidungskompetenz jeweils zuständiger anderer, in einem Fall sogar österreichischer Behörden eingreife, ist schon im Ansatz verfehlt, weil er Zweck bzw. Zielrichtung dieser Maßnahme verkennt.
Meldeauflage
Die Befugnis der Sicherheitsbehörde zur Anordnung (auch) von sogenannten Meldeauflagen (zur Parallel-Befugnis zu polizeilichen Meldeanordnungen vgl. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 PAG) ist ein seit vielen Jahren bestehendes sicherheitsbehördliches Instrument, um Gefahrenverursacher aus unterschiedlichen Bereichen, darunter auch Hooligans, von ihrem gefährdenden Tun, hier insbesondere der Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, räumlich wie zeitlich abzuhalten …
Mit der am Wohnort des Antragstellers und damit im sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin als Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) zu befolgenden Meldeauflage soll der Antragsteller an der Anreise zum auswärtigen Spielort und damit an der Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gehindert werden, wobei es für die Erfüllung dieses Gefahrentatbestands grundsätzlich unerheblich ist, ob die zu erwartende Straftat oder Ordnungswidrigkeit im Inland (auch in anderen Bundesländern) oder im Ausland stattfindet.
Das tragende Ziel der Meldeauflage ist es entgegen der Auffassung der Antragstellerseite nicht, ein ,Betretungs- und Aufenthaltsverbot in fremdem Hoheitsgebiet‘ zu verfügen bzw. die Ausreise aus dem Bundesgebiet unmöglich zu machen, sondern vielmehr zu verhindern, dass der Betroffene an einem Ort, der nicht sein ständiger Aufenthaltsort ist, eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht …“
Konkrete Gefahr als tatbestandliche Voraussetzung
„Tatbestandliche Voraussetzung für den Erlass von auf die sicherheitsrechtliche Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 LStVG gestützten Maßnahmen und damit auch einer Meldeauflage ist, wovon auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist, das Vorliegen einer konkreten Gefahrenlage bzw. einer konkreten Gefahr …
Darunter ist nach der nunmehr in Art. 11 Abs. 1 Satz 2 PAG durch den bayerischen Gesetzgeber vorgenommenen Legaldefinition eine Sachlage zu verstehen, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung von Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führt.
Die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bildet dabei die Gefahren- bzw. Eingriffsschwelle, wobei sich die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auf hinreichend gesicherte Anhaltspunkte stützen lassen muss; eine bloß abstrakte bzw. vage Möglichkeit des Schadenseintritts reicht dafür nicht aus.
Dabei stehen die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und die zu erwartende Störung wie auch das von der Gefahrensituation betroffene Rechtsgut in indirekter Relation zueinander, indem an die Wahrscheinlichkeit des Störungseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, desto höherwertig das bedrohte Rechtsgut bzw. desto größer der zu befürchtende Schaden ist …
Ob unter Berücksichtigung der dargelegten Maßgaben im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen für den Erlass eines Betretungs- und Aufenthaltsverbots sowie der Meldeauflage vorliegen, beurteilt sich nach einer Gefahrenprognose, die anhand der Verhältnisse und des möglichen Erkenntnisstands der Verwaltungsbehörde zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme (ex-ante Betrachtung) zu treffen ist …“
(…)
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 11.03.2024 – 10 CS 24.410
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 17/2024, Rn. 197.