24.08.2017

Neue Chancen auf Gemeinnützigkeit

BFH erweitert Spielraum zur Erlangung der Gemeinnützigkeit

Neue Chancen auf Gemeinnützigkeit

BFH erweitert Spielraum zur Erlangung der Gemeinnützigkeit

Der Bundesfinanzhof eröffnet weitere Chancen, den Status der Gemeinnützigkeit über die Öffnungsklausel zu beantragen. | © zwehren - stock.adobe.com
Der Bundesfinanzhof eröffnet weitere Chancen, den Status der Gemeinnützigkeit über die Öffnungsklausel zu beantragen. | © zwehren - stock.adobe.com

Viele Fach- und Führungskräfte engagieren sich ehrenamtlich. Sie sollten ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs kennen, das den Spielraum zur Erlangung der Gemeinnützigkeit erweitert. Dr. Daniel Fischer von der Kanzlei BKL erläutert das Urteil und seine Folgen.

Nicht selten bekleiden Fach- und Führungskräfte wichtige Funktionen in Vereinen, Verbänden oder Stiftungen. Sie gestalten die Geschicke der Organisation maßgeblich mit. Eine zentrale Frage ist, wie man den Sonderstatus der Gemeinnützigkeit erfolgreich beantragen und bewahren kann.

Organisationen haben von der Gemeinnützigkeit viele Vorteile. Sie profitieren insbesondere von Steuererleichterungen für die Organisation sowie ihre ehrenamtlichen Kräfte. Zudem dürfen nur sie Spendenbescheinigungen ausstellen, die Spender zum Sonderausgabenabzug berechtigen. Nicht zuletzt haben gemeinnützige Körperschaften häufig einen Imagevorteil, was bei vielen Zielen hilft.


Deshalb schaut der Fiskus sehr genau hin. Die örtlichen Finanzämter prüfen, ob die Satzung die gesetzlichen Bestimmungen erfüllt und der Zweck im Gemeinnützigkeitskatalog gemäß §  52 Abgabenordnung aufgeführt ist, wie zum Beispiel Kunstförderung, Jugendhilfe oder Tierschutz. Falls nein, lehnen sie den Antrag der Gemeinnützigkeit ab und beharren auf Steuerzahlungen. So auch im Fall des Deutschen Bridge Verbandes e.V.

Wegweisende BFH-Rechtsprechung

Die Verbandsverantwortlichen setzten sich mithilfe der Kanzlei BKL Fischer Kühne + Partner mit einer zweiteiligen Klage gegen die Entscheidung der Finanzbehörden zur Wehr. Zum einen klagte der Verband, dass er ähnlich wie etwa ein Schachverein den Sportbegriff des geltenden Gemeinnützigkeitskatalogs erfülle, zumal auch der Weltbridgeverband als Mitglied des IOC eine volle Anerkennung als olympische Sportart anstrebe. Zum anderen berief sich der Verband auf die in 2007 eingeführte Öffnungsklausel, die besagt, dass der verfolgte Vereinszweck nicht identisch mit den Katalogzwecken sein muss, sondern eine Vergleichbarkeit ausreicht. Man machte in der Klage geltend, dass Turnierbridge erhebliche Ähnlichkeiten zum Schachsport und andere dem Sport nahestehenden Elemente aufweise.

Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass Bridge zwar kein Sport, aber für gemeinnützig zu erklären ist. Im ersten Urteil (BFH, Urt. v.  09. 02. 2017 – Az. V R 69/14) stellen die obersten Finanzrichter klar, dass reine Denksportarten mangels körperlicher Ertüchtigung weiterhin nicht als Sport im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts gelten. Auch sei die gesetzliche Vorschrift, die Schach steuerlich dem Sport gleichstellt (»Schach gilt als Sport«), nicht auf Bridge übertragbar.

Im zweiten Urteil (BFH, Urt. v. 09. 02. 2017 – Az. V R 70/14) schloss sich der Bundesfinanzhof der Argumentation des Verbandes an und verpflichtete das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Turnierbridge für gemeinnützig zu erklären. Turnierbridge sei gemäß Öffnungsklausel vom Grundsatz her mit dem Schachsport vergleichbar. Es erfordere, ebenso wie Schach, erhebliche intellektuelle Anstrengungen sowie hohe Merk-, Konzentrations- und Kombinationsfähigkeiten. Zudem fördere Turnierbridge zumindest mittelbar das Gesundheitswesen, die Jugend- und Altenhilfe sowie den Völkerverständigungsgedanken.

Gemeinnützigkeit erfolgreich beantragen

Das zweite BFH-Urteil (Az. V R 70/14) ist wegweisend und entwickelt die Leitlinien zur Gemeinnützigkeit fort. Das Urteil hat erhebliche Konsequenzen für alle Organisationen, deren Zweck nicht unmittelbar dem gesetzlichen Gemeinnützigkeitskatalog entspricht und deren Antrag bislang abgelehnt wurde. Verfolgen sie Ziele, die mit den Katalogzwecken »vergleichbar« sind, haben sie nun die Chance, den Status der Gemeinnützigkeit über die Öffnungsklausel zu beantragen. Wie der BFH entschieden hat, handelt es sich bei der Öffnungsklausel um ein eigenständiges Verfahren. Zuständig ist die oberste Landesfinanzbehörde oder eine von ihr bestimmte Behörde.

Betroffene Vereine, Verbände und Stiftungen sollten einen Antrag nach der Öffnungsklausel prüfen. Neu gegründete Organisationen können zweigleisig vorgehen: Sie können nicht nur auf die Katalogzwecke abstellen, sondern parallel eine gemeinnützige Anerkennung nach der Öffnungsklausel beantragen. Vorab sollten die Organisationen in jedem Fall fachlichen Rat suchen.

Sonderstatus nicht gefährden

Der Status der Gemeinnützigkeit ist nicht in Stein gemeißelt. Lange Zeit blieben kleinere und mittelgroße Organisationen vor einer Außenprüfung des Finanzamts weitgehend verschont. Jetzt stehen steuerbegünstigte Organisationen unter besonderer Beobachtung der Finanzbehörden. Außenprüfer gehen der Frage nach, ob Organisationen die in der Satzung festgelegten gemeinnützigen Zwecke tatsächlich umsetzen und dabei das Gebot der Selbstlosigkeit beachten. Darüber hinaus soll festgestellt werden, ob es unrechtmäßig steuerbefreite Umsätze gibt, die zwar die Gemeinnützigkeit nicht unmittelbar gefährden, aber weitreichende steuerliche Konsequenzen haben.

Bei einer verfehlten oder allzu laxen Geschäftsführung wird die Gemeinnützigkeit schnell wieder aberkannt. Mit dem Wegfall der Gemeinnützigkeit werden alle Begünstigungen gestrichen, womöglich sogar rückwirkend vom Tag des Gesetzesverstoßes an. Die Folge: Es können auf einen Schlag sehr hohe Nachzahlungen fällig werden, die den Fortbestand der Organisation gefährden.

Um Auseinandersetzung mit den Finanzbehörden zu vermeiden, sollte man wichtige steuerrechtliche Aspekte stets im Blick behalten (siehe Infokasten »Keine Konflikte mit dem Finanzamt«). Verantwortliche sollten turnusmäßig fachlichen Rat einholen, um alle Fallstricke zu erkennen und von vorneherein zu umgehen. So kann sich jeder mit Leib und Seele für ideelle Ziele engagieren.

 Keine Konflikte mit dem Finanzamt

Grundsätzlich gilt: Der Fiskus räumt den Sonderstatus nur gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Organisationen ein, die ideelle und keine gewerblichen Ziele verfolgen. Es sind aber einige weitere Voraussetzungen zu beachten.

Satzung: Schnell bockt das Finanzamt, wenn der Vereinszweck nicht in der gesetzlichen Katalogliste steht. Im Zweifelsfall sollte man parallel einen Antrag auf Gemeinnützigkeit nach der Öffnungsklausel stellen. Im Übrigen stellen das Finanzamt und ggf. das Vereinsregister sehr hohe formale Anforderungen an die Satzung. Bei Satzungsänderungen ist erhöhte Vorsicht geboten, um den Status der Gemeinnützigkeit nicht zu gefährden.

Arbeitsorganisation: Das Finanzamt beäugt auch die Geschäftsführung. Sie muss den Satzungsbestimmungen entsprechend und »ausschließlich und unmittelbar« auf gemeinnützige Ziele ausgerichtet sein. Die Förderung eigenwirtschaftlicher Zwecke der Mitglieder oder die Vermittlung von Dienstleistungen sind tabu. Viele möglichen Konfliktpunkte lassen sich von vorneherein ausräumen. Abhilfe schafft meist eine geschickte Umorganisation der laufenden Arbeit.

Abrechnungspraxis: Entschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten sind nur von der Einkommensteuer befreit, wenn sie maximal 720  Euro pro Jahr betragen. Das Finanzamt überprüft im Einzelfall die Angemessenheit. Eine professionelle Abrechnungspraxis ist Pflicht. Ratsam ist eine plausible Dokumentation aller Vergütungen mit Datum, Stunden, Stundensatz und Art der Tätigkeiten.

(Quelle: BKL Fischer Kühne + Partner)

 

Dr. Daniel J. Fischer

Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner der Kanzlei BKL Fischer Kühne + Partner
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