14.11.2024

Die Beziehung Polizei

Bevölkerung im neuen Gesetz über die nationale Polizei der Ukraine

Die Beziehung Polizei

Bevölkerung im neuen Gesetz über die nationale Polizei der Ukraine

Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV

Das neue Polizeigesetz der Ukraine von 2015 fand in der deutschen Fachliteratur wenig Beachtung1Z. B.: C. Friesendorf, Polizeireform in der Ukraine, Probleme und Perspektiven, Osteuropa, Heft 3/2016, S. 95 ff.. Denn die Ereignisse um den Jahreswechsel 2014/2015 und die nachfolgenden politischen Entwicklungen ließen das neue Gesetz in den Hintergrund treten. Das Gesetz enthält aber einige Regelungen, die wegen ihrer rechtspolitischen Bedeutung der Betrachtung wert sind. Das sind zum Beispiel die Regelungen über die Beziehung der Polizei zur Bevölkerung und die Kontrolle der Polizei durch die Bevölkerung. Diese Regelungen sollen hier vorgestellt werden. Denn sie sind ein Zeichen dafür, wie die Rolle der Polizei in der Ukraine heute verstanden wird.

I. Polizeireform

Die Reform des Vorgängers der heutigen Polizei – der Miliz – stand wiederholt auf der politischen Agenda, 2011 war eine Reform aber nach dem Erlass des Präsidenten explizit in die Planung der Arbeit der Regierung aufgenommen worden2Erlass des Präsidenten der Ukraine zum Plan der Maßnahmen zur Erfüllung der Pflichten und Obliegenheiten, die die Ukraine aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Europarat hat vom 27.04.2011, https://zakon.rada. gov.ua/laws/show/24/2011#Text.. Doch fehlte der politische Wille oder die Durchsetzungskraft gegenüber dem Innenministerium, grundlegende Änderungen vorzunehmen, auch wurde eine neue Polizei in der Öffentlichkeit wenig propagiert3Status der Polizei: International Standards und ausländische Gesetzgebung, O. Bantschuk (Hrsg.), Kyjiw, 2013 S. 6, www.pravo.org.ua/img/ books/files/status-policii-banchuk-2013.pdf., es fehlte der innere und äußere Druck, die Reform anzupacken. Polizei und Polizeirecht war (und ist) die Angelegenheit der Akademien des Innenministeriums, bis heute wird es an den Universitäten nicht (oder nur als Annexthema) unterrichtet. Das neue Polizeigesetz entstand als Reaktion auf die Vorfälle mit der damaligen ukrainischen Miliz und deren Sondereinheiten wie „Berkut“ während der Revolution der Würde 2014/15. Nach diesen Vorfällen konnte die Reform der Polizei nicht weiter aufgeschoben werden. Das schlechte Image war aber schon lange ein Problem,4Siehe C. Friesendorf, Fn. 1, S. 96. weshalb seitens der Miliz auch an Verbesserungen gearbeitet wurde: Die Ausbildung der Polizeibeamten in den Akademien des Ministeriums des Inneren basierte nicht mehr auf bedingungslosem Gehorsam, sondern nahm die Offiziere in die Pflicht, Recht und Gesetz zu beachten. Eine veränderte Symbolik sollte den äußeren, vormals martialisch-militärischen Eindruck der Miliz ändern: Die Miliz ist für die Menschen da5Internationale Polizeienzyklopädie, Band I, (Hrsg.) J. Rimarenko, J. Kondratiev, W. Tazij, J. Schemschutschenko, Kiew 2003, Buchbesprechung, B. Schloer, BayVBl. 2004, 510, 511.. Einflussreiche Professoren der Akademien des Innenministeriums legten ihre Gedanken über neue Methoden der Arbeit und ein neues Selbstverständnis der Miliz in umfangreichen Monografien vor6Z. B. Die verwaltende (polizeiliche) Tätigkeit der Organe der inneren Verwaltung, Autorenkollektiv unter der Leitung von J. Rimarenko, J. Moisejev, V. Olevir, Kyjiw 2008, 816 S., auch wurde schon lange über den Wechsel von der „Miliz“ zur „Polizei“ diskutiert7Fn. 6, S. 763 ff.. Das neue Polizeigesetz entstand also auf vorbereitetem Grund. Zu diesen Grundlagen gehörte auch das bayerische PAG, das erstmals 2006 in ukrainischer Übersetzung veröffentlicht wurde8PAG: Privatleben und Polizei, (Hrsg.) J. Rimarenko, Kiew 2006, S. 705 ff., Übersetzung R. Kornuta; PAG und POG: Fn. 3, S. 54 ff. Übersetzung B. Schloer, G. Rischkov. und als ein wichtiges Beispiel für modernes Polizeirecht galt und auch durch die Zusammenarbeit der Hanns-Seidel-Stiftung mit der ukrainischen Polizei bekannt war. Neben dem bayerischen Polizeirecht war durch die Zusammenarbeit einiger Professoren der Akademien des Innenministers mit französischen Kollegen das Recht der französischen Gendarmerie und der police nationale bekannt.

Ferner wurden unter anderem diese internationalen Quellen verwendet:


UN Code of Conduct for Law Enforcement Officials von 19799Code of Conduct for Law Enforcement Officials, www.ohchr.org/en/ins truments-mechanisms/instruments/ code-conduct-law-enforcement-officials., UN Basic Principles on the Use of Force and Firearms by Law Enforcement Officials von 199010Basic Principles on the Use of Force and Firearms by Law Enforcement Officials, www.un.org/ruleoflaw/blog/document/basic-principles-on-theuse- of-force-and-firearms-by-law-enforcement-officials/; deutsche Übersetzung, www.un.org/depts/german/conf/ac144-28c.pdf., CoE Resolution 690 (1979) Declaration on the Police von 197911Resolution 690 (1979). Declaration on the Police. URL: pace.coe.int/en/ files/16101., die Recommendation Rec (2001) 10 The European Code of Police Ethics von 200112Europäischen Kodex für die Polizeiethik, https://rm.coe.int/16804d79ed., die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – EGMR und die Materialien der OSCE. Alle diese ausländischen und internationalen Quellen lagen in einem Sammelband auf Ukrainisch vor13Status der Polizei, Fn. 3.. Der Entwurf des Polizeigesetzes wurde vom Europarat und anderen europäischen Einrichtungen/ Projekten begutachtet14OSCE ODIHR, Opinion on the draft law of Ukraine on police and police activities, www.osce.org/odihr/130716;, auch sind die vielen früheren Gesetzentwürfe zu Polizeigesetzen und Gesetzentwürfe für kommunale Polizeien zu erwähnen, zu denen europäische Juristen kritische Analysen erstellten; in dem überschaubaren Kreis der ukrainischen Polizeirechtler war also europäisches Polizeirecht und das nationale Polizeirecht, allem das französische und deutsche, bekannt.

Das Gesetz über die nationale Polizei entstand schnell15Verlauf der parlamentarischen Behandlung: https://w1.c1.rada.gov.ua/pls/ zweb2/webproc4_1?pf3511=55082. unter Verwendung ausländischer Vorbilder, darunter die einschlägigen Gesetze der kanadischen Provinz Ontario, der Niederlande, Polens und Bayerns. Dieses Gemenge von verschiedenen Rechtssystemen, verknüpft mit Elementen des alten Milizgesetzes, führt zu Problemen, hier sollen nur zwei angesprochen werden: Die Maßnahmen der Polizei werden in der Aufgabennorm des Art. 2 als „Dienste“ im Sinn von „Dienstleistungen“ bezeichnet, wobei der gleiche Begriff verwendet wird wie im „Gesetz über Verwaltungsdienstleistungen“; dieses Gesetz regelt aber die Maßnahmen der Verwaltung, die sie auf Antrag der Berechtigten erbringt, in der Regel Lizenzen und Genehmigungen. Das Vorbild für die Verwendung des Begriffes im Polizeigesetz waren der police services act der kanadischen Provinz Ontario16Police Services Act, www.ontario.ca/laws/statute/90p15. und der Europäische Kodex für die Polizeiethik17Fn. 12.. Im kanadischen act geht es aber um die Dienste im Sinn von Dienststellen und Polizeiorganisation, die polizeilichen Maßnahmen gegenüber dem Bürger sind damit nicht gemeint, im europäischen Kodex werden die Handlungen der Polizei nur in den Nummern 1 und 12 als Dienstleistungen bezeichnet, ansonsten werden polizeiliche Maßnahmen als „Operationen“ bezeichnet. Die verwirrende Verwendung des ukrainischen Begriffs wird dadurch gelöst, dass man ihn als Ausdruck des „Geistes“ des neuen Gesetzes, der neuen Polizei und des neuen Verständnisses des Verhältnisses von Polizei und Bürger ansieht: Die Polizei dient der Ukraine und der Bevölkerung und keinen Interessengruppen18D. Denisyuk, Aufgaben der Nationalen Polizei der Ukraine: Probleme der Gesetzeskonsolidierung, Verwaltungsrecht und -verfahren, 8/2016, S. 100/ 101; O. S. Danchul, Konzepte des „Dienstleistungsstaates“ und der „bürgernahen Polizeiarbeit“ sind notwendige Voraussetzungen für eine wirksame Reform des Systems des Innenministeriums der Ukraine. Wissenschaftliches Bulletin 3/2018 der Staatlichen Universität für innere Angelegenheiten Lemberg S. 140 – 148.. Das zweite Beispiel sind die Begriffe „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“, die wie im PAG „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ lauten. Die Formulierung ist im Deutschen kein Problem, da die Sicherheit und die Ordnung weiblich sind, im Ukrainischen ist aber die Sicherheit weiblich und die Ordnung männlich. Ist das ein einheitlicher Begriff oder sind es zwei Begriffe? Bezieht sich „öffentlich“ nur auf die Sicherheit oder auch auf die Ordnung? Die Antwort fällt nicht leicht, denn das Verständnis der Vorläuferbegriffe waren auch nie ganz klar, und die alten und neuen Begriffe finden sich immer noch in der geltenden Gesetzgebung19B. Schloer, Neue verwaltungsrechtliche Begriffe im Gefahrenabwehrrecht – ein Klärungsversuch, in: Fragen des Verwaltungsrechts, zweites Buch, (Hrsg.) N. Pisarenko, Charkiv 2018, S. 92/95 m. w. N..

II. Das Verhältnis der Polizei zur Bevölkerung, Art. 11 des Polizeigesetzes

Dieser Artikel hat diese Überschrift: „Das Zusammenwirken mit der Bevölkerung auf partnerschaftlicher Grundlage“. Die Polizei soll eng mit der Bevölkerung, Vereinigungen und Organen der örtlichen Selbstverwaltung zusammenarbeiten und Kontakt zu ihnen halten, Absatz 1. Diese Regelung entspringt der Erfahrung, dass die Polizei von einer Zusammenarbeit mit der Bevölkerung profitiert, sie ist in einem gewissen Umfang sogar davon abhängig. Diese Zusammenarbeit soll die polizeirelevanten Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigen und auf der Grundlage einer partnerschaftlichen Beziehung erfolgen. An dieser Stelle soll nochmals auf die Qualifizierung der Maßnahmen der Polizei als „Dienste“ an der Bevölkerung eingegangen werden. Dieses grundlegende Verständnis der Verwaltung als „Dienstleistung für die Bevölkerung“ prägt das ukrainische Verwaltungsrecht seit Beginn dieses Jahrhunderts: So trat das bereits erwähnte Gesetz über die Dienstleistungen der Verwaltung schon 2005 in Kraft, das allgemeine VwVfG aber erst im Dezember 2023, in der Theorie wird die Auffassung vertreten, dass der moderne Rechtsstaat nur ein Verwaltungsrecht auf der Grundlage der Gleichordnung von Staat und Bürger kennen soll20V.B. Averianov, Die Probleme der Demokratisierung der Staatsverwaltung im Kontext der Verwaltungsreform in der Ukraine, (2002) in: Averianov V.B., Ausgewählte Arbeiten, zusammengestellt von J. Andijko u. a., Kiew 2011, S. 238 ff.; R. Melnyk (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, Lehrbuch, Odessa 2022, S. 379; speziell für die Polizei: Fn. 6, S. 24 f.. Dieses Verständnis vom Verwaltungsrecht wird aber nach dem Inkrafttreten des VwVfG ein mehr differenziertes werden, denn das VwVfG zeigt – trotz aller Bürgerfreundlichkeit – die Struktur von Über-/Unterordnung, und es verdrängt das Gesetz über die Dienstleistungen der Verwaltung in dessen zentralen Bereichen.

Die Aussagen zur Beziehung der Polizei zur Bevölkerung sind keine leeren Deklarationen, eine Reihe von Vorschriften gestalten diese Beziehung mit Rechten und Pflichten der Beteiligten aus, sodass hier rechtlich durchsetzbare Positionen bestehen oder zumindest disziplinarrechtliche Folgen bei Nichtbeachtung möglich sind. So enthält Art. 9 des Polizeigesetzes21Alle Gesetzeszitate beziehen sich im Weiteren auf das „Gesetz über die Nationale Polizei der Ukraine“, wenn nicht anderes angegeben. die Pflicht der Polizei, die Kommunen und die Bevölkerung über ihre Arbeit zu informieren, in Art. 11 ist das Verfahren der Beurteilung der Arbeit der Polizei geregelt. Zu diesen Regelungen gehören auch die Art. 86 ff., die ebenfalls Informationspflichten enthalten und in denen ein wirksamer Kontrollmechanismus seitens der Bevölkerung vorgesehen ist, dazu unten III.

  1. Die Fokussierung auf die Unterrichtung der Bevölkerung über die Arbeit der Polizei ist mit der jüngeren Geschichte der Ukraine verbunden. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit und Korrektheit der Polizei wird für die Stabilität in der Gesellschaft als essenziell angesehen, hier spielen die Erfahrungen vor allem des letzten Maidans 2014/2015 eine gewichtige Rolle: das seit Mitte der 1990er-Jahre ohnehin geringe Vertrauen in die staatlichen Strukturen war gänzlich zerrüttet – es musste ein Neuanfang gemacht werden. Deshalb ist die ehrliche Präsentation der Leistungen der Polizei von zentraler Bedeutung; die Betonung liegt auf „ehrlich“, auch wenn dadurch manche negativen Ereignisse im Berichtszeitraum bekannt gemacht werden müssen. Ferner geht es darum, dass die Polizei selber professionell informiert und nicht die Berichterstattung den zahlreichen privaten Medien überlässt, die oft politische Instrumente sind. Wie zu informieren ist, dazu enthält Art. 9 Abs. 2 PolG, der im Abschnitt „Prinzipien der Polizeiarbeit“ steht, diese Grundsätze: Die Polizei muss über ihre Tätigkeit auf dem Gebiet des Schutzes der Rechte und Freiheiten der Menschen berichten, über ihre Maßnahmen gegen die Kriminalität und über ihre Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Diese Informationspflichten werden im Abschnitt „Kontrolle durch die Bevölkerung“ für die Jahresberichte der Polizei konkret geregelt; nach Art. 86 Abs. 2 PolG muss jährlich auf der Webseite der Gebietskörperschaften der Polizei über deren Tätigkeit berichtet werden und Analysen über die Kriminalitätsbelastung und Informationen über die Gegenmaßnahmen der Polizei angeboten werden. Diese Information ist nicht nur ein Mittel der Transparenz und Mittel der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, sondern auch eine Grundlage für die Ausübung der Kontrolle durch die Bevölkerung, Art. 86 ff., dazu unten III. Eine weitere Informationspflicht sieht Art. 88 vor: Hiernach muss die Leitung einer Gebietspolizeiverwaltung mindestens alle zwei Monate den Vertretungen der Gebietskörperschaften, zum Beispiel Stadtrat, berichten und anstehende Fragen besprechen; diese Treffen sind öffentlich, das heißt die Polizei darf sich nicht verstecken, es geht wieder um Transparenz. Schließlich enthält Art. 88 Abs. 2 die Pflicht der Leitung einer Gebietspolizeiverwaltung, systematisch die Bevölkerung über den Stand der öffentlichen Ordnung und Maßnahmen zu deren Verbesserung zu berichten. Diese Pflicht hat laut Gesetzestext den ausdrücklichen Zweck, die Autorität der Polizei und das Vertrauen der Bevölkerung zu steigern.

Dieses Vertrauen und die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung waren auch das Ziel der „Strategie zur Entwicklung der Organe des Innenministeriums“ von 201722https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/1023-2017-%D1 %80#Text. Hierzu sollten die Kriminalitätsbekämpfung, die Transparenz der Polizei, deren Ausbildung und die Beurteilung der Arbeit der Polizei verbessert werden. Zusätzlich soll mit den in der Strategie vorgesehenen Maßnahmen den Anforderungen des Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine und anderen europäischen Verträgen und Konventionen Genüge getan werden. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass die Ukraine, vor allem wegen Handlungen ihrer Miliz, häufig vom EGMR verurteilt wurde.

  1. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei ist nach Art. 11 Abs. 3 das „grundlegende Kriterium“ für die Beurteilung der Effektivität der Polizei und wird nach Absatz 4 von unabhängigen soziologischen Instituten untersucht; das Verfahren der Auswahl solcher Institute und die Anforderungen an deren Auswahl sind in der „Ordnung über die Durchführung der Messung des Niveaus des Vertrauens der Bevölkerung gegenüber der Nationalen Polizei23https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/58-2018-п#n10. geregelt, es geht – kurz gesagt – um eine transparente Ausschreibung solcher Untersuchungen und darum, dass keine Gefälligkeitsanalysen erstellt werden.

Neben der Untersuchung im Auftrag der Polizei führen unabhängige Nichtregierungsorganisationen solche Analysen durch, zum Beispiel der Verband der ukrainischen Beobachter der Einhaltung der Menschenrechte bei der Tätigkeit von Strafverfolgungsbehörden (Verband der UMDPL24https://umdpl.info/about/.), die „Charkiwer Menschenrechtsschutzgruppe“ (KHPG25Kharkiv Human Rights Protection Group- KHPG, https://khpg.org/) und die Gruppe „Reanimation des Reformpakets“26Reanimation package of reforms, rpr.org.ua/.. Als Beispiel sollen die Ergebnisse des Berichts der Menschenrechtsschutzgruppe (KHPG) vorgestellt werden, da er auch von der Polizei verwendet wird:

„6 – 7. Die Mehrheit derjenigen, die im Laufe des Jahres Kontakt zur Polizei aufgenommen haben, waren mit dem Ergebnis der Kommunikation mit Polizeibeamten zufrieden (58,8 %), insbesondere waren 69,4 % mit der Höflichkeit der Polizisten zufrieden. Ein Teil der Befragten (23,2 %) empfand Gleichgültigkeit seitens der Polizeibeamten, weiteren 6,1 % empfanden das Verhalten als unhöflich. 33,9 % waren mit dem Ergebnis der Kommunikation mit der Polizei unzufrieden.

8 – 9. 30,4 % der Befragten wurden im Laufe des Jahres von Polizisten angehalten. Die meisten von ihnen (66,4 %) gaben an, dass sich die Polizisten höflich verhielten, 19,4 % empfanden im Verhalten der Polizei als gleichgültig und 13 % als unhöflich.

10 – 13. Insgesamt 4,6 % der Befragten … gaben an, dass Polizisten im Laufe des Jahres ihre Rechte oder die Rechte ihrer Angehörigen verletzt oder ihre Arbeit nicht gut genug ausgeführt hätten. 1,7 % der Befragten … gaben an, Opfer von Schlägen, Schmerzen oder Folter durch Polizeibeamte geworden zu sein. Gleichzeitig erstatteten 90,7 % der Menschen, die eine Verletzung ihrer Rechte oder der Rechte ihrer Angehörigen durch die Polizei erlebten… keine offizielle Anzeige. Der Hauptgrund dafür ist die Meinung, dass es nutzlos sein würde (51,4 %).

14 – 15. 30,4 % der Befragten vertrauen der Polizei (davon vertrauen 2,7 % voll und ganz und 27,7 % vertrauen eher als nicht). 50 % der Befragten gaben an, der Polizei nicht zu vertrauen: Davon vertrauen 29,6 % wahrscheinlich nicht und 20,4 % definitiv nicht. Somit weist die Polizei … einen negativen Vertrauenssaldo auf (–19,6 %). … 16. Bemerkenswert ist, dass 36,3 % der Befragten ihre Bereitschaft angaben, der Polizei unter allen Umständen zu helfen“.

Diese Organisationen sind bisweilen nicht nur durch ihre Öffentlichkeitsarbeit einflussreich, einige von deren Experten waren auch an der Ausarbeitung der Entwürfe für das neue Polizeigesetz beteiligt.

  1. Eine weitere Regelung für das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und der Polizei ist Art. 11 Abs. 2. Hiernach sollen bei der Planung der Arbeit der Polizei die Besonderheiten der örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Dadurch sollen die Effektivität der Polizei gefördert und der Schutz der Bevölkerung verbessert werden. Die örtlichen Besonderheiten werden durch die polizeiliche Erfahrung und mit modernen Systemen der Datenauswertung ermittelt. Solche Systeme bieten private Firmen und wissenschaftliche Institute an.
  2. Art. 11 stellt auch die Grundlage für „Community policing“ dar. Hierzu enthält die Durchführungs-VO des Innenministers für die Vollzugspolizei27Durchführungsverordnung zum vollzugspolizeilichen Dienst im Innenministerium, https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/z0777-15#Text. in Punkt II.3. diese Aussage:

„II. Die grundlegenden Aufgaben der Polizei sind … 3. Die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft: Die Umsetzung des Ansatzes „Polizei und Gesellschaft“, der in der Zusammenarbeit und Interaktion mit der Bevölkerung, öffentlichen Organisationen, anderen Abteilungen der Organe für innere Angelegenheiten und Behörden besteht, mit dem Ziel, Straftaten zu verhindern, Sicherheit zu gewährleisten, die Kriminalität zu reduzieren usw. sowie dem Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zwischen Polizei und Bevölkerung“.

Eine neue Einrichtung ist das Projekt „der Polizeioffizier der örtlichen Selbstverwaltung“ («поліцейський офіцер гро-мади»), die Übersetzung mit „Gemeindepolizist“ ist hinsichtlich der Aufgaben passend, aber nicht hinsichtlich des Dienstranges; die Aufgaben dieses Polizeioffiziers werden auf der Seite der nationalen Polizei so beschrieben:

„Die Hauptaufgabe eines Polizeioffiziers der örtlichen Selbstverwaltung besteht darin, sich auf die Bedürfnisse der örtlichen Bevölkerung zu konzentrieren, den ständigen Kontakt mit den Bewohnern aufrechtzuerhalten, täglich für Ordnung in ihrem Gebiet zu sorgen, rechtzeitig auf Probleme in der Gemeinde zu reagieren und die Begehung von Straftaten zu verhindern“28„Die wichtigste Aufgabe des gemeindlichen Polizeioffiziers – sich an den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung orientieren“, Offizielle Seite des Innenministeriums, www.npu.gov.ua/ya-tut.html?fbclid=IwAR2NZxUD5 AHrhQQh-8sHJk8OTXwUHyG0ZZD1n-E0-lH9YrNMdDk-n VeW3N0..

An diesem Projekt beteiligen sich viele Gemeinden, die Stellen sind aber (Stand 02.2024) meist noch nicht besetzt29www.npu.gov.ua/npu-pre-prod/sites/1/uploaded-files/%20 %D0 %A2 % D0 %93.pdf.. Ein bei öffentlichen Veranstaltungen sichtbares Zeichen der polizeilichen Arbeit mit den Bürgern ist die „Polizei des Dialogs“ («поліція діалогу»), deren Beamte speziell für den Dialog (z. B. mit Demonstranten) und die Deeskalation geschult sind.

  1. Eine weitere Form der Zusammenarbeit von Polizei und

Bevölkerung sind gemeinsame Projekte von Polizei und Bevölkerung: Art. 89 erlaubt die Organisation gemeinsamer Projekte „zur Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung und der Steigerung der Effektivität der Polizei bei der Erfüllung ihr aufgegebener Aufgaben“. Bei dieser Regelung war der Europäische Kodex für Polizeiethik30Fn. 12. ein Vorbild, der in Nr. 18 die Anforderungen an die Organisation der Beziehung zwischen Polizei und Bevölkerung enthält. Ferner spielte das Konzept des community policing eine Rolle, das auch bezweckt, durch gemeinsame Handlungen Probleme im Bereich der Gebietskörperschaft zu lösen.

Der Begriff „Bevölkerung“ wird eng verstanden, es geht um den gesellschaftlich oder politisch aktiven Teil der Bevölkerung, der gemeinsame Interessen vertritt und in der Regel in verschiedenen Formen organisiert ist, zum Beispiel Bürgervereinigungen, politische Parteien, Arbeitgeber/Arbeitnehmervereinigungen, lokale Medien. Das „Zusammenwirken“ ist „die durch Verwaltungsrecht geordnete Beziehung dieser Gruppen zur Polizei auf partnerschaftlicher Basis“.31Kommentar zum Polizeigesetz der Ukraine, wissenschaftlich-praktischer Kommentar, Autorenkollektiv unter der Leitung von T. Minka, Dnipro 2017, S. 403. Hier kommt wieder das Konzept des Verwaltungsrechts zum Tragen, wonach die Beteiligten sich auf der Grundlage der Gleichordnung begegnen, siehe oben II. Hinsichtlich der Projekte bieten sich viele Möglichkeiten an. In einem Kommentar zum Polizeigesetz werden diese möglichen Projekte genannt, mit denen die Effektivität der Polizeiarbeit gesteigert werden und die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung verbessert werden kann:

– „Gemeinsame Planung und Durchführung geeigneter Maßnahmen zur Verhinderung und Aufdeckung von Straftaten

– Austausch von Information und Erfahrungen über die Verhütung und Unterbindung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten;

– Durchführung gemeinsamer Seminare, Schulungen, Treffen, Konsultationen und Treffen zu strafverfolgungsorientierten Themen zur Verbesserung der Organisation der Kriminalitätsbekämpfung.

– Gemeinsame wissenschaftliche Forschungen;

– Gemeinsam Entwürfe für Instruktionen, Programme, Gesetzentwürfe usw. ausarbeiten;

– Gemeinsame Expertisen zu Vorschriften;

– Beteiligung von Polizisten bei amtlichen Sprechstunden und in Zentren für Rechtshilfe für die Bevölkerung

– Gemeinsame Organisation und Durchführung von „Hotlines“, Vorträgen und Veröffentlichungen in Massenmedien;

– Zusammenarbeit der Polizei mit internationalen oder ausländischen Nichtregierungsorganisationen zu Fragen der polizeilichen Aufgaben und Funktionen;

– Teilnahme an Programmen zur juristischen Erziehung und Bildung der Bevölkerung und besonderer Gruppen, zum Beispiel Schüler weiterführender Schulen sowie der

Studenten;

– Einrichtung und Betrieb gemeinsamer Printmedien und Online-Publikationen zur Berichterstattung über Fragen der Polizeiarbeit, Ergebnisse gemeinsamer Veranstaltungen, Veröffentlichung von Lageberichten, gemeinsamen Projekten, wissenschaftlicher Forschung et cetera32Fn. 31, S. 404.“.

[…]

Entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 21/2024, S. 735

 

Dr. Bernhard Schloer

Der Autor war bis Juli 2023 Dozent am Institut des Rechts der Nationalen
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  • 1
    Z. B.: C. Friesendorf, Polizeireform in der Ukraine, Probleme und Perspektiven, Osteuropa, Heft 3/2016, S. 95 ff.
  • 2
    Erlass des Präsidenten der Ukraine zum Plan der Maßnahmen zur Erfüllung der Pflichten und Obliegenheiten, die die Ukraine aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Europarat hat vom 27.04.2011, https://zakon.rada. gov.ua/laws/show/24/2011#Text.
  • 3
    Status der Polizei: International Standards und ausländische Gesetzgebung, O. Bantschuk (Hrsg.), Kyjiw, 2013 S. 6, www.pravo.org.ua/img/ books/files/status-policii-banchuk-2013.pdf.
  • 4
    Siehe C. Friesendorf, Fn. 1, S. 96.
  • 5
    Internationale Polizeienzyklopädie, Band I, (Hrsg.) J. Rimarenko, J. Kondratiev, W. Tazij, J. Schemschutschenko, Kiew 2003, Buchbesprechung, B. Schloer, BayVBl. 2004, 510, 511.
  • 6
    Z. B. Die verwaltende (polizeiliche) Tätigkeit der Organe der inneren Verwaltung, Autorenkollektiv unter der Leitung von J. Rimarenko, J. Moisejev, V. Olevir, Kyjiw 2008, 816 S.
  • 7
    Fn. 6, S. 763 ff.
  • 8
    PAG: Privatleben und Polizei, (Hrsg.) J. Rimarenko, Kiew 2006, S. 705 ff., Übersetzung R. Kornuta; PAG und POG: Fn. 3, S. 54 ff. Übersetzung B. Schloer, G. Rischkov.
  • 9
    Code of Conduct for Law Enforcement Officials, www.ohchr.org/en/ins truments-mechanisms/instruments/ code-conduct-law-enforcement-officials.
  • 10
    Basic Principles on the Use of Force and Firearms by Law Enforcement Officials, www.un.org/ruleoflaw/blog/document/basic-principles-on-theuse- of-force-and-firearms-by-law-enforcement-officials/; deutsche Übersetzung, www.un.org/depts/german/conf/ac144-28c.pdf.
  • 11
    Resolution 690 (1979). Declaration on the Police. URL: pace.coe.int/en/ files/16101.
  • 12
    Europäischen Kodex für die Polizeiethik, https://rm.coe.int/16804d79ed.
  • 13
    Status der Polizei, Fn. 3.
  • 14
    OSCE ODIHR, Opinion on the draft law of Ukraine on police and police activities, www.osce.org/odihr/130716;
  • 15
    Verlauf der parlamentarischen Behandlung: https://w1.c1.rada.gov.ua/pls/ zweb2/webproc4_1?pf3511=55082.
  • 16
    Police Services Act, www.ontario.ca/laws/statute/90p15.
  • 17
    Fn. 12.
  • 18
    D. Denisyuk, Aufgaben der Nationalen Polizei der Ukraine: Probleme der Gesetzeskonsolidierung, Verwaltungsrecht und -verfahren, 8/2016, S. 100/ 101; O. S. Danchul, Konzepte des „Dienstleistungsstaates“ und der „bürgernahen Polizeiarbeit“ sind notwendige Voraussetzungen für eine wirksame Reform des Systems des Innenministeriums der Ukraine. Wissenschaftliches Bulletin 3/2018 der Staatlichen Universität für innere Angelegenheiten Lemberg S. 140 – 148.
  • 19
    B. Schloer, Neue verwaltungsrechtliche Begriffe im Gefahrenabwehrrecht – ein Klärungsversuch, in: Fragen des Verwaltungsrechts, zweites Buch, (Hrsg.) N. Pisarenko, Charkiv 2018, S. 92/95 m. w. N.
  • 20
    V.B. Averianov, Die Probleme der Demokratisierung der Staatsverwaltung im Kontext der Verwaltungsreform in der Ukraine, (2002) in: Averianov V.B., Ausgewählte Arbeiten, zusammengestellt von J. Andijko u. a., Kiew 2011, S. 238 ff.; R. Melnyk (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, Lehrbuch, Odessa 2022, S. 379; speziell für die Polizei: Fn. 6, S. 24 f.
  • 21
    Alle Gesetzeszitate beziehen sich im Weiteren auf das „Gesetz über die Nationale Polizei der Ukraine“, wenn nicht anderes angegeben.
  • 22
    https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/1023-2017-%D1 %80#Text
  • 23
    https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/58-2018-п#n10.
  • 24
    https://umdpl.info/about/.
  • 25
    Kharkiv Human Rights Protection Group- KHPG, https://khpg.org/
  • 26
    Reanimation package of reforms, rpr.org.ua/.
  • 27
    Durchführungsverordnung zum vollzugspolizeilichen Dienst im Innenministerium, https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/z0777-15#Text.
  • 28
    „Die wichtigste Aufgabe des gemeindlichen Polizeioffiziers – sich an den Bedürfnissen der örtlichen Bevölkerung orientieren“, Offizielle Seite des Innenministeriums, www.npu.gov.ua/ya-tut.html?fbclid=IwAR2NZxUD5 AHrhQQh-8sHJk8OTXwUHyG0ZZD1n-E0-lH9YrNMdDk-n VeW3N0.
  • 29
    www.npu.gov.ua/npu-pre-prod/sites/1/uploaded-files/%20 %D0 %A2 % D0 %93.pdf.
  • 30
    Fn. 12.
  • 31
    Kommentar zum Polizeigesetz der Ukraine, wissenschaftlich-praktischer Kommentar, Autorenkollektiv unter der Leitung von T. Minka, Dnipro 2017, S. 403.
  • 32
    Fn. 31, S. 404.
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