12.12.2019

Das neue Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG)

Vorbild für andere Bundesländer

Das neue Bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG)

Vorbild für andere Bundesländer

Das BayPsychKHG besteht aus zwei Teilen, dem sog. Hilfe- sowie dem Unterbringungsteil. | © fotomek - stock.adobe.com
Das BayPsychKHG besteht aus zwei Teilen, dem sog. Hilfe- sowie dem Unterbringungsteil. | © fotomek - stock.adobe.com

Das BayPsychKHG ist Grundlage für die Schaffung von psychiatrischen Krisendiensten und Rechtsgrundlage der öffentlich-rechtlichen Unterbringung in ganz Bayern. Es kann als Vorbild für andere Bundesländer dienen.

Überblick

Die Einweisung eines psychisch kranken Menschen in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung sowie die medizinische Behandlung dieser Krankheit gegen seinen natürlichen Willen sind schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte der Freiheit und Unversehrtheit der Person. Zudem sind sie subjektiv extrem belastend und noch immer mit gesellschaftlicher Stigmatisierung verbunden.

Rechtsgrundlage für die öffentlich-rechtliche Unterbringung ist in Bayern das am 1. Januar 2019 in Kraft getretene BayPsychKHG. Es löst das bisherige Bayerische Unterbringungsgesetz ab, stärkt die Rechte von Menschen, die öffentlich-rechtlich untergebracht werden, und schafft vor dem Hintergrund der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie der UN-Behindertenrechtskonvention Rechtssicherheit.


Vor allem aber bildet es die landesgesetzliche (!) Grundlage für eine Vielzahl von Hilfen für die Betroffenen vor, während und nach einer Unterbringung sowie – darüberhinausgehend – mittelbare und unmittelbare strukturelle Verbesserungen der psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger Bayerns.

Gliederung und Inhalt des BayPsychKHG

Das BayPsychKHG besteht aus zwei Teilen, dem sog. Hilfe- sowie dem Unterbringungsteil.

Der Unterbringungsteil des BayPsychKHG, der die öffentlich-rechtliche Unterbringung regelt, Hier noch ein Verb einfügen? folgende Punkte:

  • Die Voraussetzungen der Unterbringung
  • Den Zweck der Unterbringung
  • Die Unterbringungsarten
  • Das Unterbringungsverfahren
  • Den Ort der Unterbringung
  • Die Art und Weise der Unterbringung
  • Hilfe und Unterstützung im Vorfeld öffentlich-rechtlicher Unterbringungen
  • Hilfe und Unterstützung während einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung

Der Hilfeteil des BayPsychKHG betrifft folgende Vorschriften:

  • Die Etablierung und den Betrieb von psychiatrischen Krisendiensten als unmittelbare Verbesserung der Versorgung von psychisch Kranken landesweit, unabhängig von der Frage einer im Raum stehenden öffentlich-rechtlichen Unterbringung. Im Einzelnen werden dabei auch beschrieben
  • die Ziele, Zielgruppen und Aufgaben der Krisendienste
  • die Stellung der Krisendienste in den medizinischen, psychosozialen und sozialen Versorgungssystemen
  • die Organisation, der Aufbau und die Angebotsmerkmale der Krisendienste sowie deren Angebotskriterien.

Weitere, eher mittelbar wirksame Versorgungsverbesserungen umfassen

  • die Prävention psychischer Krankheiten und die Förderung ihrer gesellschaftlichen Entstigmatisierung
  • die Stärkung der organisierten psychiatrischen Selbsthilfe von Betroffenen und deren Angehörigen
  • die weitere Stärkung des sog.Trialogs
  • die Etablierung einer speziellen bayerischen Psychiatrieberichterstattung mit periodischer Berichtspflicht an den Bayerischen Landtag. Sie zielt ab auf die kontinuierliche, bedarfsgerechte Weiterentwicklung der psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychosomatischen und psychosozialen Versorgungsangebote in Bayern.

Das Haupt- und Kernstück der beschriebenen Versorgungsverbesserungen bilden jedoch die psychiatrischen Krisendienste, die künftig in ganz Bayern nicht nur für alle Menschen in akuten psychischen Notlagen (Krisen) sondern auch deren Angehörige kostenlos und niedrigschwellig, erreichbar über eine zentrale Notrufnummer zur Verfügung stehen werden. Soweit erforderlich werden diese Dienste auch vor Ort aufsuchend Hilfe leisten.

Die Krisendienste sind mit den vorhandenen ambulanten und stationären Hilfeangeboten verbunden, ergänzen diese ersetzen sie aber nicht. Doppel- oder Parallelstrukturen sind somit ausgeschlossen.

Neue Publikation zum BayPsychKHG – auch über Bayern hinaus von Bedeutung

Die vorliegende Publikation geht auf viele Detailfragen ein, die sich insbesondere aus der Anwendung und Umsetzung des Gesetzes ergeben. So enthält sie beispielsweise die zu dem Gesetz mittlerweile erlassenen Verwaltungsvorschriften und erleichtert mit einer Vielzahl von Links den Zugang zu einer Materie, bei der medizinische und rechtliche Fragestellungen eng miteinander verknüpft sind. Darüber hinaus behandeln die Autoren auch die Finanzierung der Maßnahmen, durch die die Verbesserungen der Versorgung politisch erst möglich gemacht wurde.

Die Publikation bietet Profis und Interessierten einen gut aufbereiteten Einstieg in die sehr komplexe Materie des BayPsychKHG sowie einen Leitfaden für alle Anwenderinnen und Anwender dieses Gesetzes.

Viele Länder haben bereits novellierte Gesetze zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung auf den Weg gebracht. Auch gibt es dort bereits teilweise regional organisierte Krisendienste.

Da das in Deutschland anerkannt hocheffiziente, primär jedoch somatisch ausgerichtete Notfallrettungssystem beim Management akuter psychischer Notlagen an Grenzen stößt, hat die landesweite Etablierung von psychiatrischen Krisendiensten in mehreren Ländern eine sehr hohe gesundheits- und sozialpolitische Priorität.

Deshalb kann die Publikation insbesondere interessant sein für politische Entscheidungsträger in den Bundesländern, für Funktionsträger der obersten Landesgesundheits- und Sozialbehörden, der Sozial- und Wohlfahrtsverbände, für engagierte Menschen in den Organisationen der Selbsthilfe der Psychiatrieerfahrenen und der Angehörigen psychisch kranker Menschen, bei den Kassen, den Kammern, den betroffenen Berufsverbänden sowie in allen Organisationen und Einrichtungen, die in der kontinuierlichen Verbesserung der psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychosomatischen und psychosozialen Versorgung aktiv sind.

Last but not least gilt dasselbe selbstverständlich in besonderem Maße auch für die Bereiche der öffentlichen Verwaltungen, der Polizei und der Justiz.

 

Dr. Michael Hübsch

Abteilungsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales
 

Dr. Georg Walzel

vormals Referatsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
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