17.02.2025

Widerruf waffenrechtliche Erlaubnis wegen AfD-Mitgliedschaft

Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf

Widerruf waffenrechtliche Erlaubnis wegen AfD-Mitgliedschaft

Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf

Im Juni 2023 waren insgesamt 197 Waffen eingetragen.© Digihelion  – stock.adobe.com
Im Juni 2023 waren insgesamt 197 Waffen eingetragen.© Digihelion – stock.adobe.com

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat geurteilt, dass für Mitglieder der AfD im Landesverband NRW die rechtmäßige Aufnahme der Bundespartei der AfD als Verdachtsfall im Verfassungsschutzbericht ein Indiz dafür darstellt, dass die Voraussetzungen der waffenrechtlichen Regelunzuverlässigkeit vorliegen.

Sachverhalt

Dem Kläger wurden die Waffenbesitzkarten erteilt. Weiterhin erhielt er eine Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Munition, einen Kleinen Waffenschein sowie den Munitionserwerbsschein und eine Anzeigenbescheinigung für Magazine.

In die Waffenbesitzkarten, die ihm als Sammler, Sportschütze und als Standard-Waffenbesitzkarte erteilt worden waren, waren im Juni 2023 insgesamt 197 Waffen eingetragen.


Nach eigenen Angaben ist der Kläger Mitglied der Partei Alternative für Deutschland (im Folgenden: AfD). Er kandidierte für diese bei den Kommunalwahlen, für die Bundestagswahlen sowie für die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Des Weiteren ist er stellvertretender Sprecher der AfD.

Der Beklagte erhielt aus öffentlichen Quellen Kenntnis von der Mitgliedschaft des Klägers in der AfD sowie seine Kandidaturen für die AfD zur Kommunalwahl und Bundestagswahl. Er leitete daraufhin ein Widerrufsverfahren ein und gab dem Kläger mit Schreiben vom 11. Mai 2023 Gelegenheit, zu dem beabsichtigten Widerruf der ihm erteilten Waffenbesitzkarten Stellung zu nehmen. Zur Begründung stützte er sich auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG und die Mitgliedschaft des Klägers in der AfD.

Einstufung der AfD als Verdachtsfall

Der Kläger führte daraufhin aus, aus einer Mitgliedschaft bei der AfD könne keine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG hergeleitet werden. Er nahm auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln – 13 K 326/21 – und die dort angegriffene Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Bezug.

Nicht die AfD in ihrer Gesamtheit verfolge danach verfassungsfeindliche Bestrebungen, es gebe einen Richtungsstreit zwischen unterschiedlichen Strömungen. Jeder Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis müsse individuell betrachtet werden. Er sei nicht Mitglied des Flügels. Er sei jetzt im Ruhestand und ehemaliger Bundesbeamter.

Er sei Mitglied des Grenzschutzes, der heutigen Bundespolizei, gewesen. Er sei u. a. an der Befreiungsaktion zugunsten der Geiseln beteiligt gewesen, die im Zusammenhang mit der 1977 erfolgten Entführung des Lufthansa-Flugzeugs „Landshut“ genommen worden waren.

Er sei auch für den Personenschutz des damaligen Bundesaußenministers mit zuständig gewesen und habe seinen Diensteid auf das Grundgesetz abgelegt. Er beachte die freiheitlich-demokratische Grundordnung und sei verfassungstreu.

Bestimmungen der Ordnungsverfügung

Mit Ordnungsverfügung vom 26. Juni 2023 widerrief der Beklagte (unter Nennung der Nummern der Erlaubnisse) sämtliche dem Kläger erteilte Waffenbesitzkarten sowie die darin eingetragenen Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Munition, den Kleinen Waffenschein, den Munitionserwerbsschein sowie die Anzeigebescheinigung für Magazine vom 14. September 2021 (Ziffer I.) und lehnte unter Ziffer II. die Anträge auf Eintragung weiterer Schusswaffen ab.

Zudem forderte er in Ziffer III. der Ordnungsverfügung – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (vgl. Ziffer V.) – unter Verweis auf das beigefügte Stammblatt den Kläger auf, die darin eingetragenen Schusswaffen sowie eine näher bezeichnete Repetierbüchse, eine halbautomatische Pistole, zwei halbautomatische Büchsen, einen Revolver, eine halbautomatische Pistole und drei halbautomatische Pistolen sowie die in seinem Besitz befindliche erlaubnispflichtige Munition innerhalb von drei Monaten ab Zustellung einer berechtigten Person zu überlassen und die Durchführung dieser Anordnung unter Vorlage der schriftlichen Überlassungsanzeige nachzuweisen oder die Waffen ersatzweise unbrauchbar zu machen.

Zur Begründung führte er aus, dass die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG vorliege. Der Kläger erhob Klage und beantragte, den Bescheid vom 26.06.2023 aufzuheben.

Normen und Leitsätze

WaffG – §§ 45 Abs. 2, 5 Abs. 2 Nr. 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 b), 5 Abs. 2 Nr. 3 c)

BVerfSchG – §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c, 8 Abs. 1, 16 Abs. 1

GG – Art. 21

1. Von § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG werden auch Parteien erfasst, die nicht verboten sind.

2. Die Einstufung einer Partei als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz indiziert, dass zugleich die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erfüllt sind, da die Norm ebenfalls – allein – voraussetzt, dass ein tatsachenbegründeter Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen vorliegt. Es muss hingegen nicht bereits erwiesen sein, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt werden. Dieses Normverständnis verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere Art. 21 GG.

3. Für Mitglieder der AfD im Landesverband NRW stellt die rechtmäßige Aufnahme der Bundespartei der AfD als Verdachtsfall im Verfassungsschutzbericht ein Indiz dafür dar, dass in der Regel die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG vorliegen.

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2024 – 22 K 4836/23

Aus den Gründen

Die Klage hat ganz überwiegend keinen Erfolg.

I. Der Widerruf der dem Kläger erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheids vom 26. Juni 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Er findet seine Rechtgrundlage in § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Der Widerruf ist auch materiell rechtmäßig.

Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Eine waffenrechtliche Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG jedenfalls voraus, dass der Antragssteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) besitzt. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit hatte der Kläger aber im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids verloren.

Waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit

Aus § 5 WaffG ergibt sich, wann eine Person als unzuverlässig anzusehen ist. Während § 5 Abs. 1 WaffG die sogenannten absoluten Unzuverlässigkeitsgründe normiert, bei deren Vorliegen eine Person ohne die Möglichkeit einer Widerlegung als unzuverlässig anzusehen ist, beinhaltet § 5 Abs. 2 WaffG die sogenannte Regelunzuverlässigkeit, welche zwar grds. die Unzuverlässigkeit des Betroffenen indiziert, diese aber nicht zwingend zur Folge hat (widerlegbare Vermutung).

Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG – in der hier anzuwendenden Fassung vom 17. Februar 2020 – besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Bestrebungen einzeln verfolgt haben (a), die unter anderem gegen die verfassungsmäßige Ordnung (aa) oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (bb), gerichtet sind, Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat (b), oder eine solche Vereinigung unterstützt haben (c).

Danach ist der Kläger unzuverlässig, weil die Voraussetzungen der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG erfüllt sind (1.), ohne dass Gründe vorliegen, die eine abweichende Beurteilung von der Vermutung der Unzuverlässigkeit zulassen (2.).

Dabei ist die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nicht durch die Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) WaffG ausgeschlossen, die die waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit an die Mitgliedschaft (innerhalb der letzten zehn Jahre) in einer Partei anknüpft, deren Verfassungsmäßigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.

(…)

Den vollständigen Beitrag lesen Sie im Neuen Polizeiarchiv 12/2024, Lz. 893.

 

Jörg Wagner

Rechtsanwalt
n/a