13.12.2024

Religionsrechtliche Implikationen des nordrhein-westfälischen Bestattungsgesetzes

Herausforderungen und Reformbedarf - Teil 3

Religionsrechtliche Implikationen des nordrhein-westfälischen Bestattungsgesetzes

Herausforderungen und Reformbedarf - Teil 3

Friedhöfe sollen über Leichenhallen verfügen. © fotoknips - Fotolia
Friedhöfe sollen über Leichenhallen verfügen. © fotoknips - Fotolia

Das BestG NRW enthält zahlreiche Vorschriften, die in religionsrechtlicher Hinsicht von Belang sind. Diese Normen oder zumindest ihr herkömmliches Verständnis sind bisweilen kritikwürdig. Das gilt etwa für die Beschränkung der Friedhofsträgerschaft auf korporierte Religionsgemeinschaften (§ 1 Abs. 2), die Beleihung gemeinnütziger religiöser Vereinigungen mit Friedhofserrichtung und -betrieb (§ 1 Abs. 5), den Prüfungsumfang bei Errichtung und Erweiterung kirchlicher Friedhöfe (§ 2), die – der Entwidmung (§ 3 Abs. 2) vorausgehende – Widmung kirchlicher Friedhöfe, die Rechtsnatur kirchlicher Friedhofssatzungen und darauf gegründeter Kirchenrechtsakte (§ 4 Abs. 1), die Festlegung von Grabnutzungszeiten (§ 4 Abs. 2), die Bestattung unter Berücksichtigung des religiösen Empfindens (§ 7 Abs. 2), den hinsichtlich Totgeburten bestehenden Widerspruch zwischen § 14 Abs. 2 (Bestattung) und § 8 Abs. 2 (Verbrennung) und schließlich die Aschenbeisetzung (§ 15 Abs. 5 und 6). Die insofern den Religionsgemeinschaften, namentlich den Kirchen, zukommenden Freiräume sind oftmals größer, bisweilen aber auch kleiner als gemeinhin angenommen.

IX. Kirchliche Friedhofs- und Gebührensatzungen (§ 4)

1. Ausübung staatsabgeleiteter Hoheitsgewalt?

„Die Friedhofsträger regeln durch Satzung Art, Umfang und Zeitraum der Nutzung und Gestaltung ihres Friedhofs […]“ (§ 4 Abs. 1 Satz 1). Demgemäß hat jeder kirchliche Friedhofsträger eine Satzung („Friedhofsordnung“) erlassen. Über die Rechtsnatur der auf dieser Grundlage getätigten kirchlichen Rechtsakte scheint Gewissheit zu bestehen. Denn nach Feststellung des OVG NRW „ist seit Jahrzehnten geklärt, dass eine korporierte Religionsgemeinschaft öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ausübt, wenn sie […] einen öffentlichen Friedhof betreibt“.136 Demgemäß heißt es im Schrifttum, der kirchliche Friedhofsträger werde „staatlich-hoheitlich tätig“; der Kirchengemeinde seien „hier Hoheitsrechte zugestanden, sodass sie als Beliehene der öffentlichen Verwaltung tätig“ werde.137 Die Meinung, kirchliche Friedhofsträger übten (als Beliehene) grundrechtsgebundene „öffentliche Gewalt uneingeschränkt auch gegenüber den Nichtkirchenmitgliedern aus“,138 entspricht h. L.139

Die Annahme einer Beleihung kirchlicher Friedhofsträger ist zwar möglich, aber nicht notwendig. Das allseits anerkannte Phänomen der Öffentlichrechtlichkeit der Ausgestaltung von Nutzungsverhältnissen an kirchlichen Friedhöfen lässt sich nämlich auch anders erklären: Kirchliche Friedhofsträger üben keine staatsabgeleiteten Hoheitsbefugnisse aus (und sind daher keine Beliehenen), sondern handeln nur formal öffentlich-rechtlich, und zwar aufgrund von § 4 Abs. 1 Satz 1: Hier ermächtigt der Staat die Kirchengemeinden, sich zur Ordnung der Nutzungsverhältnisse an ihren Friedhöfen rein formal des öffentlichen Rechts zu bedienen. Lediglich die öffentlich-rechtliche („hoheitliche“) Handlungsform beruht auf staatlicher Verleihung. Der Staat stellt den kirchlichen Friedhofsträgern nur jene Handlungsform zur Verfügung, nicht aber eine wesensmäßig davon zu unterscheidende Hoheitsgewalt, derer die Kirchengemeinden zur Ausgestaltung ihrer Friedhofsnutzungsverhältnisse auch gar nicht bedürfen.140


Diese Konstruktion vermeidet das auf der Grundlage der h. M. sich ergebende – aber für gewöhnlich nicht erkannte – Problem, dass Kirchenfremde einer vom kirchlichen Monopolfriedhofsträger ausgeübten staatsabgeleiteten Hoheitsgewalt ohne hinreichend klare landesgesetzliche Beleihungsgrundlage (vergleichbar den schulgesetzlichen Regelungen zu Ersatzschulen141) nicht unterworfen werden dürfen.142

2. Amtshaftung?

Da Bedienstete kirchlicher Friedhofsträger (entgegen der h. M.) keine staatsabgeleitete Hoheitsgewalt – und damit kein „öffentliches Amt“ i. S. v. Art. 34 GG – ausüben, muss der Friedhofsträger für Schäden (entgegen der h. M.143) nicht nach Amtshaftungsgrundsätzen aufkommen.144 In Fällen z. B. der Verwechslung des Sarges, der irrtümlichen Beisetzung auf einer fremden Grabstelle145 oder einer unrichtigen Auskunft samt Entfernung eines Grabsteins146 haftet die Kirchengemeinde analog § 823 Abs. 1, § 89 Abs. 1, § 31 BGB147 (bei „verfassungsmäßig berufenen Vertretern“) bzw. § 831 BGB (bei Verrichtungsgehilfen).

Für Schäden durch die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht muss der kirchliche Friedhofsträger gemäß § 823 Abs. 1, § 89 Abs. 1, § 31 bzw. § 831 BGB, also rein privatrechtlich, haften:148 Der Bestattungsgesetzgeber hat von der Möglichkeit, die Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlich auszugestalten149 (mit der Folge der Einschlägigkeit von § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG), zu Recht150 keinen Gebrauch gemacht. Eine diesbezügliche Einstandspflicht nach Amtshaftungsgrundsätzen anstelle von § 823 Abs. 1, § 89 Abs. 1, § 31 bzw. § 831 BGB kann ein kirchlicher (anders als ein gemeindlicher)151 Friedhofsträger in seiner Friedhofssatzung nicht anordnen – eben weil er auch bei der Verkehrssicherung keine staatsabgeleitete Hoheitsgewalt ausübt.

3. Zulässiger Inhalt kirchlicher Friedhofssatzungen

Leitlinien für zulässige Satzungsinhalte ergeben sich aus dem Friedhofszweck (oben II. 1.) und aus dem Friedhofstypus (konfessioneller Friedhof i. e. S., Simultanfriedhof ohne Monopolcharakter, Simultanfriedhof mit Monopolcharakter): Dass der Gestaltungsspielraum des kirchlichen Satzungsgebers maßgeblich vom Friedhofstypus abhängt, ist eine „friedhofsrechtliche Selbstverständlichkeit“.152

Beim Betrieb von Monopolfriedhöfen ist der kirchliche Friedhofsträger nach h. M. einigen rechtlichen Bindungen unterworfen, die seine Satzungsautonomie einschränken.153 Das gilt z. B. im Hinblick auf die sog. besonderen Gestaltungsvorschriften (oben II. 1.). Diese sind zulässiger Inhalt einer Monopolfriedhofssatzung nur im Falle einer friedhofsinternen Ausweichmöglichkeit, also bei Existenz auch von gestaltungsfreien Grabfeldern, „sodass […] eine Aufteilung der Grabfelder in der Satzung selbst gefordert werden muss“.154

Träger kirchlicher Friedhöfe ohne Monopolcharakter sind bei der Ausübung ihrer Satzungsbefugnis deutlich freier gestellt (und das nicht nur beim Erlass von Gestaltungsvorschriften). Hier „liegt es durchaus im Regelungsermessen des kirchlichen Satzungsgebers, den Kreis derjenigen, die bestattet werden dürfen, auf Kirchengemeindeangehörige zu beschränken“.155

Kirchliche Friedhofssatzungen können Zulassungsbeschränkungen für Gewerbetreibende156 und Regelungen zur (gesetzlich nicht verankerten) Sargpflicht157 enthalten.

4. Festlegung „gleich langer Grabnutzungszeiten“ (§ 4 Abs. 2)

Das BestG verzichtet auf die zeitliche Determinierung von Ruhezeiten. Damit wird es Friedhofsträgern ermöglicht, zur Wahrung der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) Ruhezeiten festzusetzen, die über den von der Verwesungsdauer als Mindestfrist vorgegebenen zeitlichen Rahmen hinausgehen. So gebietet es z. B. die islamische Bestattungskultur, Tote ewig – und nicht nur „bis sie ‚eins sind mit der Erde‘“158 – ruhen zu lassen. Dem müssen Träger kirchlicher Monopolfriedhöfe (wie auch gemeindlicher Friedhöfe) bei der Festlegung von Ruhezeiten Rechnung tragen.

So begrüßenswert die Eröffnung dieses Freiraums auch ist, so kritikwürdig erscheint die „unnötige und zudem missverständliche Einschränkung des […] Entscheidungsspielraums“159 in § 4 Abs. 2 mit der dortigen zeitlichen Gleichschaltung von Erdbestattung und Aschenbeisetzung: Die Verwesungsdauer ist bei Urnenbeisetzungen naturgemäß eine andere als bei Sargbestattungen. Der Landtag wollte mit dem BestG die Handlungsmöglichkeiten der Friedhofsträger generell erweitern. Daher muss es sich bei dem gegenläufigen § 4 Abs. 2 insgesamt (wie auch beim Terminus „Grabnutzungszeiten“160) um ein Redaktionsversehen handeln.161 Korrigiert man dieses Versehen, so fordert § 4 Abs. 2 eine Angleichung der Ruhezeiten lediglich innerhalb der jeweiligen Grabkategorie (Reihengrab, Wahlgrab usw.).162 Das Gesundheitsministerium befürwortet eine – die Wortlautgrenze indes überschreitende und daher unzulässige – extensive Auslegung des § 4 Abs. 2: Es meint, der Friedhofsträger könne für Erdbestattungen Grabfelder mit unterschiedlichen Ruhezeiten (z. B. für Kinder/Erwachsene oder je nach Bodenverhältnissen) ausweisen und die kürzeste dieser Ruhezeiten für Aschenbeisetzungen übernehmen.163

§ 4 Abs. 2 sollte neu gefasst werden.164

5. Erledigung alter Streitfragen

Indem § 4 Abs. 1 Satz 1 kirchlichen Friedhofsträgern explizit Satzungsautonomie gewährt, macht er die Beantwortung gemeinhin diskutierter Streitfragen165 entbehrlich. Ob die Satzungsbefugnis bereits aus dem Körperschaftsstatus166 bzw. aus dessen Verfassungsgarantie (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV) folgt167 und es daher keiner spezialgesetzlichen Satzungsermächtigung bedarf,168 kann für NRW dahinstehen. Gleiches gilt hinsichtlich der in § 4 Abs. 1 und 3 ausdrücklich erwähnten Gebührenerhebung: Der Frage, ob das Gebührenerhebungsrecht kirchlicher Friedhofsträger „körperschaftsimmanent“ ist169 und daher „unmittelbar aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV“ folgt,170 muss angesichts von § 4 nicht nachgegangen werden. Entbehrlich ist schließlich auch eine Würdigung der Feststellung, „zum Erlass von Gebührensatzungen“ bedürfe „der kirchliche Friedhofsträger nur einer kirchengesetzlichen, keiner besonderen staatsgesetzlichen Ermächtigung“171. Letztere existiert in Form des § 4 Abs. 1 Satz 1.

6. Kirchliche Gebührenerhebung (§ 4 Abs. 3)

Kirchlicherseits erhobene Friedhofsnutzungsgebühren können im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden, sofern die zugrunde liegende Gebührensatzung von der Bezirksregierung genehmigt wurde (§ 4 Abs. 3). Die staatliche Genehmigung ist Voraussetzung nicht mehr der Wirksamkeit kirchlicher Gebührensatzungen,172 sondern nur noch der staatlichen Vollstreckung kirchlicher Gebührenbescheide. Die Einholung jener Genehmigung ist für kirchliche Friedhofsträger nicht mehr Pflicht, sondern nur noch Obliegenheit (nämlich zur Erlangung staatlicher Vollstreckungshilfe).

Vollstreckungshilfe dürfen staatliche Behörden nur im Falle ihrer gesetzlichen Ermächtigung (hier: § 4 Abs. 3) leisten.173 Da Kirchen auf die Gewährung von Vollstreckungshilfe keinen Anspruch haben, darf der Staat diese Hilfeleistung von der staatlichen Genehmigung der (dem zu vollstreckenden Gebührenbescheid zugrundeliegenden) kirchlichen Gebührenordnung abhängig machen174 – und macht es für gewöhnlich auch: Es stellt „föderales Gemeingut“ dar, „dass staatliche Vollstreckungshilfe beim Einzug von [kirchlichen] Friedhofsgebühren an eine vorherige Satzungsgenehmigung gebunden ist“.175 Durch diese Genehmigung bringt der Staat zum Ausdruck, dass er eine satzungskonforme Gebührenerhebung für rechtmäßig und die jeweilige Gebühr auch ohne gerichtliches Prüfungs- bzw. Titulierungsverfahren für beitreibbar erachtet.

Umstritten ist, ob bzw. inwieweit kirchliche Friedhofsträger beim Erlass von Gebührensatzungen an staatsgesetzliche Vorgaben gebunden sind. Die Judikatur ist recht rigoros: „Die Inanspruchnahme staatlicher Machtmittel hat zur Voraussetzung, dass sich die Gebührenerhebung in dem durch das Kommunalabgabenrecht gesteckten Rahmen bewegt.“176 „Die im KAG niedergelegten zentralen Grundsätze des kommunalen Gebührenrechts sind auf den kirchlichen Bereich übertragbar, soweit sie Ausprägungen verfassungsrechtlicher Gewährleistungen und als solche Teil des für alle geltenden Gesetzes i. S. d. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV sind.“177

Eine solch umfassende Bindung stößt jedoch aufgrund der mit ihr einhergehenden Beschränkung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV) auf Bedenken.178 So muss es z. B. möglich sein, dass der Träger eines kirchlichen Nichtmonopolfriedhofs für die Bestattung von Fremdkonfessionellen oder Konfessionslosen in seiner Satzung Gebührenzuschläge vorsieht, sofern diese einer gerechten Lastenverteilung und begrenzten Verhaltenssteuerung dienen.179

7. Öffentliche Bekanntmachung (§ 4 Abs. 4)

„Die Satzungen sind nach den für den Satzungsgeber geltenden [hier also: kirchlichen]180 Vorschriften öffentlich bekannt zu machen“ (§ 4 Abs. 4). Die Bekanntmachung muss rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügen,181 und zwar bei allen kirchlichen Friedhofstypen gleichermaßen.182 Ansonsten besitzt die Satzung weltlich-rechtlich keine Geltung. Ein Aushang der Satzung am Friedhof genügt nicht.183

X. Berücksichtigung des religiösen Empfindens (§ 7 Abs. 2)

„Soweit möglich, sind Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Bestattungen unter Berücksichtigung des Empfindens […] der Glaubensgemeinschaft, der die zu Bestattenden angehörten, vorgenommen werden können“ (§ 7 Abs. 2). Eine Glaubensgemeinschaft als solche hat nota bene kein „Empfinden“, sondern (allgemeine) Glaubensgrundsätze und (spezifische) Bestattungsriten.

Ratio legis des § 7 Abs. 2 ist die Schaffung eines „rechtlichen Rahmen[s] für Bestattungen unter Beachtung […] z. B. dem Islam vorgeschriebener […] Gebräuche“.184 Damit ermöglicht, ja gebietet das Gesetz dem Friedhofsträger die Ausweisung eines gesonderten Gräberfeldes für Muslime185 und bei Bestattungen von Muslimen die Ausrichtung der Grabstelle nach Mekka, die Verwendung eines Leichentuchs anstelle eines Sargs und den (islamtypischen) Verzicht auf die gärtnerische Pflege des Grabes.186

Die Pflicht, für Bestattungen von Muslimen die Voraussetzungen „soweit möglich“ zu schaffen, trifft kirchliche Friedhofsträger jedenfalls hinsichtlich ihrer Monopolfriedhöfe. Der Pflichtcharakter des § 7 Abs. 2 wird durch den „Soweit-möglich“-Vorbehalt freilich stark relativiert – und zwar zu Recht: Auch bei Monopolfriedhöfen ist „die kirchliche Selbstbestimmung (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV) nicht vollständig zurückgedrängt, was […] für die Frage von Bedeutung sein kann, in welchem Umfang bekenntnisfremde Bestattungsbräuche zu dulden sind“.187 Bei Nichtmonopolfriedhöfen dürfen Kirchengemeinden fremd- oder areligiöse Bestattungsfeierlichkeiten ausschließen.188 Ungeachtet dessen ermöglicht die Musterfriedhofsordnung des Erzbistums Köln (verfassungs- wie einfachrechtlich überobligatorisch) auf Friedhöfen aller Kategorien „Beerdigungsfeiern […] anderer Religionsgesellschaften“ und islamtypische „sarglose Bestattungen“.189

Die „Berücksichtigung des Empfindens […] der Glaubensgemeinschaft“ (§ 7 Abs. 2) ist bei Bestattungen selbstverständlich auch von Kirchenmitgliedern geboten – etwa bei sog. Baumbestattungen: „Vom christlichen Standpunkt aus sprechen mehrere Aspekte gegen diese Bestattungsform: Besonders kritisch ist, dass sie pantheistischen und naturreligiösen Vorstellungen Vorschub leistet.“190 Dennoch bestimmt die o. g. Musterfriedhofsordnung, dass „Baumbestattungen, d. h. die Beisetzung der Totenasche im Wurzelwerk der Bäume, […] auf kirchlichen [!] Friedhöfen“ möglich ist, wenn der notwendig eindeutig bestimmbare Beisetzungsort mit dem Namen des Verstorbenen und einem christlichen Symbol versehen wird.191 Selbst hinsichtlich der (ebenfalls an § 7 Abs. 2 zu messenden)192 „gemeinsamen Bestattung von Mensch und Tier“193 ist die katholische Kirche mittlerweile recht tolerant: „Die Aschereste von Heimtieren dürfen als Grabbeigabe [§ 11 Abs. 1 Satz 1] beigefügt werden.“194

XI. Friedhofszwang (§ 14 Abs. 1) und Bestattungsanspruch

„Kirchliche Friedhöfe sind grundsätzlich nur zur Bestattung der Mitglieder der Kirchengemeinde bestimmt, die den Friedhof unterhält. […] Für andere Gemeindebewohner besteht […] unabhängig […] von der Religionszugehörigkeit […] nur dann ein [satzungsmäßig nicht einschränkbares] Benutzungsrecht, wenn […] der kirchliche Friedhof eine Monopolstellung einnimmt.“195 Sind mehrere kirchliche Friedhöfe verschiedenen Bekenntnisses, aber kein kommunaler Friedhof vorhanden (sog. relative Monopolfriedhöfe), darf kein Friedhofsträger die Bestattung eines Verstorbenen ablehnen, für dessen Bekenntnis in der Gemeinde kein Friedhof existiert.196 Die damit einhergehende staatliche Indienstnahme kirchlicher Friedhofsträger197 (samt Beschränkung von Religionsfreiheit und Selbstbestimmungsrecht) wird von den Kirchen seit jeher akzeptiert198 – und ist angesichts von regulierungsbedürftiger Monopolstellung und gesetzlichem Friedhofszwang (§ 14 Abs. 1 Satz 1) auch verfassungsgemäß. Jene Indienstnahme ist zur persönlichkeits- und damit grundrechtlich geforderten Gewährleistung einer würdigen Bestattung notwendig.199 Letzte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit werden durch folgende Erwägung ausgeräumt: Kraft ihres Selbstbestimmungsrechts können Monopolfriedhofsträger die Friedhofsnutzung jederzeit auf Kirchenmitglieder beschränken.200 Geschieht das, so ist die Gemeinde zur Anlage eines kommunalen Friedhofs verpflichtet – und die Kirchengemeinde aus ihrer Monopolstellung entlassen, mithin von allen monopolbedingten Bindungen (wie insbesondere von der Pflicht zur Aufnahme aller Gemeindeeinwohner) befreit.201

„Tot- und Fehlgeburten sowie die aus einem Schwangerschaftsabbruch stammende Leibesfrucht sind auf einem Friedhof zu bestatten […]“ (§ 14 Abs. 2 Satz 1). Die Regelung zur Bestattung von Tot- und Fehlgeburten wurde im Gesetzgebungsverfahren kirchlicherseits „ausdrücklich begrüßt“.202 Nunmehr ermöglichen sogar katholische Friedhofsträger die Bestattung auch der „aus Schwangerschaftsabbrüchen stammenden Leibesfrüchte“.203 Damit wie insgesamt geht die Kirche aufgrund ihrer weitreichenden Lebensschutzvorstellungen über das einfachrechtlich Gebotene hinaus: Zur Schaffung der in Rede stehenden – wie jedweder – Bestattungsmöglichkeit sind gemäß § 1 Abs. 1 nur Kommunen, nicht aber Kirchengemeinden verpflichtet. Ob die aus § 14 Abs. 2 folgende Bestattungspflicht auch kirchliche Monopolfriedhofsträger bindet,204 kann angesichts der erwähnten, alle kirchlichen Friedhofstypen umfassenden, großzügigen Praxis offenbleiben.

Die Perpetuierung des hinsichtlich Totgeburten usw. bestehenden Widerspruchs zwischen § 14 Abs. 2 (Bestattung) und § 8 Abs. 2 (irrig: Verbrennung) wurde von der katholischen Kirche anlässlich der 2014 erfolgten Novellierung des BestG zu Recht – wenngleich vergeblich – moniert.205

 

XII. Aschenbeisetzung (§ 15 Abs. 5 und 6)

Die Beisetzung von Urnen mit Totenasche muss auf einem Friedhof oder auf See erfolgen und (seit 2014, einer kirchlichen Forderung entsprechend)206 dem Krematorium von den Hinterbliebenen nachgewiesen werden (§ 15 Abs. 5 Satz 2 und 4). Demgegenüber sah der Gesetzentwurf von 2002 die Möglichkeit vor, „Totenasche außerhalb eines Friedhofs […] (z. B. in den Räumen Hinterbliebener)“ aufzubewahren.207 Das wurde von beiden Kirchen heftig kritisiert. Sie machten geltend, der „freie Umgang mit der Urne“ führe zu einer „Verletzung der Menschenwürde und der Totenruhe“:208 „Nach jüdisch-christlicher Tradition können wir Menschen nicht über unsere sterblichen Überreste verfügen. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir über unser Leben überhaupt nicht verfügen können.“209 Diesen Einwänden wurde vom Landtag nach einer „öffentlichen Diskussion, die fast Kulturkampfcharakter hatte“,210 Rechnung getragen. Schlussendlich war man sich darin einig, „dass die Urnen nicht auf den Kaminsims gehören“.211

Die Totenasche darf auf einem vom Friedhofsträger festgelegten Bereich des Friedhofs (und behördlich genehmigt auch außerhalb eines Friedhofs) verstreut oder ohne Behältnis vergraben werden, wenn dies vom Verstorbenen so bestimmt ist (§ 15 Abs. 6). Unerhört blieb die insofern von den Kirchen geäußerte Kritik: „Wenn die Asche des Menschen in alle Winde zerstreut wird, dann besagt dieses Zeichen ganz deutlich: Die Asche des Menschen verweht, sein Leben verschwindet im Nichts.“212 Daher heißt es in der o. g. kirchlichen Musterfriedhofsordnung unmissverständlich: „Ein Verstreuen der Totenasche über oder unterhalb der Grasnarbe ist unzulässig.“213 Dieses Verbot anonymer Bestattungen214 gilt auch für kirchliche Monopolfriedhöfe.215 Eine Pflicht zur Anlegung von Aschestreufeldern („Streuwiesen“) mag die Kommunen treffen;216 ein kirchlicher (auch Monopol-)Friedhofsträger jedenfalls kann nicht „zur Einführung von […] Bestattungsformen gezwungen werden, die er selbst ablehnt“.217 Irritieren muss daher die Thematisierung von „kirchliche[n] Streuflächen“218 und des „[Asche-]Verstreuens durch einen Geistlichen“219.

XIII. Fazit

Die vor bald zwei Dekaden in dieser Zeitschrift getroffene Feststellung, dass „selbst gegenwärtig die bekenntnisrechtlichen Implikationen des Bestattungs- und Friedhofsrechts noch nicht zufriedenstellend geklärt“ seien,220 trifft nach wie vor zu. Diese Klärung ist und bleibt ein Desiderat der Rechtswissenschaft – ebenso, wie der normierende Nachvollzug dieser Klärung (und die Beseitigung der hier aufgezeigten legislatorischen Unzulänglichkeiten221) ein Desiderat der Gesetzgebung ist.

Der Beitrag stammt aus den NWVBl. Heft 7/2024.

 

Dr. Achim Janssen

Regierungsdirektor, Vertreter des Landrats im Amt, Eichstätt
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