Religionsrechtliche Implikationen des nordrhein-westfälischen Bestattungsgesetzes
Herausforderungen und Reformbedarf - Teil 2
Religionsrechtliche Implikationen des nordrhein-westfälischen Bestattungsgesetzes
Herausforderungen und Reformbedarf - Teil 2

Fortsetzung des ersten Beitrags.
Das BestG NRW enthält zahlreiche Vorschriften, die in religionsrechtlicher Hinsicht von Belang sind. Diese Normen oder zumindest ihr herkömmliches Verständnis sind bisweilen kritikwürdig. Das gilt etwa für die Beschränkung der Friedhofsträgerschaft auf korporierte Religionsgemeinschaften (§ 1 Abs. 2), die Beleihung gemeinnütziger religiöser Vereinigungen mit Friedhofserrichtung und -betrieb (§ 1 Abs. 5), den Prüfungsumfang bei Errichtung und Erweiterung kirchlicher Friedhöfe (§ 2), die – der Entwidmung (§ 3 Abs. 2) vorausgehende – Widmung kirchlicher Friedhöfe, die Rechtsnatur kirchlicher Friedhofssatzungen und darauf gegründeter Kirchenrechtsakte (§ 4 Abs. 1), die Festlegung von Grabnutzungszeiten (§ 4 Abs. 2), die Bestattung unter Berücksichtigung des religiösen Empfindens (§ 7 Abs. 2), den hinsichtlich Totgeburten bestehenden Widerspruch zwischen § 14 Abs. 2 (Bestattung) und § 8 Abs. 2 (Verbrennung) und schließlich die Aschenbeisetzung (§ 15 Abs. 5 und 6). Die insofern den Religionsgemeinschaften, namentlich den Kirchen, zukommenden Freiräume sind oftmals größer, bisweilen aber auch kleiner als gemeinhin angenommen.
VI. Die Übertragung von Friedhofserrichtung und -betrieb an gemeinnützige Religionsgemeinschaften (§ 1 Abs. 4 bis 6 und 8)
1. Übertragung durch Religionsgemeinschaften?
„Gemeinden dürfen Errichtung und Betrieb von Friedhöfen unter den Voraussetzungen der Absätze 5 oder 6 an [besser: auf] private Rechtsträger […] im Wege der Beleihung übertragen“ (§ 1 Abs. 4 Satz 2). Angesichts des klaren Gesetzeswortlauts („Gemeinden“) verwundert es, dass oftmals davon ausgegangen wird, jene Übertragung resp. Beleihung könne auch durch eine (korporierte) Religionsgemeinschaft erfolgen. So heißt es z. B., gemäß § 1 Abs. 6 dürfe „ein öffentlich-rechtlicher Friedhofsträger – also eine politische oder kirchliche Gemeinde – […] die Anlegung und Unterhaltung eines Friedhofs in Form eines Begräbniswaldes auf Personen des Privatrechts übertragen (Beleihung)“65. Diese Feststellung widerspricht nicht nur dem Gesetzeswortlaut, sondern auch dem Umstand, dass Beleihungen durch nicht staatliche Rechtssubjekte verwaltungsrechtsdogmatisch bislang unbekannt waren und auch de lege ferenda unzulässig sein dürften. Letzteres hindert zudem die Annahme, bereits der insofern anders formulierte § 1 Abs. 4 a. F.66 habe die Möglichkeit der Beleihung durch kirchliche Friedhofsträger geboten. Entgegen der Ansicht von Gesundheitsministerin,67 Kirchen68 und Schrifttum69 wäre § 1 Abs. 4 a. F. einschränkend dahingehend auszulegen gewesen, dass ausschließlich Gemeinden (nicht aber Religionsgemeinschaften) die fragliche Beleihung70 bzw. Übertragung vornehmen durften.
Angesichts dessen sollte in § 1 Abs. 7 und 8 Satz 1 nicht pauschal von „Friedhofsträger“, sondern de lege ferenda präzise von „Gemeinde“ die Rede sein (und auch der Verweis auf § 2 Abs. 1 Satz 2 [„Religionsgemeinschaften“] korrigiert werden).
2. Übertragung an Religionsgemeinschaften und religiöse Vereine
a) „Religionsgemeinschaften“ und „religiöse Vereine“ (§ 1 Abs. 5)
§ 1 Abs. 5 regelt die beleihungsförmige gemeindliche Übertragung von Friedhofserrichtung und -betrieb „an gemeinnützige Religionsgemeinschaften oder religiöse Vereine“. Mit dieser Vorschrift soll nach dem Willen des Gesetzgebers „der Integrationsaspekt im Friedhofswesen gestärkt“ werden, nämlich „örtlichen islamischen Vereinen“ und „islamischen Dachverbänden“ Anlage wie Betrieb eines (islamischen) Friedhofs ermöglicht werden.71 Dass es sich bei islamischen Dachverbänden nicht um Religionsgemeinschaften, sondern (nur) um sogenannte religiöse Vereine handelt,72 entspricht der – vom BVerwG mehrfach und zu Recht beanstandeten – Judikatur des OVG NRW zum Anspruch islamischer Dachverbände auf Einrichtung von Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen.73 Zudem sind auch „örtliche islamische Vereine“, also Moscheegemeinden, durchweg nicht (bloße) „religiöse Vereine“, sondern (vereinsrechtlich organisierte) „Religionsgemeinschaften“.74
b) Gemeinnützigkeit (§ 1 Abs. 5)
„Gemeinnützige Zwecke“ (§ 52 AO) können nur solche Religionsgemeinschaften verfolgen, die vereinsrechtlich verfasst sind. Eine Beleihung von Religionskörperschaften des öffentlichen Rechts aufgrund von § 1 Abs. 5 scheidet daher a limine aus (und ist bei Kirchengemeinden als typischen Friedhofsträgern i. S. v. § 1 Abs. 2 auch unnötig). Wohl aber muss Gemeinnützigkeit auch beleihungswilligen religiösen Vereinen abverlangt werden.75
c) Dauerhaftigkeit (§ 1 Abs. 5)
„Die Übertragung an gemeinnützige Religionsgemeinschaften oder religiöse Vereine ist zulässig, wenn diese den dauerhaften Betrieb [des Friedhofs] sicherstellen können“ (§ 1 Abs. 5). Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung, einer religiösen Vereinigung könne „der selbstständige Betrieb eines Friedhofs ermöglicht werden, wenn sie nachweist, dass sie finanziell und organisatorisch dauerhaft dazu in der Lage ist“.76 Das Dauerhaftigkeitserfordernis soll sicherstellen, dass der (islamische) Friedhof jedenfalls so lange betrieben wird, bis „die sich aus den Bodenverhältnissen ergebende Verwesungsdauer“ (§ 4 Abs. 2), also die Ruhezeit, verstrichen ist. Zudem will der Gesetzgeber verhindern, dass bei einem Ausfall des (islamischen) Friedhofsbetreibers die Gemeinde den weiteren Unterhalt des Friedhofs bis zum Ablauf der Ruhezeiten übernehmen muss.77
Die Anforderungen an eine Sicherstellung des „dauerhaften“ Friedhofsbetriebs dürfen indes nicht überspannt werden. Dem Verlangen nach einer „hinreichende[n] Organisationsstruktur und Mitgliederzahl“78 ist entgegenzuhalten, dass „gemeinnützige [d. h. vereinsrechtlich verfasste] Religionsgemeinschaften“ und „religiöse Vereine“ als sogenannte eingetragene Vereine (§§ 21, 55 ff. BGB) per se hinreichend organisiert sind. Eine höhere Mitgliederzahl als sieben (s. § 56 BGB) kann einer islamischen Vereinigung für die Übertragung des Friedhofsbetriebs nicht abgefordert werden.
Verlangt man vom (islamischen) Beleihungsprätendenten darüber hinaus den Nachweis von „Finanzmittel[n], dingliche[n] Sicherheiten oder Erfüllungsbürgschaften“,79 so ist sub specie des Gleichheitssatzes Folgendes zu bedenken: In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche katholische und evangelische Kirchengemeinden (d. h. Friedhofsträger) aufgelöst und zu neuen Kirchengemeinden zusammengelegt,80 ohne dass diese kirchliche Organisationspraxis den Staat dazu bewogen hätte, von Kirchengemeinden die Sicherstellung eines dauerhaften Friedhofsbetriebs oder den Nachweis von Finanzmitteln usw. zu fordern. Schließlich sind Kirchengemeinden insolvenzfähig81 und können den dauerhaften Friedhofsbetrieb auch deshalb nicht so unzweifelhaft „bis in alle Ewigkeit“ garantieren wie gemeinhin angenommen.
d) Haftungsfreistellung (§ 1 Abs. 8 Satz 3)
„Die übernehmende Stelle [Religionsgemeinschaft/religiöser Verein] stellt die Aufsichtsbehörde82 [besser: Gemeinde]83 von allen Ansprüchen Dritter wegen Schäden frei, die durch Ausübung der ihr übertragenen Aufgaben [Friedhofserrichtung/?betrieb] verursacht werden“ (§ 1 Abs. 8 Satz 3). Demnach soll entgegen der Anvertrauenstheorie nicht die beleihende Gemeinde, sondern die beliehene religiöse Vereinigung haften. In anderem Zusammenhang hat das BVerwG die in einem Beleihungsbescheid enthaltene Haftungsfreistellungsregelung auch auf Fälle einfacher Fahrlässigkeit erstreckt.84 Angesichts dessen und aufgrund der weitreichenden Gesetzesformulierung („alle Ansprüche“) ist es der Gemeinde verwehrt, darüber zu befinden, ob die ihr zugutekommende Haftungsfreistellung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit des beliehenen Friedhofsbetreibers greifen soll oder „ob der Beliehene auf Grund seiner Selbständigkeit keiner solchen ‚fürsorglichen‘ [Haftungs-]Begrenzung bedarf“85.
Von der Haftung freizustellen ist die Gemeinde übrigens nicht etwa in ihrer Funktion als „Aufsichtsbehörde“ (§ 1 Abs. 8 Satz 3), sondern als beleihende Stelle.
e) Anspruch auf Übertragung/Beleihung?
Gemeinden „dürfen“ Friedhofserrichtung und -betrieb auf private Rechtsträger im Wege der Beleihung übertragen; die Übertragung auf religiöse Vereinigungen ist unter gewissen Voraussetzungen „zulässig“ (§ 1 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 5). Angesichts des klaren Wortlauts und gemäß der Beleihungsdogmatik haben religiöse Beleihungsprätendenten keinen Anspruch auf Beleihung.86 Wohl aber sind die zitierten Ermessensregelungen „im Lichte der Religionsfreiheit zu sehen“87 und von daher so auszulegen, „dass bei Erfüllung der Voraussetzungen eine Beleihung der antragstellenden [islamischen] Religionsgemeinschaft vorzunehmen ist“88 oder sich das gemeindliche Ermessen zumindest deutlich reduziert.
Letzteres gilt vor allem in Gemeinden mit kirchlichen Monopolfriedhöfen: Wenn und solange die Gemeinde eine beleihungswillige und -würdige islamische Vereinigung nicht beleiht, zwingt sie den kirchlichen Monopolfriedhofsträger zur – dem kirchlichen Proprium des Friedhofs widersprechenden – Aufnahme verstorbener Muslime und zur Duldung islamischer Bestattungsriten. Vor diesem Hintergrund kann die Gemeinde zur Wahrung von Selbstbestimmungsrecht und Religionsfreiheit des kirchlichen Monopolfriedhofsträgers verpflichtet sein, den islamischen Friedhofsprätendenten zu beleihen.
Aus anderer Perspektive: Wenn und solange eine beleihungsfähige und -würdige islamische Vereinigung darauf verzichtet, „ihre“ Kommune um Beleihung zu ersuchen, und daher keinen islamischen Friedhof anlegen will, zwingt sie den kirchlichen Monopolfriedhofsträger (ggf. wider dessen Willen) dazu, in der Monopolstellung mit all ihren Bindungen (u. a. Aufnahmezwang) zu verharren. Sollen dann die Mitglieder jener Vereinigung gleichwohl einen Anspruch haben, auf dem kirchlichen Friedhof nach islamischem Ritus bestattet zu werden?
f) Gegenstand und Folge der Übertragung/Beleihung
„Gemeinden dürfen Errichtung und Betrieb von Friedhöfen […] an private Rechtsträger (übernehmende Stellen) im Wege der Beleihung übertragen“ (§ 1 Abs. 4 Satz 2). Macht die Gemeinde von dieser Ermächtigung aufgrund von § 1 Abs. 5 Gebrauch, so wird die betreffende religiöse (muslimische) Vereinigung nicht Trägerin, sondern nur Betreiberin eines (muslimischen) Friedhofs. Die Vereinigung ist dann nicht als „Friedhofsträgerin“, sondern als „übernehmende Stelle“ zu titulieren. Das Gesetz unterscheidet konsequent zwischen beiden Entitäten (siehe z. B. § 6 Satz 1: „Friedhofsträger und übernehmende Stelle“89) – nicht nur terminologisch, sondern auch sachlich: Friedhofsträger ist, wer im eigenen Namen und in eigener Verantwortung einen Friedhof betreibt.90 Das ist bei einer „übernehmenden Stelle“ nicht der Fall: Sie untersteht „der Rechtsaufsicht des übertragenden Friedhofsträgers“, der zudem die Friedhofssatzung erlässt (§ 1 Abs. 8 Satz 1 und 2).
Ungeachtet dessen werden beliehene private Rechtsträger im Allgemeinen und beliehene religiöse Vereinigungen im Besonderen häufig als „Friedhofsträger“ qualifiziert. So heißt es etwa, die Kommune dürfe „gemeinnützige Religionsgemeinschaften oder religiöse Vereine mit der Friedhofsträgerschaft beleihen“91. Das trifft ebenso wenig zu wie die Feststellung, ein Privater könne „im Wege der Beleihung Träger eines Friedhofs werden“92; oder, konkret: „Die übernehmende Stelle wird selbst Träger des Begräbniswaldes.“93 Dahingehende Feststellungen des OVG NRW94 darf man, zumal obiter dicta getroffen, nicht überbewerten. Bisweilen setzt man sich über den Normtext sogar bewusst hinweg95 – anders (und zutreffend) das VG Minden: „Durch Beliehene betriebene Friedhöfe nach § 1 Abs. 4 BestG NRW sind weiterhin öffentliche Friedhöfe in öffentlicher [d. h. gemeindlicher] Trägerschaft.“96 Die Beleihung bewirkt eine „bloß formelle Privatisierung“97.
VII. Errichtung und Erweiterung kirchlicher Friedhöfe (§ 2)
„Die Errichtung und die Erweiterung der Friedhöfe […] bedürfen der Genehmigung. Genehmigungsbehörde ist für Friedhöfe der Gemeinden der Kreis […] und für Friedhöfe der Religionsgemeinschaften die Bezirksregierung“ (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2). Nicht zu überzeugen vermag die vom Gesetzgeber für diese Zuständigkeitsverteilung angeführte Begründung: „Genehmigungsbehörde für die Friedhöfe der […] Religionsgemeinschaften können die Kreise […] wegen möglicher Interessenkonflikte nicht sein.“98 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Kreise wohl nirgends Friedhofsträger sind, also mangels Konkurrenzsituation keinem „Interessenkonflikt“ ausgesetzt sind. Damit steht nichts im Wege, den Kreisen die Genehmigungszuständigkeit de lege ferenda auch bei kirchlichen Friedhöfen zuzuweisen.
Der Entscheidung kirchengemeindlicher Gremien, einen Friedhof anzulegen oder zu erweitern, geht in der Praxis wohl stets die – kirchenaufsichtlich zu billigende – Prüfung und Feststellung eines entsprechenden (Bestattungs-)Bedarfs voraus. Es ist davon auszugehen, dass eine Kirchengemeinde wie auch eine Kommune „in [nicht enden wollenden] Zeiten knapper Kassen nur dann einen Friedhof errichten wird, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht“99. Der Bedarf muss daher von der staatlichen Genehmigungsbehörde nicht geprüft werden, ja er darf nicht geprüft werden (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, § 2 Abs. 3): Das an die antragstellende Kirchengemeinde adressierte Verlangen, sie möge eine „Flächenbedarfsrechnung“ vorlegen,100 ist unzulässig. Die Sorge, bei Verzicht auf eine Bedarfsprüfung entstehe letztendlich „ein Überangebot an Bestattungsfläche, was zur Unwirtschaftlichkeit beider Friedhöfe führt [hier: des bestehenden gemeindlichen wie des neuen oder erweiterten kirchlichen Friedhofs]“,101 erscheint unberechtigt.
Die Ansicht, es bleibe „der Genehmigungsbehörde im Allgemeinen überlassen, [quasi frei] zu bestimmen, welche Unterlagen dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung beizufügen sind“,102 vermag – ihre Richtigkeit unterstellt – das behördliche Verlangen um Vorlage einer Bedarfsrechnung oder auch des Beschlusses des Kirchenvorstands über die Anlegung des Friedhofs103 nicht zu rechtfertigen: Eine katholische Kirchengemeinde wird im weltlichen Rechtskreis durch ihren Kirchenvorstand vertreten (§ 1 Abs. 1 KVVG)104. Dessen Willenserklärungen (wie z. B. Genehmigungsanträge) „verpflichten die [Kirchen-]Gemeinde […], wenn sie der Vorsitzende oder sein Stellvertreter und zwei Mitglieder schriftlich unter Beidrückung des Amtssiegels abgeben. Hierdurch wird nach außen die Ordnungsmäßigkeit der [zugrundeliegenden] Beschlußfassung festgestellt“ (§ 14 Satz 2 und 3 KVVG).105 Angesichts dessen gibt es keine Notwendigkeit, über den (unterzeichneten und gesiegelten) Friedhofsgenehmigungsantrag hinaus behördlicherseits auch noch die Vorlage des betreffenden Kirchenvorstandsbeschlusses – oder gar der diesbezüglichen kirchenaufsichtlichen Genehmigung106 – zu verlangen.
Die althergebrachte Regelung, wonach Kirchenvorstandsbeschlüsse „bei […] Anlegung […] von Begräbnisplätzen […] der Genehmigung der Staatsbehörde“ bedürfen (§ 15 Abs. 1 Nr. 5 KVVG a. F.), ist längst aufgehoben.107 Das hat sich aber noch nicht überall herumgesprochen.108
Aufgrund des drittschützenden Charakters des Genehmigungserfordernisses haben die von kirchlichen Friedhofserweiterungen betroffenen Grundstücksnachbarn Anspruch auf Durchführung eines Genehmigungsverfahrens109 und damit auf Unterlassung nicht genehmigter Friedhofserweiterungen. Die gegenteilige Ansicht des OVG NRW110 ist unzutreffend.
VIII. Schließung und Entwidmung kirchlicher Friedhöfe (§ 3)
1. Schließung kirchlicher Friedhöfe (§ 3 Abs. 1)
„Friedhöfe können ganz oder teilweise geschlossen werden“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1). Hinsichtlich der Schließung kirchlicher Friedhöfe, d. h. deren Sperrung für weitere Bestattungen,111 wird im Schrifttum zwischen Simultanfriedhöfen mit und ohne Monopolcharakter unterschieden:
Ein kirchlicher Friedhof, auf dem nach freier Entscheidung der Kirchengemeinde (also nicht aufgrund einer Monopolstellung) neben Kirchenmitgliedern auch Fremdkonfessionelle und Konfessionslose bestattet werden können (sog. Simultanfriedhof ohne Monopolcharakter), soll nach bisweilen vertretener Ansicht nur mit „Zustimmung der politischen Gemeinde“ geschlossen werden können.112 Dieses Zustimmungserfordernis wird jedoch sogleich wieder relativiert, indem man die Gemeinde für „grundsätzlich“ verpflichtet hält, die Zustimmung zu erteilen, „wenn ein hinreichender Grund für die Außerdienststellung vorliegt“.113Ob ein solcher Grund vorliegt, beurteilt indes allein die Kirchengemeinde (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV),114 ohne dass Staat und Kommune insofern ein Prüfungs- oder Mitspracherecht besitzen. Daher sollte auf das Zustimmungserfordernis redlicherweise von vornherein verzichtet werden.
Bei einem kirchlichen Monopolfriedhof (also einem Friedhof, der alle Verstorbenen einer Gemeinde aufnehmen muss) kann der Friedhofsträger aufgrund seines kirchlichen Selbstbestimmungsrechts die Nutzung im Nachhinein pro futuro auf Kirchenmitglieder beschränken.115 Bei dieser Nutzungsbeschränkung handelt es sich indes nicht etwa um eine teilweise Schließung des Friedhofs. Denn der offen formulierte § 3 Abs. 1 („ganz oder teilweise geschlossen“) versteht den Schließungsumfang nicht nutzer-, sondern flächenbezogen. Andere Bestattungsgesetze bringen das deutlicher zum Ausdruck.116
Für kirchliche Simultan- inkl. Monopolfriedhöfe gilt: Über die Schließung entscheidet allein der kirchliche Friedhofsträger. Da Kirchengemeinden zum Betrieb von Friedhöfen zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, können Staat und Kommune die Schließung eines kirchlichen (auch: Monopol-)Friedhofs nicht verhindern. Im Falle der Schließung wird die gemeindliche Pflicht zur Gewährleistung einer Bestattungsmöglichkeit (§ 1 Abs. 1) aktiviert: Sofern der Bestattungsbedarf im Gemeindegebiet nicht anderweitig befriedigt ist, muss die Gemeinde einen eigenen Friedhof anlegen oder erweitern. Damit die Gemeinde dafür notwendige Entscheidungen und Baumaßnahmen rechtzeitig treffen kann, ist der kirchliche Friedhofsträger verpflichtet, seine „Schließungsabsicht“ der Genehmigungsbehörde und der Gemeinde unverzüglich anzuzeigen (§ 3 Abs. 1 Satz 2). Diese Anzeige ist notwendig und auch hinreichend.117 Für die weitergehende Forderung, der schließungswillige kirchliche Friedhofsträger müsse den Friedhofsbetrieb „im Interesse der öffentlichen Bestattungsordnung“ während einer „angemessenen Frist“, nämlich bis zur Fertigstellung des kommunalen Friedhofs, aufrechterhalten und damit Bestattungen ermöglichen,118 gibt es keine Rechtsgrundlage. Nichtsdestotrotz wird sich der kirchliche Friedhofsträger in der Praxis wohl ausnahmslos, ja selbstverständlich (und auch überobligatorisch) mit „seiner“ politischen Gemeinde abstimmen.
2. Widmung und Entwidmung kirchlicher Friedhöfe (§ 3 Abs. 2)
Durch die der Schließung (§ 3 Abs. 1) nachfolgende119 „Entwidmung“ (§ 3 Abs. 2) wird der Friedhof einer anderen Verwendung zugeführt; die Gräber werden eingeebnet120 (freilich erst nach Ablauf der Grabnutzungszeiten bzw. nach kirchengemeindlich verfügten121 Umbettungen). Die Entwidmung beseitigt die bisherige Zweckbestimmung „Friedhof“.
Die Entwidmung setzt rechtsdogmatisch und rechtslogisch eine vorherige Widmung voraus. Letztere wird im BestG nicht geregelt (weil der Friedhofszweck unerwähnt bleibt122). Gleichwohl ist die Widmung unabdingbare Voraussetzung für die rechtliche Existenz eines jeden Friedhofs. Die gegenteilige Ansicht des OVG NRW, die Widmung sei „nicht Voraussetzung, sondern nur Folge des Vorliegens eines Friedhofs“,123 ist mit dem traditionellen Widmungsverständnis unvereinbar.124
a) Widmung als Zweckbestimmung
Nach allgemeinen Grundsätzen kommt der Widmung die Aufgabe zu, den öffentlichen Zweck festzulegen, dem die betreffende Sache (hier: der Friedhof) dienen soll.125 Mit der Festlegung des Zwecks bestimmt die Widmung Inhalt und Umfang der Sachnutzung. Als Instrument zur Nutzungsregelung determiniert die Widmung das Rechtsverhältnis zwischen Sachherr und Sachnutzer.
Bei Friedhöfen ergeben sich Inhalt und Umfang der Widmung durchweg aus der jeweiligen Friedhofssatzung. Die dort enthaltenen nutzungsrechtlichen Bestimmungen umschreiben den (gesetzlich nicht normierten) Widmungs- bzw. Friedhofszweck. Die Widmung als Zweckbestimmung muss sich nicht auf eine generelle und oberflächliche Zwecksetzung „Friedhof“ beschränken, sondern kann etwa auch Nutzungsarten und Nutzerkreis festlegen.
All das gilt auch für kirchliche Friedhöfe. Bei ihnen erfolgt die Widmung nach Maßgabe des Kirchenrechts durch Weihehandlung oder feierliche Indienstnahme. Die Rechtsprechung beanstandet es bei kirchlichen Friedhöfen ohne Monopolstellung gemeinhin nicht, wenn „der Friedhof grundsätzlich nur für die Bestattung der eigenen Kirchengemeindemitglieder gewidmet ist“126. Ausgehend von der Annahme, das streitgegenständliche Grabnutzungsrecht werde „von vornherein begrenzt durch den Anstaltszweck, der sich aus der Widmung […] ergibt“,127 ist das OVG NRW der zutreffenden Auffassung, es „beschränk[e] sich der Anstaltszweck des Ev. [Nichtmonopol-] Friedhofs […] in zulässiger Weise auf die Bestattung von Personen, die im Zeitpunkt ihres Todes Mitglieder einer christlichen Religionsgemeinschaft waren. Dabei […] konkretisieren […] die Friedhofsordnungsbestimmungen […] die Widmung des Friedhofsgrundstücks zum Friedhof einer bestimmten Kirchengemeinde […]. […] Die Beschränkung der Bestattung […] auf den vorgenannten Personenkreis ist materiell-rechtlich wirksam, da sie dem Anstaltszweck des Friedhofs entspricht. Kirchliche Friedhöfe sind grundsätzlich nur zur Bestattung der Mitglieder der Kirchengemeinde bestimmt, die den Friedhof unterhält.“128
Freilich können kirchliche Monopol- und Simultanfriedhofsträger kraft ihres Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV) die Widmung des Friedhofs im Nachhinein auf die Bestattung ihrer Mitglieder (oder Angehöriger christlicher Kirchen) beschränken.129 Geschieht das, so ist die Gemeinde erforderlichenfalls zur Anlage bzw. Erweiterung eines kommunalen Friedhofs verpflichtet.
b) Widmung als Akt der Begründung öffentlicher Sachherrschaft?
Die Widmung soll einem kirchlichen Friedhof nicht nur eine Zweckbestimmung, sondern auch den Rechtsstatus einer „öffentlichen Sache“ vermitteln. Nach h. M.130 sind kirchliche Friedhöfe öffentliche Sachen im Sinne der traditionellen Lehre vom öffentlich-rechtlich modifizierten Privateigentum. Dementgegen ist mit dem jüngeren Schrifttum (und im Anschluss an die Entscheidung des OVG NRW zum Hamburger Stadtsiegel131) davon auszugehen, dass eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit bzw. Sachherrschaft als Belastung des Privateigentums nur durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes erwirkt werden kann.132 Da es bei kirchlichen (wie auch bei gemeindlichen) Friedhöfen an einer solchen Rechtsgrundlage fehlt, sind diese selbst im Falle ihrer Widmung keine öffentlichen Sachen.133 Dem Gesetzesvorbehalt genügt Gewohnheitsrecht mittlerweile auch dann nicht mehr, wenn sich eine „lang andauernde Übung in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit einer durch Widmung begründeten öffentlichen Sachherrschaft […] für kirchliche Friedhöfe als res sacrae nachweisen lassen“ sollte.134
Falls man der Widmung kirchlicher (und gemeindlicher) Friedhöfe de lege ferenda die Wirkung der Begründung eines öffentlichen Sachstatus zugestehen wollte, so müsste in das BestG zumindest eine § 6 Abs. 6 StrWG NRW entsprechende Regelung aufgenommen werden,135 also: „Durch privatrechtliche Verfügungen […] über die dem Friedhof dienenden Grundstücke […] wird die Widmung nicht berührt.“
Der Beitrag stammt aus den NWVBl. Heft 7/2024 und wird fortgesetzt.