Querverbund in Gefahr?!
Aktuelle BFH-Rechtsprechung vom 29.8.2024
Querverbund in Gefahr?!
Aktuelle BFH-Rechtsprechung vom 29.8.2024

Der Bundesfinanzhof hat sich in seinem am 21.11.2024 veröffentlichten Urteil vom 29.8.2024 (Az. V R 43/21) kritisch zur Zusammenfassung von Tätigkeiten im steuerlichen Querverbund geäußert. Insbesondere die in der Praxis besonders relevante sog. Kettenzusammenfassung lehnt der Bundesfinanzhof ab.
Wesentliche Aussagen des Urteils
Mit der Kettenzusammenfassung ist es möglich, drei oder mehr BgA aus steuerlicher Sicht zusammenzufassen. In seiner aktuellen Entscheidung erklärt der Bundesfinanzhof nun aber entgegen der expliziten Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 12.11.2009, dass die Zusammenfassung mehrerer BgA erfordert, dass alle Tätigkeiten auch jeweils untereinander zusammenfassbar sind.
Beispiel: Ein Stadtwerk (Eigenbetrieb) betreibt die BgA Strom-, Gas-, Wärme-, Wasserversorgung, Verkehr und Bad. Die technisch-wirtschaftliche Verflechtung wird mittels BHKW hergestellt.
Bisheriges Vorgehen: Anschließend wurde die kettenförmige Verknüpfung des zusammengefassten BgA „Strom/Bäder“ mit den übrigen BgA Gas-, Wasser-, Wärmeversorgung und Verkehr als Katalogbetriebe nach § 4 Abs. 6 Nr. 2 KStG vorgenommen (Schritt 2).
Folgen des BFH-Urteils
Vorgenannter Schritt 2 ist wohl nach Auffassung des BFH nicht möglich, da der Bäderbetrieb über das BHKW nicht mit allen Betrieben des BgA Gas-, Wasser-, Wärmeversorgung und Verkehr technisch-wirtschaftlich verflochten werden kann und auch andere Zusammenfassungskriterien nicht greifen.
Damit verbleibt es entweder bei der Ergebniszusammenfassung im BgA „Strom/Bad“ und dem danebenstehenden zusammengefassten BgA „Gas-, Wasser-, Wärmeversorgung und Verkehr“ oder aber es wird ein zusammengefasster BgA „Strom-, Gas-, Wasser-, Wärmeversorgung und Verkehr“ gebildet und das Bad als isolierter BgA geführt.
Zukünftige Positionierung der Finanzverwaltung?
Das zum BFH-Verfahren hinzugezogene BMF hat die bisherige Form der Kettenzusammenfassung im Verfahren verteidigt; auch der Entwurf des BMF-Schreibens vom 07.10.2024 zu weiteren Grundsätzen zur Zusammenfassung von BgA nach § 4 Absatz 6 S. 1 Nr. 2 KStG geht von der Möglichkeit zur Kettenzusammenfassung aus.
Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung nun positioniert. Denkbar wäre ein expliziter Nicht-Anwendungserlass, soweit die Finanzverwaltung an ihrer bisherigen Auffassung festhält. Unseres Erachtens ist dies vertretbar, weil der Sachverhalt des BFH einen atypischen Ausnahmefall bei einer AöR betraf.
Bedeutung der Entscheidung für Querverbünde in Kapitalrechtsform
Die Bedeutung der Entscheidung für Querverbünde in Kapitalrechtsform hängt nach unsere Einschätzung auch davon ab, ob der BFH bereit ist, in diesen Konstellationen die sog. Geprägetheorie der Finanzverwaltung mitzutragen. Denn anders als bei dem Wahlrecht zur Zusammenfassung von BgA, bilden zusammenfassbare Tätigkeiten bei Kapitalgesellschaften nach § 8 Abs. 9 KStG jeweils immer eine einheitliche Sparte. Die neuen Grundsätze des BFH zu der Zusammenfassung von BgA sind nach unserer Ansicht auf Eigengesellschaften nicht ohne Weiteres anwendbar.
….und das Mittschleppen von Bädern?
Zudem lässt die Entscheidungsbegründung des BFH es wohl auch weiterhin zu, mehrere Bäder eines Bäder-BgA über nur ein BHKW „mitzuschleppen“. Dabei ist die Frage entscheidend, wann von einem einzigen oder von mehreren Bäder-BgA auszugehen ist. Bei der Spartenbetrachtung auf der Ebene von Kapitalgesellschaften geht es zudem um die Zuordnung von Tätigkeiten, nicht aber um die Zuordnung von BgA!
Änderung des Körperschaftsteuergesetzes?
Die rechtssicherste Lösung im Umgang mit dieser Problematik wäre eine Änderung des KStG. Dies gilt insbesondere, weil der BFH den Wortlaut des § 4 Abs. 6 KStG in den Gründen des Urteils analysiert und eng auslegt. Kurzfristig wird eine Gesetzesänderung, auch aufgrund der aktuellen politischen Situation, allerdings nicht möglich sein.
Das BMF sollte der Kommunalwirtschaft aber jedenfalls eine angemessene Übergangsfrist bis zu einer etwaigen Anwendung der Rechtsprechung gewähren.




