26.09.2019

Nachhaltige Energieversorgung –

auch durch einen Windpark im Rotmilan-Dichtezentrum?

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Für eine umweltfreundliche Zukunft sind Experten im Nachhaltigkeitsrecht gefragt. | © DOC RABE Media - stock.adobe.com
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Zum Nachhaltigkeitsprinzip zählt die nachhaltige Energieversorgung.[1] Windenergieanlagen an Land (sog. Onshore-Anlagen) und auf See (sog. Offshore-Anlagen) tragen wesentlich dazu bei, das gesetzgeberische Ziel einer nachhaltigen Energieversorgung zu erreichen.[2] Insbesondere seit 2010 wurden viele Windenergieanlagen an Land neu errichtet.[3]

Einleitung

Der Bau der Windenergieanlagen bzw. eines Windparks/einer Windfarm[4] stößt vor Ort oft auf Widerstand: Anwohner sehen sich z.B. unzumutbarem Lärm, Schattenwurf oder erdrückender Wirkung von Windenergieanlagen ausgesetzt; in vielen Fällen schließen sie sich zu Bürgerinitiativen zusammen. Gemeinden verweigern ihr gemeindliches Einvernehmen nach § 36 BauGB für Anlagen auf ihrem Gebiet oder wenden sich gegen Windenergieanlagen in einer Nachbargemeinde. Anerkannte Umwelt und Naturschutzvereinigungen (z.B. BUND, NABU) sehen durch die Windenergieanlagen besonders geschützte Arten (z.B. Rotmilan oder Schwarzstorch) gefährdet. Deshalb geht mit dem Bau von Windenergieanlagen oft ein juristisches Ringen vor den Verwaltungsgerichten einher: Eher selten ist der Fall, in dem die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung[5] nicht erteilt wurde und der Vorhabenträger deshalb Verpflichtungsklage auf Erteilung der Genehmigung erhebt.[6] Typisch ist dagegen der Fall, dass sich ein Dritter (z.B. ein Anwohner oder eine anerkannte Umweltvereinigung) mit einem Widerspruch, einer Anfechtungsklage oder einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung[7] gegen eine erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung wendet. Dem im Folgenden vorzustellenden Beschluss des VGH Mannheim vom 20. 07. 2018[8] lag ein solcher Sachverhalt zugrunde.

Ausgangslage: immissionsschutzrechtliche Genehmigung für einen Windpark mit drei Windenergieanlagen

Ein Vorhabenträger plant in einem Waldgebiet einen Windpark mit drei Windenergieanlagen (Nabenhöhe: 149 m, Rotordurchmesser: 136 m, Gesamthöhe: 217 m, Nennleistung: jeweils 3,45 MW). Er beantragte beim zuständigen Landratsamt die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung mit umfangreichen Antragsunterlagen. Im Genehmigungsverfahren führte das Landratsamt eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls durch.[9] Diese Vorprüfung kam zum Ergebnis, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich ist. Im Dezember 2016 erteilte das Landratsamt im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG die immissionsschutzrechtliche Genehmigung und ordnete sofortige Vollziehung der Genehmigung an.


§ 80 Abs. 5 VwGO-Antrag eines Anwohners

Ein Anwohner wohnt ca. 733 m, 796 m und 1.228 m von den drei geplanten Windenergieanlagen entfernt. Er legte gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung fristgerecht Widerspruch ein. Dabei wurde er unterstützt von einer Bürgerinitiative, die sich gegen den Windpark gebildet hat. Da diese nicht nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG)[10] anerkannt ist, hat sie keine Verbandsklagerechte und konnte den Widerspruch nicht selbst einlegen.

Im Februar 2017 beantragte der Anwohner beim VG Sigmaringen, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wiederherzustellen. Er begründete diesen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO u. a. damit, dass von den Windenergieanlagen schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm und Schattenwurf ausgehen würden und die Anlagen wegen ihrer optisch bedrängenden Wirkung auf sein Anwesen ihm gegenüber rücksichtslos seien. Es bestehe zudem ein Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 2 UmwRG. Die vom Vorhabenträger vorgelegten Gutachten (u. a. die artenschutzrechtliche

Prüfung nach § 44 BNatSchG) seien keine geeignete Grundlage für die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls, die Vorprüfung sei fehlerhaft durchgeführt worden und im Ergebnis nicht nachvollziehbar. Durch den Betrieb der Windenergieanlagen werde das Tötungsrisiko u. a. für den Rotmilan signifikant i. S. v. § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BNatSchG erhöht.

Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das VG Sigmaringen

Vor dem VG Sigmaringen hatte der Antrag Erfolg: Mit Beschluss vom 7. 9. 2017[11] wurde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts wiederhergestellt. Der Antrag sei zulässig. Die Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog folge zwar nicht unmittelbar aus § 4 Abs. 1, 3 UmwRG (Rn. 7 des Beschlusses).[12] Es sei jedoch nicht völlig ausgeschlossen, dass der Anwohner durch den Betrieb der Windenergieanlagen schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BIm- SchG in Form von Lärmimmissionen und einem unzulässigen Schattenwurf ausgesetzt werde (Rn. 5 f.).

Das VG Sigmaringen hielt den Antrag auch für begründet (Rn. 8 ff.). Die Genehmigung leide voraussichtlich an einem Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b, S. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UmwRG. Danach können auch Nicht-Umweltvereinigungen (z. B. Anwohner) die Aufhebung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verlangen, wenn eine durchgeführte UVP-Vorprüfung nicht dem Maßstab des § 5 Abs. 3 S. 2 UVPG[13] genügt. Nach § 5 Abs. 3 S. 2 UVPG ist die UVP-Vorprüfung nur daraufhin zu überprüfen, ob sie entsprechend den Vorgaben des § 7 UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Es findet also eine Plausibilitätsprüfung statt.

Nach Auffassung des VG Sigmaringen hat der Anwohner voraussichtlich einen Aufhebungsanspruch. Das Landratsamt habe „die im Vorhabengebiet vorgefundenen Dichtezentren von Rotmilanen als ökologisch ähnlich sensible und gleichermaßen schutzbedürftige Lebensräume nicht angemessen berücksichtigt“ (Rn. 33 ff.).

Das Dichtezentren-Konzept für den Rotmilan ist nicht durch eine Rechtsnorm definiert, sondern entstammt einer sog. Fachkonvention[14] der LUBW (Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg). Es liegt vor, wenn in einem Radius von 3,3 km um eine geplante Windenergieanlage mindestens vier Revierpaare des Rotmilans vorkommen.[15]

Das VG Sigmaringen meinte demnach ein Dichtezentrum sei hinsichtlich der räumlichen Bestimmtheit und Qualität der Erhaltungsziele mit den Schutzkriterien der in Nr. 2.3.1 bis 2.3.9 der Anlage 3 zum UVPG genannten, förmlich ausgewiesenen Schutzgebieten hinreichend vergleichbar. Es müsse deshalb auch Gegenstand einer standortbezogenen Vorprüfung sein (Rn. 42). Obwohl alle drei Anlagenstandorte in Dichtezentren des Rotmilans lägen, habe sich die standortbezogene Vorprüfung damit nicht hinreichend auseinandergesetzt; das stelle die Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses der Vorprüfung (keine UVP-Pflicht) in Frage (Rn. 44 ff.). Die Durchführung der UVP-Vorprüfung sei auch nicht so dokumentiert worden, wie es nach § 5 Abs. 3 S. 2 UVPG i. V. m. § 7 Abs. 7 UVPG erforderlich sei (Rn. 58 ff.).

Erfolgreiche Beschwerde: Aufhebung des Baustopps  durch den VGH Mannheim

Gegen den Beschluss des VG Sigmaringen legte der beigeladene Vorhabenträger mit Erfolg Beschwerde nach § 146 Abs. 4 VwGO ein: Mit Beschluss vom 20. 7. 2018[16] hat der VGH Mannheim den Beschluss des VG Sigmaringen vom 7. 9. 2017 geändert und den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt.

Die entscheidungstragenden Erwägungen des VG Sigmaringen hielt der VGH Mannheim für unrichtig (Rn. 5 ff. des Beschlusses): Entgegen der Auffassung des VG Sigmaringen könne der Anwohner nicht verlangen, dass nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b, S. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UmwRG die immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufgehoben wird. Die vom Landratsamt durchgeführte standortbezogene Vorprüfung leide an keinem Fehler, der zur Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung führen könne.

Bei der standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls sei allein darauf abzustellen, ob durch das Vorhaben die in Nr. 2.3 der Anlage 3 zum UVPG aufgeführten Gesichtspunkte erheblich tangiert werden können. Artenschutzrechtlichen Belangen komme bei der standortbezogenen Vorprüfung – anders als bei einer allgemeinen Vorprüfung – nur dann Relevanz zu, wenn nachteilige Umweltauswirkungen auf dem besonderen Artenschutz unterliegende Tierarten eine Gefährdung des Schutzzwecks eines der in Nr. 2.3 der Anlage 3 zum UVPG genannten Schutzgebiete befürchten lasse (Rn. 6).

Eines der in Nr. 2.3.1 bis 2.3.11 der Anlage 3 des UVPG ausdrücklich genannten Gebiete oder Einzelobjekte (z. B. Natura 2000-Gebiete) könne durch das streitige Vorhaben nicht erheblich nachteilig beeinflusst werden (Rn. 10). Insoweit stimmte der VGH Mannheim dem VG Sigmaringen zu.

In dem für das VG Sigmaringen entscheidungstragenden Punkt widersprach der VGH Mannheim deutlich (Rn. 13): „Ein Dichtezentrum vom Rotmilanen ist dagegen als solches einem Gebiet im Sinne der Nummer 2.3 der Anlage 2 des UVPG a. F. (bzw. der Nummer 2.3 der Anlage 3 des UVPG) nicht gleichzustellen und deshalb für sich gesehen von vornherein nicht geeignet, bei einer standortbezogenen Vorprüfung eine UVP-Pflicht begründen zu können“.

Der vom Dichtezentrum-Konzept verfolgte individuenbezogene Schutz unterscheide sich kategorial von den Gebieten der Nr. 2.3 der Anlage 3 zum UVPG, da diese Gebiete nicht kreisförmig vom geplanten Standort eines Vorhabens aus bestimmt werden, sondern anderweitig abgegrenzte geografische Räume zum Gegenstand haben und grundsätzlich durch ihre förmliche Unterschutzstellung gekennzeichnet sind (Rn. 13). Das Dichtezentren-Konzept sei nur entwickelt worden, um für den Rotmilan Verstöße gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG beurteilen zu können.

Auch das Unionsrecht gebiete es nicht, ein wie auch immer artenschutzfachlich definiertes Dichtezentrum von Rotmilanen als unbenanntes Kriterium nach Nr. 2.3 der Anlage 3 zum UVPG in die standortbezogene Vorprüfung einzubeziehen (Rn. 14).

Der VGH Mannheim konnte – anders als das VG Sigmaringen – auch nicht erkennen, dass das Landratsamt die Durchführung und das Ergebnis der UVP-Vorprüfung nicht hinreichend dokumentiert hat (Rn. 16 f.). Er lässt es insoweit – übereinstimmend mit der Rechtsprechung des BVerwG[17] – genügen, wenn die der UVP-Vorprüfung zugrunde gelegten Unterlagen, die wesentlichen Prüfschritte und die dabei gewonnenen Erkenntnisse über nachteilige Umweltauswirkungen zumindest grob skizziert in der Zulassungsentscheidung oder in einem zu den Verwaltungsakten genommenen Dokument niedergelegt sind. Diese Anforderungen wurden hier nach Auffassung des VGH Mannheim erfüllt.

Da der VGH Mannheim die entscheidungstragenden Erwägungen des VG Sigmaringen für unrichtig hielt, hatte er zu prüfen, ob das VG Sigmaringen im Ergebnis dennoch richtig entschieden hatte. Das ist nach Auffassung des VGH Mannheim nicht der Fall (Rn. 19 ff.): Insbesondere könne der Anwohner mit seinem Vorbringen, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstoße gegen natur- und artenschutzrechtliche Vorschriften, nicht gehört werden. Er könne sich als natürliche Person – anders als Umweltvereinigungen – nicht auf eine Verletzung der natur- und artenschutzrechtlichen Vorschriften berufen, da diese Vorschriften ihm keine eigenen Rechte i. S. v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO einräumen (Rn. 21).

Der Anwohner werde voraussichtlich durch den Betrieb der Windenergieanlagen auch keinen schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG ausgesetzt sein. Das gelte für hörbaren Schall (Rn. 23 f.), tieffrequenten Schall (sog. Infraschall) (Rn. 25) und für optische Immissionen durch Schattenwurf (Rn. 26 ff.). Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstoße auch nicht gegen das in § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB verankerte und nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG auch im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfende Rücksichtnahmegebot (Rn. 29).

Es gelte die Vermutungsregel, wonach von einer Windenergieanlage in der Regel keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht, wenn der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windenergieanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser) der geplanten Anlage beträgt. Im zu entscheidenden Fall liegt das Wohnhaus des Anwohners von der nächstgelegenen Windenergieanlage ca. 733 m und damit deutlich mehr als das Dreifache der Gesamthöhe der Anlage (651 m) entfernt. Demnach hielt der VGH Mannheim den Beschluss des VG Sigmaringen auch im Ergebnis für unrichtig und half der Beschwerde ab.

Fazit

Der Beschluss des VGH Mannheim ist in doppelter Hinsicht – gerade auch für Studierende und Referendare – lesenswert. Einerseits arbeitet er typische Einwände ab, die von Anwohnern gegen Windenergieanlagen erhoben werden, um eine Klage- bzw. Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO (analog) und eine Rechtsverletzung i. S. v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (analog) zu begründen (hörbarer Schall, Infraschall, Schattenwurf und optisch bedrängende bzw. erdrückende Wirkung). Andererseits stellt der VGH Mannheim zur Unterscheidung zwischen der standortbezogenen und der allgemeinen Vorprüfung überzeugend klar:[18] Bei der standortbezogenen Vorprüfung kommt artenschutzrechtlichen Belangen grundsätzlich nur dann Relevanz zu, wenn  zugleich eine Gefährdung des Schutzzwecks eines der in Nr. 2.3 der Anlage 3 zum UVPG genannten Schutzgebiete zu befürchten ist.

Ein Dichtezentrum von Rotmilanen ist für sich gesehen von vornherein nicht geeignet, bei einer standortbezogenen Vorprüfung eine UVP-Pflicht begründen zu können. Nur weil Anlagenstandorte in einem Dichtezentrum des Rotmilans liegen, liegen noch keine „besonderen örtlichen Gegebenheiten“ vor (so inzwischen die Formulierung von § 7 Abs. 2 S. 4 UVPG (n. F.)). Dementsprechend hat es der VGH Mannheim zu Recht nicht beanstandet, dass die standortbezogene Vorprüfung des Landratsamts zum Ergebnis kam, eine UVP-Pflicht bestehe nicht. Das Dichtezentrum des Rotmilans spielt nur bei der Frage eine Rolle, ob die Anlage gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verstößt. Das wird von den Verwaltungsgerichten nach den §§ 2, 3 UmwRG jedoch nur geprüft, wenn der Rechtsbehelf von einer anerkannten Umweltvereinigung gestellt wurde.

 

[1] Vgl. z. B. § 1 Abs. 1 des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG): „Zweck dieses Gesetzes ist es, insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, […]“; § 1 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG: […] dem Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung insbesondere durch zunehmende Nutzung erneuerbarer Energien kommt eine besondere Bedeutung zu“; § 1 Abs. 1 des Klimaschutzgesetzes Baden-Württemberg (KSG BW): „Zweck dieses Gesetzes ist es, […] einen angemessenen Beitrag zum Klimaschutz durch Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu leisten und zugleich zu einer nachhaltigen Energieversorgung beizutragen.“. Näher zu sonstigen Ausprägungen des Nachhaltigkeitsprinzips z. B. Rehbinder, in: Rehbinder/Schink, Grundzüge des Umweltrechts, 2018, Kap. 3 Rn. 81; Schlacke, Umweltrecht, 2019, § 3 Rn. 2.

[2] Nach dem Erfahrungsbericht zum Erneuerbare- Energien-Gesetz vom 29. 6. 2018 (EEG-Erfahrungsbericht, BT-Drucks. 19/3030, S. 4) hat die Windenergie an Land einen Anteil an der gesamten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von 40,7 % bzw. von 14,7 % am (gesamten) Brutto-Stromverbrauch.

[3] Nach dem EEG-Erfahrungsbericht (Fn. 2) wurden z. B. im Jahr 2017 1.775 Anlagen neu zugebaut.

[4] Windfarmen sind nach § 2 Abs. 5 S. 1 UVPG drei oder mehr Windkraftanlagen, deren Einwirkungsbereich sich überschneidet und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob sie von einem oder mehreren Vorhabenträgern errichtet wurden.

[5] Nach Nr. 1.6 Anhang 1 zur 4. BImSchV ist für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung schließt nach § 13 BImSchG z. B. die Baugenehmigung ein.

[6] Eine solche Konstellation lag dem Beschluss des BVerfG vom 23. 10. 2018 – 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14 zugrunde. In dieser lesenswerten Entscheidung begehrten zwei Windenergieanlagenbetreiber die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für Windenergieanlagen, die von der Behörde wegen Unvereinbarkeit mit § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG versagt worden war. Das BVerfG hielt es im Ergebnis für mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG vereinbar, dass das OVG Magdeburg und das BVerwG der Behörde eine – gerichtlich nicht voll überprüfbare – naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zuerkannt hatten. Nach Auffassung des BVerfG ergeben sich die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle jedoch nicht daraus, sondern „rühren schlicht daher, dass sich die naturschutzfachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Verwaltungsentscheidung objektiv nicht abschließend beurteilen lässt.“ (Rn. 17).

[7] Häufig wird mit Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung oder später auf Antrag des Vorhabenträgers die sofortige Vollziehung angeordnet, sodass nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat.

[8] Az.: 10 S 2378/17, ZNER 2018, 481 ff. und I+E 2018, 221 ff.

[9] Die Pflicht zur UVP bzw. UVP-Vorprüfung ist nach Nr. 1.6 Anlage 1 zum UVPG abgestuft nach der Zahl der Windkraftanlagen: für 3 bis 5 standortbezogene Vorprüfung, für 6 bis 19 allgemeine Vorprüfung, ab 20 Windkraftanlagen UVP-Pflicht. Für 20 oder mehr Windkraftanlagen ist nach Nr. 1.6.1 Anhang 1 zur 4. BImSchV ein (förmliches) Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchzuführen. Ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG ist nach Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV nur möglich, wenn die standortbezogene oder allgemeine Vorprüfung zum Ergebnis kommt, dass keine UVP-Pflicht besteht. Sonst ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1c 4. BImSchV ebenfalls das (förmliche) Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchzuführen.

[10] Nach der Überleitungsvorschrift des § 8 UmwRG war das UmwRG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. 8. 2017 (BGBl. I S. 3290) anwendbar.

[11] Az.: 5 K 587/17; veröffentlicht in juris und in NuR 2018, 280 ff.

[12] Das entspricht der st. Rspr. des BVerwG (z. B. U. v. 17. 12. 2013 – 4 A 1/13, BVerwGE 148, 353 Rn. 41): § 4 Abs. 1, 3 UmwRG begründet nicht die Klage- bzw. Antragsbefugnis i. S. v. § 42 Abs. 2 VwGO, sondern betrifft nur die Begründetheitsprüfung.

[13] Nach der Überleitungsvorschrift des § 74 Abs. 1 UVPG war noch § 3a S. 4 UPVG in der vor dem 16. 5. 2017 geltenden Fassung anwendbar. Aus Gründen der besseren Nachvollziehbarkeit wird in diesem Beitrag in der Regel das UVPG n. F. zitiert.

[14] Zur Bedeutung von Fachkonventionen im Artenschutzrecht z. B. Bick/Wulfert, NVwZ 2017, 346, 353 ff.

[15] Hinweise zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen, 2015, S. 25. Dieses Dichtezentrum-Konzept wurde von der LUBW entwickelt, um für den Rotmilan Verstöße gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG beurteilen zu können. Es geht davon aus, dass die Erhaltung eines günstigen Erhaltungszustands im Land möglich ist, wenn der Schutz der Quellpopulationen im Land (Gebiete mit hoher Siedlungsdichte, „Dichtezentren“) gewährleistet wird und dadurch Individuenverluste ausgeglichen werden, die außerhalb der Dichtezentren eintreten. In Dichtezentren dürfen Ausnahmen vom Tötungsverbot nach § 45 Abs. 7 BNatSchG nicht zugelassen werden. Es ist in Dichtezentren auch nicht möglich, durch Vermeidungsmaßnahmen (sog. FCS-Maßnahmen) das Tötungsrisiko unter die Signifikanzschwelle zu senken (S. 67 f. der Hinweise).

[16] S. o. Fn. 8.

[17] Z. B. B. v. 13. 7. 2017 – 7 B 1.17, juris Rn. 11.

[18] Nachfolgend daran festhaltend VGH Mannheim B. v. 4. 10. 2018 – 10 S 1639/17, juris Rn. 7 f.

 

Dr. Matthias Hangst

Rechtsanwalt bei Dolde Mayen & Partner in Stuttgart und Lehrbeauftragter an der Universität Konstanz
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