Bereitschaftsdienst eines Feuerwehrbeamten als Arbeitszeit
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes
Bereitschaftsdienst eines Feuerwehrbeamten als Arbeitszeit
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hatte in einem Rechtsstreit die Frage zu klären, ob Bereitschaftsdienste, die der Leiter der Berufsfeuerwehr des Beklagten geleistet hatte, als Arbeitszeit oder als Ruhezeit zu werten waren.
Die Beteiligten stritten über einen Bescheid, mit dem zu viel gezahlte Vergütungen an den verbeamteten Kläger – den Leiter der Berufsfeuerwehr des Beklagten – zurückgefordert wurden. Das Verwaltungsgericht (VG) hat seiner Klage stattgegeben, den Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (VG) jedoch abgelehnt.
Begriff der Arbeitszeit unionsrechtlich geregelt
Im Kern ging es bei dem Streit um die Frage, ob Bereitschaftsdienste, die der Beamte geleistet hatte, als Arbeitszeit oder als Ruhezeit zu werten waren. Ausgangspunkt dieser Frage ist Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL). Danach ist Arbeitszeit jede Zeitspanne, während der der Arbeitnehmer arbeitet oder dem Arbeitgeber zur Verfügung steht.
Speziell für den Bereich der Berufsfeuerwehr hat der EuGH entschieden, dass Art. 2 Nr. 1 der RL so auszulegen ist, dass Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft, während der ein Arbeitnehmer in der Lage sein muss, innerhalb von 20 Minuten in Einsatzkleidung mit dem ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Einsatzfahrzeug unter Inanspruchnahme der für dieses Fahrzeug geltenden Sonderrechte gegenüber der Straßenverkehrsordnung (StVO) und Wegerechte die Stadtgrenze seiner Dienststelle zu erreichen, nur dann in vollem Umfang „Arbeitszeit“ i. S. d. Bestimmung darstellt, wenn eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls, zu denen die Folgen einer solchen Zeitvorgabe und gegebenenfalls die durchschnittliche Häufigkeit von Einsätzen während der Bereitschaftszeit gehören, ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während der Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie seine Möglichkeiten, dann die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen.1EuGH, Urt. v. 09.03.2021 – C-580/19
Auferlegte Einschränkungen maßgeblich
Bei der Beurteilung, ob der Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit zählt, ist somit eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer (hier der Beamte) seinen Aufenthaltsort und seine Freizeitgestaltung während des Bereitschaftsdienstes weitgehend frei wählen und gestalten kann, oder ob er insoweit erheblichen Einschränkungen unterliegt und in seiner Freizeitgestaltung weitgehend beeinträchtigt ist.
Erhebliche Einschränkungen bei Freizeitgestaltung
Eine solch weitgehende Beeinträchtigung der Freizeitgestaltung liegt etwa dann vor, wenn der Arbeitnehmer einen Einsatzort binnen weniger Minuten erreichen muss. Der Dienst des Feuerwehrbeamten begann bei einer Alarmierung mit dem Starten des Motors des Dienstfahrzeugs und Meldung bei der Leitstelle.
Schon nach zwei Minuten erhielt er dann weitere Informationen oder Befehle für den laufenden Einsatz. Während der Bereitschaftszeiten musste sich der Beamte somit entweder immer in der Nähe von Einsatzkleidung und -fahrzeug aufhalten oder die Einsatzkleidung ständig tragen. Zudem gab es die Vorgabe, dass er auch bei Nutzung von Sondersignalen des Dienstfahrzeugs nicht weiter als 20 Minuten von der Feuerwache entfernt sein darf.
Alarmierung jederzeit zu erwarten
Auch wenn der Beklagte keine ausdrücklichen Vorgaben zum Aufenthaltsort während des Bereitschaftsdienstes gemacht hat, war der Beamte ganz erheblich in seiner Freizeitgestaltung eingeschränkt. Freizeitaktivitäten wie etwa der Besuch eines Restaurants oder einer Kulturveranstaltung scheiden bei lebensnaher Betrachtung aus.
Dabei ist nicht nur zu beachten, dass er ständig in der Nähe des Dienstfahrzeugs sein muss und die – gerade für Kulturveranstaltungen oder Sportaktivitäten – unpassende Dienstkleidung tragen muss, sondern auch dass er mit einem jederzeitigen Einsatz rechnen muss, der seine Planungen unterbricht. Selbst das Erledigen von Einkäufen oder sonstige Besorgungen werden von der ständigen Erwartung einer Alarmierung geprägt.
Hinweis für die Praxis
Die vorliegende Entscheidung steht in einer Reihe mit anderen Entscheidungen zu ähnlichen Sachverhalten, die die Gerichte in letzter Zeit beschäftigen. Die Entscheidung ist für die Kommunalpraxis sehr lesenswert. Auch wenn die wenigsten Kommunen über hauptamtliche Feuerwehrbeamte verfügen, hat doch (fast) jede Kommune Personal, das Bereitschaftsdienst verrichtet.
Dies sind beispielsweise Wassermeister, die auch außerhalb der Dienstzeiten binnen kürzester Zeit auf Wasserrohrbrüche reagieren müssen, ggf. Hausmeister, Straßenbau/Streckenwarte bei Unfällen usw. Die Entscheidung verdeutlicht, dass der Bereitschaftsdienst unter den im Beschluss ausführlich dargelegten Umständen Arbeitszeit ist.
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschl. v. 27.01.2025 – 1 A 60/24
Entnommen aus der Fundstelle Baden-Württemberg 08/2025, Rn. 116.
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- 1EuGH, Urt. v. 09.03.2021 – C-580/19