Unfair oder unvollständig?
Das juristische Notensystem im Vergleich
Unfair oder unvollständig?
Das juristische Notensystem im Vergleich

Mit Beginn des Wintersemesters 2013/14 führte die Europa-Universität Viadrina den integrierten Bachelor of Laws (LL.B.) im Studiengang Rechtswissenschaften ein. Inzwischen sind es bundesweit 15 Universitäten. Doch was sind diese Abschlüsse im Vergleich zu anderen Studienfächern und der dortigen Notengebung wert?
Integrierter Bachelor bedeutet, dass er in das klassische Studium zur Ersten Juristischen Prüfung eingegliedert ist, d.h. ohne zusätzliche Leistungen erlangt werden soll. Bis heute fand die einheitliche, flächendeckende Umsetzung des integrierten LL.B. entweder gar nicht, unvollständig oder nur sehr langsam statt. Doch 2025 verspricht einen guten Beginn: Mit Verlauf des Jahres bzw. des Wintersemesters 2024/25 führen insgesamt sieben weitere Universitäten den integrierten LL.B. ein. Damit liegt der Status quo bei 15 Universitäten. Weitere vier Universitäten können dies auf Grundlage der Änderung des Landeshochschulgesetzes (LHG) vom 06.11.2024 in Baden-Württemberg angehen. Vier andere Universitäten haben dies bereits fest im weiteren Jahresverlauf geplant. Damit verbleiben trotz dieser positiven Entwicklungen 20 von 43 Universitäten ohne integrierten LL.B. – ausgenommen die Kombinations- oder Nebenfach-Studiengänge.
LL.B. als notwendige Ergänzung?
Der LL.B. stellt eine benötigte Ergänzung zur traditionellen juristischen Ausbildung dar. Absolvent:innen können im Anschluss entweder ein Masterstudium beginnen oder direkt in den Arbeitsmarkt einsteigen. Vielversprechende Karriereoptionen umfassen unter anderem Tätigkeiten als Rechtspfleger:in, Unternehmensjurist:in oder in einer juristischen Redaktion. Um faire Chancen auf dem Arbeitsmarkt gegenüber konkurrierenden Absolvent:innen anderer Studiengänge zu haben, ist es für die Absolvent:innen des LL.B. essenziell, nicht konsequent durch die Notenumrechnung benachteiligt zu werden.
Somit wird einerseits die Ungerechtigkeit der Umrechnung zu anderen Studiengängen ohne Zweifel deutlich. Andererseits ist jedoch die Umrechnung selbst an den Universitäten bezogen auf das juristische Punktesystem im Moment ebenfalls uneinheitlich.
An den 15 Universitäten mit einem integrierten LL.B. reagieren neun der Universitäten nicht auf Nachfrage bezüglich existierender Tabellen. Bei den verbleibenden sechs Universitäten wurden fünf verschiedene Umrechnungstabellen bestätigt, woraus sich lediglich zwei Übereinstimmungen ergeben.
Wie sollte eine einheitliche Umrechnungstabelle aussehen?
Aufgrund der bestehenden Diskrepanzen und der bevorstehenden Einführung des LL.B. in den verbleibenden Bundesländern muss eine einheitliche Umrechnungstabelle eingeführt werden. Doch wie sollte diese aussehen?
Nach Überprüfung und Vergleich bisheriger Umrechnungstabellen kann zunächst festgestellt werden, dass die Punkte für „durchgefallen“, d.h. 0 bis 3 Punkte der juristischen Skala, 5,0 entsprechen müssen. Die bestmögliche juristische Note (18 Punkte) und die niedrigste Bestehensnote (4 Punkte) sollten hingegen den Werten 1,0 und 4,0 zugeordnet werden. Komplexer gestaltet sich jedoch die Verteilung innerhalb dieses Rahmens. Es verbleiben 13 juristische Notenpunkte, denen lediglich 8 Drittelnoten zugewiesen werden können.
Die Lösung der Universität Göttingen erscheint hierfür sinnvoll. Jede Drittelnote wird nur einmal vergeben, und ab 13 Punkten entfällt die Vergabe weiterer Drittelnoten. Ab diesem Punkt werden die Noten direkt in eine 1,0 umgerechnet. Uns ist bewusst, dass dies auf den ersten Blick eine große Spannweite darstellt. Betrachtet man dies jedoch im Verhältnis zu allen im Jahre 2022 erbrachten Bachelorabschlüssen an der FU Berlin, bei welchen 13,24 Prozent der Absolvent:innen mit „sehr gut“ abschlossen, liegt der Anteil der „sehr gut“ und „gut“ abschließenden Examenskandidat:innen zusammengenommen 2021 deutschlandweit lediglich bei 5,03 Prozent. Diese Regelung erscheint weiterhin gerechtfertigt, da ab dem allgemein anerkannten Prädikat als juristische Endnote sämtliche Karrierewege offenstehen. Unser Prädikat entspricht einer Note von 2,3, was denn gerade einmal den Gesamtdurchschnitt aller Bachelorabschlüsse an der FU im Jahr 2022 widerspiegelt.
Schlechterstellung des LL.B. gegenüber anderen Abschlüssen
Selbst mit einer studierendenfreundlichen Anpassung der Umrechnung wären die Absolvent:innen des Bachelor of Laws auf dem konkurrierenden Arbeitsmarkt schlechter gestellt. Wenn sich denn ein:e Bachelor-of-Arts- bzw. -Science-Absolvent:in auf dieselbe Stelle wie ein:e Bachelor-of-Laws-Absolvent:in bewirbt, sollte die grundlegende Vergleichsbasis der Noten dieselbe sein. Eine solche muss jedoch erst geschaffen werden. Da jetzt ein Umbruch stattfindet und zunehmend mehr Universitäten den integrierten LL.B. einführen, darf an dieser Stelle das alte Problem nicht durch ein neues Problem abgelöst werden. Hier muss schnell und effizient angeknüpft werden.
Das geforderte „Sicherheitsnetz“ kann seiner Aufgabe, den psychischen Druck aus dem Staatsexamen (der Pflichtfachprüfung) abzuschwächen und eine „Alles oder nichts“-Situation zu verhindern, nicht gerecht werden, wenn wir es denn nicht für eine Bewerbung erfolgreich nutzen können.
Die teilweise erschreckenden Ergebnisse der aktuell unterschiedlichen Umrechnung – bei der 13 Punkte der Note 1,0 an der Universität Göttingen lediglich 2,0 an einer anderen Universität entsprechen – zeigen deutlich den Bedarf einer einheitlichen Regelung. Entweder muss eine standardisierte Umrechnung etabliert werden oder die juristischen Notenpunkte sollten direkt und ohne Umrechnung für den LL.B. verwendet werden.
Somit ist deutlich, dass sich eine einheitliche Notenumrechnung innerhalb der juristischen Fakultäten der Universitäten etablieren muss. Wie realistisch dies ist, wird sich im Laufe der weiteren – hoffentlich flächendeckenden – Einführung des LL.B. zeigen.
Entnommen aus Recht Reloaded 1/2025, S. 12.