14.07.2025

Wirtschaftsplanung 2.0

Integrierte Planung als Lösungsansatz für eine moderne Finanzverwaltung

Wirtschaftsplanung 2.0

Integrierte Planung als Lösungsansatz für eine moderne Finanzverwaltung

Der erfolgreiche Einsatz integrierter Planung hängt maßgeblich von einer umfassenden organisationalen Transformation ab. © Tesgro Tessieri - stock.adobe.com
Der erfolgreiche Einsatz integrierter Planung hängt maßgeblich von einer umfassenden organisationalen Transformation ab. © Tesgro Tessieri - stock.adobe.com

Die öffentliche Hand in Deutschland steht vor erheblichen finanziellen Belastungen, mit einem gesamtstaatlichen Schuldenstand von über zwei Billionen Euro. Dies wird durch strukturelle Neuverschuldung des Bundes und die Notwendigkeit zur Einhaltung der Maastricht-Defizitgrenzen verstärkt. Trotz steigender Steuereinnahmen besteht eine „Schieflage in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen“, die zu ungleicher Mittelverteilung führt. Kommunal manifestiert sich dies in einer „vertikalen fiskalischen Lücke“, die viele Kommunen daran hindert, Ausgaben aus eigenen Einnahmen zu decken, was oft zu Haushaltsdefiziten und Kassenkrediten führt. Zusätzliche Belastungen ergeben sich aus dem demografischen Wandel und steigenden Verteidigungsausgaben.

Die Ressourcenausstattung öffentlicher Einrichtungen entspricht oft nicht den Erfordernissen. „Knappe Kassen“ sind jedoch auch ein Hinweis auf ein systemisches Planungsdefizit innerhalb der föderalen Struktur. Eine stärker integrierte (Finanz-) Planung, die Vermögens-, Finanz- und Ertragsplanung systematisch abstimmt, ist unerlässlich. Diese ermöglicht einen ganzheitlichen Überblick über die finanzielle Lage und langfristige Auswirkungen von Entscheidungen. Sie ist eine strategische Notwendigkeit zur Stärkung der Resilienz und Förderung der Generationengerechtigkeit. Durch die Verknüpfung von Vermögens-, Finanz- und Ertragsdaten ermöglicht die integrierte Planung, die Wirtschaftsplanung 2.0, eine transparente Betrachtung des Ressourcenverbrauchs und zukünftiger Verpflichtungen. Dieses proaktive Finanzmanagement ist entscheidend für die langfristige finanzielle Gesundheit und Leistungsfähigkeit.

I. Vom Kameralismus zur Doppik

Die Kameralistik, eine auf Einnahmen und Ausgaben beschränkte Buchführung, war lange maßgebend. In den letzten Jahren wurde das kommunale Haushaltsrecht grundlegend erneuert und eine am kaufmännischen Rechnungswesen orientierte kommunale Doppik eingeführt. Die Doppik ist ein ressourcenorientiertes System. Sie basiert auf einem Drei-Komponenten-Modell:


1.       Vermögensrechnung (Bilanz): Zeigt die Verwendung und Herkunft der Mittel.

2.       Ergebnisrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung): Zeigt die Erhöhung oder Verminderung des Reinvermögens und fokussiert auf die Ergebniswirksamkeit.

3.       Finanzrechnung (Cashflow-Statement): Kategorisiert Zahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit, Investitionstätigkeit und Finanzierungstätigkeit.

Diese Komponenten sind in der Wirtschaftsplanung 2.0 direkt miteinander verknüpft. Trotz der Einführung ist das volle Potenzial der Doppik für eine umfassende Finanzsteuerung oft nicht ausgeschöpft. Die Umstellung war mit erheblichen Transaktionskosten verbunden, darunter Personal-, Kosten- und Zeitaufwand sowie fehlende fachliche Kenntnisse. Das „Doppik-Gefälle“ führt zu heterogenen Implementierungspraktiken, die die Datenvergleichbarkeit erschweren, was interkommunale Vergleiche behindert und zur „Schieflage“ und „vertikalen fiskalischen Lücke“ beiträgt. Technologische Lösungen zur Harmonisierung disparater Datenquellen sind daher geboten.

 

II. Integrierte Planung: Vermögen, Finanzen und Erträge im Einklang steuern

Integrierte Planung ist die systematische Verknüpfung der drei zentralen Planungsbereiche der Doppik. Die Ertragsplanung bildet geplante Erträge und Aufwendungen ab und gibt einen Überblick über die künftige Ertragskraft. Die Finanzplanung stellt den Finanzierungsbedarf dar und hilft, Finanzierungslücken aufzudecken, indem sie Kennzahlen wie Eigenkapitalquote oder Verschuldungsgrad abbildet. Die Vermögensplanung konzentriert sich auf die Entwicklung des Vermögens und der Schulden, einschließlich geplanter Investitionen und Abschreibungen.

Durch die Verknüpfung dieser Teilpläne entsteht ein umfassendes, konsistentes und verlässliches Bild der gesamten finanziellen Entwicklung. Diese Integration ermöglicht es, komplexe Abhängigkeiten zu berücksichtigen. Sie macht die Zusammenhänge zwischen operativem Ergebnis, Vermögensentwicklung und Geldflüssen transparent.

Die Vorteile für die Haushaltsführung und strategische Steuerung sind vielfältig:

1.       Ganzheitlicher Überblick: Frühzeitige Identifikation von Chancen und Risiken.

2.       Fundierte Entscheidungen: solide Basis für strategische Investitions- und Finanzierungsentscheidungen.

3.       Nachhaltige und generationengerechte Haushaltspolitik: Transparenz über Ressourcenverbrauch und Werterhaltung des Kapitalstocks.

4.       Verbesserung der Bonität: Transparente Planungen erleichtern Kreditvergaben.

5.       Effiziente Steuerung: Analyse von Plan-Ist-Abweichungen und Ableitung rechtzeitiger Gegenmaßnahmen.

Die integrierte Planung schließt die Lücke zwischen finanzieller Gesundheit und Leistungserbringung. Sie zielt auf soziale und infrastrukturelle Entwicklung ab und dient auch als Werkzeug für Wirkungsorientierung und politischen Dialog.

III.  Praxisnahe Beispiele: Integrierte Planung in Aktion

Die Vorteile integrierter Planung zeigen sich in konkreten Anwendungsfällen:

Beispiel 1: Infrastrukturprojekte und deren Lebenszykluskosten

In der traditionellen Planung liegt der Fokus oft nur auf der Initialinvestition, während langfristige Betriebs-, Wartungs- und Abschreibungskosten vernachlässigt werden. Die integrierte Planung löst dies, indem die Vermögensplanung den Wert der Infrastruktur und deren Wertverlust präzise erfasst. Die Finanzplanung visualisiert den Liquiditätsabfluss für die Investition und die Finanzierung. Gleichzeitig weist die Ergebnisplanung laufende Aufwendungen transparent aus. Dies ermöglicht es, die tatsächlichen Lebenszykluskosten eines Projekts von Anfang an transparent zu machen und fundierte Investitionsentscheidungen zu treffen. Eine solche Vorgehensweise fördert eine „generationengerechtere Haushaltspolitik“ und sichert die „Erhaltung des Kapitalstocks“.

Beispiel 2: Steuerung kommunaler Beteiligungen

Kommunen halten häufig Beteiligungen an Eigengesellschaften. Deren finanzielle Situation ist jedoch nicht immer transparent in den Kernhaushalt integriert, was zu Risiken führen kann. Die integrierte Planung ermöglicht hier eine umfassende Konzernsteuerung und die Erstellung eines kommunalen Gesamtabschlusses. Dies schafft eine konsolidierte Sicht auf die „Kommune als Konzern“. Der Vorteil liegt in der frühzeitigen Erkennung von Risiken und Chancen durch die Einbeziehung der Beteiligungen in die Planungen der Kernverwaltung. Dies verbessert die finanzielle Gesamtverantwortung, Risikobewertung und strategische Steuerung des kommunalen Verbunds.

Die integrierte Planung kann als Katalysator für die interkommunale Zusammenarbeit dienen. Sie schafft eine gemeinsame Grundlage für die Bewertung finanzieller Auswirkungen geteilter Initiativen, optimiert die Ressourcenallokation und ermöglicht Skaleneffekte. Sie markiert einen Übergang von einem Compliance-orientierten Berichtswesen zu einer wertorientierten Steuerung. Sie befähigt Verwaltungen, die Organisation aktiv zu steuern, wertorientierte Entscheidungen zu treffen und Risiken proaktiv zu managen. Dieser Wandel ist das Wesen der „Wirtschaftsplanung 2.0“.

IV.  Technologische Unterstützung für eine moderne Wirtschaftsplanung 2.0

Spezialisierte Softwarelösungen wie zum Beispiel LucaNet bieten leistungsfähige und integrierte Unterstützung für eine moderne Wirtschaftsplanung 2.0. Kernfunktionen sind Datenintegration, Konsolidierung, Budgetierung, Forecasting, Reporting und Analyse bis hin zur KI-Unterstützung.

Der Einsatz solcher Softwarelösungen generiert direkten Nutzen: Automatisierung komplexer Prozesse, Zeitersparnis, Schaffung einer zentralen Datenbasis für konsistente Daten, Echtzeit-Einblicke und Überwindung von Datensilos.

V. Der Weg zur resilienten und zukunftsfähigen Verwaltung mit einer Wirtschaftsplanung 2.0

Um die Vorteile der integrierten Wirtschaftsplanung zu realisieren, sind konkrete Schritte notwendig:

1.       Strategische Verankerung: Integrierte Planung muss als zentrales Steuerungsinstrument etabliert werden.

2.       Technologische Unterstützung: Der Einsatz spezialisierter Softwarelösungen ist unerlässlich.

3.       Kompetenzaufbau: Kontinuierliche Investitionen in die Aus- und Weiterbildung des Personals sind nötig.

4.       Interkommunale Zusammenarbeit: Die Harmonisierung von Daten und Prozessen kann durch gemeinsame Planungstools gefördert werden.

„Wirtschaftsplanung 2.0“ bedeutet, die Potenziale der Digitalisierung voll auszuschöpfen. Das Ziel ist die Etablierung einer agilen, vorausschauenden und wirkungsorientierten Finanzsteuerung. Der Übergang von der zahlungsorientierten Kameralistik zur ressourcenorientierten Doppik bedeutet, dass nicht nur Kassenbestand, sondern auch Vermögenswerte und Verbindlichkeiten verwaltet werden. Die integrierte Planung verknüpft diese Komponenten für strategische Entscheidungen. Das Ziel ist nicht nur der „Haushaltsausgleich“, sondern die Implementierung eines umfassenden Rahmens für „strategische Finanzgovernance“, der finanzielle Entscheidungen mit übergeordneten öffentlichen Politikzielen in Einklang bringt.

„Wirtschaftsplanung 2.0“ ist eine kulturelle und organisatorische Transformation, die einen tiefgreifenden kulturellen Wandel innerhalb der Verwaltung hin zu datengestützten Entscheidungen und verstärkter abteilungsübergreifender Zusammenarbeit benötigt. Der erfolgreiche Einsatz integrierter Planung hängt maßgeblich von einer umfassenden organisationalen Transformation ab.

 

Jan Schmeisky

Wirtschaftsprüfer und Certified Internal Auditor bei Menold Bezler
 

Kim Socher

Wirtschaftsprüfer, Sustainability Auditor IDW
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