28.10.2025

Kommunalwahlen 2026 – Demokratie stärken!

Bericht von der Kommunale in der Messe Nürnberg

Kommunalwahlen 2026 – Demokratie stärken!

Bericht von der Kommunale in der Messe Nürnberg

"Wichtig sei, auch Unpopuläres zu diskutieren sowie bei der Wahrheit zu bleiben." | © sweasy - stock.adobe.com
"Wichtig sei, auch Unpopuläres zu diskutieren sowie bei der Wahrheit zu bleiben." | © sweasy - stock.adobe.com

Alle zwei Jahre findet in den Hallen 8 bis 10 die Kommunale, eine bundesweite Fachmesse, statt. Auf der Messe organisiert der Bayerische Gemeindetag einen Kongress, bei dem in Vorträgen und Diskussionsrunden aktuell wichtigen, kommunalen Themen auf den Grund gegangen wird. Zu den Kooperationspartnern zählen der Gemeindetag Baden-Württemberg, der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie die KommDIGITALE und die AKDB. Am zweiten Tag der Kommunale fand mit Bezug zu den am 8. März 2026 in Bayern stattfindenden Kommunalwahlen auch eine anderthalbstündige Veranstaltung zum Thema „Kommunalwahlen 2026 – Demokratie stärken!“ statt, über die in diesem Artikel berichtet wird.

1. Einführung

Jennifer Hölzlwimmer, Referentin des Bayerischen Gemeindetags für das Kommunalwahlrecht, führte in die Veranstaltung ein. Sie betonte die Rolle der kommunalen Ebene in unserem demokratischen System als „Schule der Demokratie“. Doch derzeit stehe unsere Demokratie zunehmend unter Druck, weshalb zunächst die politikwissenschaftliche Seite zu den Gründen und Auswirkungen der Demokratiekrise beleuchtet wurde.

2. Impulsvortrag: Demokratiekrise und kommunale Ebene

Der Impulsvortrag des Politikwissenschaftlers Prof. Oliver Hidalgo (Universität Passau) widmete sich deshalb zu Beginn den aktuellen Herausforderungen der Demokratie weltweit. Demnach seien die Demokratien allgemein rückläufig und es sei vermehrt ein Abgesang auf die Demokratie zu hören. Vertiefend verwies er auf das Buch „Demokratiedämmerung – Eine Kritik der Demokratietheorie“ von Veith Selk aus dem Jahr 2023.


a) Polarisierung der Gesellschaft und Trump

Besonders deutlich werde diese Entwicklung am Beispiel der USA. Dabei sei Trump mit seinen diktatorischen Ansätzen allerdings nur ein Symptom der Krise der Demokratie. Gründe für das zunehmende Misstrauen gegenüber der Demokratie seien unter anderem die Polarisierung innerhalb der Gesellschaft, wie sie z.B. bei David Goodhart, „The Road to Somewhere“, bei Ezra Klein, „Why we‘re polarized“ oder in den Büchern „The struggle over borders“ (u.a. von Wolfgang Merkel herausgegeben) und „Democracies divided“ beschrieben werde. Zum anderen ließen die Digitalisierung und sozialen Medien eine zunehmende Radikalisierung in der Bevölkerung zu. Das Vertrauen in die Demokratie schwinde, da Probleme wie Klimawandel, Migration und Demografie scheinbar nicht gelöst werden könnten. Aber auch zwischen den Eliten und der Bevölkerung wachse eine Kluft, die der Demokratie abträglich sei. Letztlich wünschten sich immer mehr Menschen Lösungen aus den multiplen Krisen, die sie angesichts des Versagens von Demokratien eher einer autoritären Führung zutrauen würden.

b) Back to the roots?

Um dem Vorwurf einer Fassadendemokratie etwas entgegenzusetzen, seien direktere Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger in Betracht zu ziehen. Politische Repräsentation schwäche unser demokratisches System. Vorbild könnten die antiken griechischen Stadtstaaten sein, in denen die Demokratie entstand – auch wenn damals viele Bürger von den Wahlen und entscheidenden Gremien ausgeschlossen waren. Die Bürger heute sollten wieder das Gefühl haben, sie könnten etwas bewegen.

c) Kommunale Ebene als Therapieanker?

Eine politische Mitsprache der Bürger lasse sich dabei von unten nach oben am besten verwirklichen, wie dies schon Alexis de Tocqueville erkannte. Auf kommunaler Ebene lernten die Bürger am besten, wie in einer Gemeinschaft Kompromisse und ein Ausgleich zwischen Eigen- und Allgemeininteresse zu finden seien. Das heißt, kommunale Institutionen seien als Laboratorien zum Erlernen konstruktiven Streitens und des Respekts vor dem anderen zu verstehen. Dabei sei die intrinsische Motivation wichtig. In diesem Zusammenhang verwies Hidalgo auf Ernst-Wolfgang Böckenförde. Alle zusammen seien schlauer als ein Einzelner. So wäre auch für die Politik wichtig, an das Wissen der Bevölkerung anzuknüpfen und sich dieses nutzbar zu machen. Die Erfahrungen, die im Kleinen gemacht werden, können sich dann in der großen Politik bewähren, ähnlich wie Hannah Arendt dies ausführte.

d) Schattenseiten der politischen Teilhabe

Es gibt aber auch Schattenseiten bei einer lebhaften demokratischen Teilhabe. Die positive Seite eines politischen Engagements könne auch in Aktionismus und Populismus umschlagen. Eine Demokratie dürfe außerdem nicht in eine Mehrheitstyrannei münden. Wichtig sei die Erkenntnis, dass es keine Autorität der Wahrheit gebe. Verschiedene Meinungen müssten auch nebeneinander koexistieren können. Bürgerräte schützten davor, Meinungen zu übergehen.

Insgesamt hielt Hidalgo fest, dass besonders die kommunale Politikebene ein Gegengewicht zur Demokratiekrise bilden könne.

3. Vortrag: Rechtliche Instrumentarien

Nach dem 30-minütigen Vortrag aus politikwissenschaftlicher Perspektive ging Hölzlwimmer auf die rechtliche Seite ein.

a) Meinungsfreiheit und Parteien

Was tue der Gesetzgeber, um der Krise der Demokratie vorzubeugen? Zunächst ging Hölzlwimmer auf die Meinungsfreiheit als grundlegende Voraussetzung einer Demokratie ein. Demnach sei Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ebenso erlaubt, wie die Äußerung der Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu ändern (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005, Az. 1 BvR 1072/01). Das Grundgesetz erzwinge keine Werteloyalität und baue lediglich auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptierten und verwirklichten (BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009, Az. 1 BvR 2150/08).

Grundelement unserer Demokratie sei aber auch die sog. wehrhafte Verfassung, die in dem Parteienverbot ihren Ausdruck finde. Nach Art. 21 GG könnten nur solche Parteien verboten werden, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgingen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Hierbei sei ein aktives Handeln sowie ein bestimmtes Maß an Potenzialität erforderlich. Auf der anderen Seite sei der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, Chancengleichheit sowie gleiches Recht auf Mitwirkung der Parteien zu gewährleisten (sog. Parteienprivileg).

b) Kandidatenaufstellung einer rechtsextremen Partei

Wie steht es mit der Wählbarkeit (Art. 21 GLKrWG)? Darf jemand kandidieren, wenn seine Verfassungstreue fraglich erscheint? Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen hatte ein Wahlausschuss schon im Vorhinein die Aufstellung eines Kandidaten verhindert. Ob dies rechtmäßig geschah, müsse noch richterlich geklärt werden. Feststehe, dass die Wählbarkeit eines Kandidaten entfalle, sofern er Mitglied einer verbotenen Partei sei. Als parteiloser Kandidat könne er sich jedoch später erneut zur Wahl stellen. Nicht eindeutig geklärt sei, ob eine Wählbarkeit auch dann entfalle, wenn eine Partei als rechtsextrem bezeichnet werden dürfe.

c) Gemeindeordnung und Geschäftsordnungen

Hölzlwimmer erklärte weiter die Möglichkeiten, die die Gemeindeordnung vorsehe, um demokratiegefährdende Entwicklungen per Geschäftsordnung zu verhindern. Dabei wies Hölzlwimmer darauf hin, dass diese Maßnahmen jeweils immer nur im Nachhinein erfolgen könnten: Zum Beispiel ein Nichtbefassungsbeschluss bestimmter Tagesordnungspunkte auf Antrag; bei einer schikanösen Inanspruchnahme von Auskunftsrechten brauche diesen nicht entsprochen werden; das Hausrecht sehe als ultima ratio einen Sitzungsausschluss vor (allerdings nur bei Provokationen oder Herabwürdigungen dritter Personen, nicht bei inhaltlichen Auseinandersetzungen, vgl. BayVGH, Urteil vom 29. Juli 1987, Az. 4 B 86.01352); Sitzungen könnten unterbrochen oder geschlossen werden.

d) Aktueller Gesetzentwurf

Zum Ende ihres Vortrags hin berichtete Hölzlwimmer von einem Gesetzentwurf, der sich gerade noch im Gesetzgebungsverfahren befinde und ein Ordnungsgeld in Art. 53 Abs. 3 der Gemeindeordnung in maximaler Höhe von 500 Euro bei einem Verhalten vorsehe, das die Sitzung der Ordnung erheblich störe. Zudem solle der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen für Veranstaltungen, bei denen nationalsozialistische oder antisemitische Inhalte zu erwarten seien, beschränkt werden (Art. 21 Abs. 1 der Gemeindeordnung).

Der Bayerische Gemeindetag habe sich für diesen Gesetzentwurf ausgesprochen. Ziel all dieser Maßnahmen sei die Stärkung der Demokratie.

4. Podiumsgespräch

Im Anschluss an den Vortrag der Referentin fand ein Podiumsgespräch statt, bei der neben dem Vortragenden Hidalgo die Bürgermeisterin der Gemeinde Lehrberg (ca. 3.000 Einwohner) Renate Hans und der Bürgermeister der Stadt Lichtenberg (ca. 1.000 Einwohner) und Landtagsabgeordnete der CSU Kristan von Waldenfels teilnahmen. Den beiden Bürgermeistern wurde Gelegenheit gegeben sich vorzustellen, wobei deutlich wurde, dass beide als Ausnahmeerscheinungen gelten können: Renate Hans als aktive Frau in der Politik und Kristan von Waldenfels als einer der jüngsten Kommunalpolitiker Deutschlands. Gemeinsam hatten beide, dass sie bereits zu Schulzeiten Klassensprecher bzw. Schulsprecher waren. Einig war man sich auf dem Podium, dass nur mit Engagement der demokratische Staat funktioniert. Von Waldenfels betonte, dass seine Partei ein Gesellschaftsjahr und eine Wehrpflicht befürworten, auch um der um sich greifenden „Vollkasko-Mentalität“ entgegenzuwirken.

Aber auch das Thema „Finanzen“ wurde erwähnt und die klammen Kassen der Kommunen. Hans setzte auf das Konnexitätsprinzip: Beschließt der Bund Aufgaben, dann soll er die Kosten entsprechend übernehmen. Als von Waldenfels das Sondervermögen erwähnte und die Forderung nach einem entsprechend großen Anteil für die kommunale Ebene, ergänzte auch Hölzlwimmer, dass der Bayerische Gemeindetag dies ebenso fordere.

Die nächste Fragestellung bezog sich auf die Wahlbeteiligung bei den Bayerischen Kommunalwahlen. Hölzlwimmer erwähnte, dass im Jahr 2014 die Wahlbeteiligung mit 54,7 % noch niedriger war als im Jahr 2020 mit 58,8 % – ein gutes Zeichen für die Demokratie in Bayern? Hidalgo wies darauf hin, dass sich in der Krise wieder mehr für Politik interessieren, dass aber die Wahlbeteiligung nicht der einzige Maßstab sei, um die Qualität der Demokratie zu messen. Denn auch eine Radikalisierung innerhalb der Gesellschaft o.Ä. könne Anlass für eine hohe Wahlbeteiligung sein. Allerdings kenne er eine Studie, die ergab, dass tatsächlich das demokratische Bewusstsein steige, was wiederum ein positives Zeichen für unsere Demokratie sein könne.

5. Zuschauerfragen bzw. -erfahrungen

Ein Vorschlag aus dem Publikum, man könne evtl. das Amt eines Kommunalpolitikers auf längstens 18 Jahre begrenzen, um die Zufriedenheit mit der Demokratie zu erhöhen, wurde vom Podium nicht als zielführend bewertet. Von Waldenfels verwies auf die Nähe von Bürgern zur Kommunalpolitik und die besonderen Wahlmöglichkeiten bei den Kommunalwahlen, die eine Abwahl ermöglichten. In seiner Gemeinde seien außerdem langjährig erfahrene Kommunalpolitiker im Amt, die er nicht missen wolle. Hinzu kämen Nachwuchsprobleme.

Hidalgo ergänzte, dass Ämterrotation wichtig sei, es allerdings effektiver sein könne, mehr Leute zu bewegen, sich politisch zu engagieren. Hans betonte, dass ein Gemeinderat von der Vielfalt der Räte leben würde und sie auf Bürgeraktionen setze (z.B. Rama Dama oder Entbuschungsaktionen), wo man sich anschließend bei einem gemeinsamen Essen auch näher kennen und schätzen lerne. Zudem unterstütze sie die Initiative „Bavaria ruft – Mehr Frauen in die Räte“. Dabei sei besonders wichtig, dass politisches Engagement auch vorgelebt werde.

Ein weiterer Teilnehmer aus dem Publikum, ein Bürgermeister aus Unterfranken, meldete sich außerdem zu Wort und erwähnte, die AfD würde vor allem von Bürgern gewählt, die der Ansicht seien, dass das politische Angebot nicht mehr ausreiche. Er war der Ansicht, die Kommunalpolitiker seien „Opfer des eigenen Erfolges“. Man könne aber nicht mehr alles versprechen und solle die Bürger mit der Wahrheit konfrontieren, nämlich, dass nicht jedes Krankenhaus mehr aufrechterhalten werden könne, nicht jede Buslinie usw. Tatsächlich müsse vermittelt werden, dass die Kommunen am Limit seien, sodass das Anspruchsdenken ende. Zudem seien neue Gemeinderäte auch durch soziale Medien verunsichert. Vor allem im digitalen Raum würde so viel schlecht gemacht. Das würde auch bis in den Gemeinderat getragen und die Diskussionskultur negativ beeinflussen. Er lasse sich nicht mehr zur Wahl aufstellen.

6. Abschluss-Statements

Um zu einem guten Abschluss zu kommen, fragte Hölzlwimmer die Podiumsteilnehmer noch nach ihren Wünschen für die anstehende Kommunalwahl. Allerdings wollte von Waldenfels das Statement des letzten Redners nicht so stehen lassen. Er verwies noch einmal auf den Impulsvortrag von Hidalgo und die These, dass Trump nur das Gesicht der Demokratiekrise sei. Es gäbe tatsächliche, multiple Krisen. Allerdings hätten die Kommunen nicht die Macht, diese Probleme anzugehen. Übergeordnete Ebenen sollten sich die Probleme anhören und lösen. Die sozialen Medien zeigten nur, dass das Sprechen über Probleme diese noch lange nicht löse.

Hans führte aus, dass die Ausstattung der Kommunen essenziell sei und betonte, welchen wichtigen Stellenwert die Kommunalpolitik in der Gesellschaft habe. Die Gestaltungsmöglichkeiten in der Gemeinde seien Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung, was positiv hervorgehoben werden solle. Hoffnung mache ihr die Möglichkeit, auch einen Kindergemeinderat ins Leben zu rufen. Dieser könne Nachwuchsprobleme angehen und auch positive Impulse für die Kommunalpolitik geben.

Abschließend bemerkte Hidalgo, dass zu berücksichtigen sei, dass es sich teilweise um unlösbare Probleme handele. Es sei natürlich schwierig, eine positive Einstellung in den Menschen hervorzurufen, wenn es heiße, dass die „fetten Jahre“ nun vorbei seien. Wie aber der Lebensstandard für unsere Enkel beispielsweise aussehe, könne keiner voraussagen. Die AfD biete allerdings keine Lösungen für die zukünftigen Probleme. Wichtig sei, auch Unpopuläres zu diskutieren sowie bei der Wahrheit zu bleiben. Sicher aber sei, dass sich etwas ändern müsse.

 

Corinna Wilde

Ass. jur., Lektorin, Richard Boorberg Verlag
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