Entzug der Parteienfinanzierung
Ein Instrument mit Tücken
Entzug der Parteienfinanzierung
Ein Instrument mit Tücken

In Deutschland weht seit den Zeiten der Pandemie und dem Erwachen der ‚Wir sind das Volk‘-Bewegung samt einer parlamentarischen AfD-Opposition, die den demokratischen Grundkonsens in vielfältiger Weise in Frage stellt, Deutschland und Europa neu denkt und die Eckpfeiler der Demokratie verschiebt, ein neuer Wind. Propagierten viele noch vor Monaten, das Phänomen neurechter Bewegungen werde sich – wie so oft zuvor – totlaufen, hat sich nicht bewahrheitet.
Seitdem stellt sich die Frage, wie wehrhaft die Demokratie eigentlich ist. Die Diskussionen drehen sich rund um Verbotsverfahren, um Parteienfinanzierung, um straf- und verwaltungsrechtliche Maßnahmen, um eine Absicherung des BVerfG, um politische Teilhabe und die Grenzen von Meinungs- und Pressefreiheit.
Das Urteil zum Ausschluss von der Parteienfinanzierung
Wenig überraschend hat das BVerfG auf Antrag des Deutschen Bundestages, des Bundesrates und der Bundesregierung am 23. Januar 2024 (2 BvB 1/19) entschieden, dass die Partei ‚Die Heimat‘ (vormals NPD) für die Dauer von sechs Jahren von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen ist und somit nach Art. 21 III GG auch steuerliche Begünstigungen für diese Partei entfallen.
Es ist einem ungewöhnlich deutlichen obiter dictum des BVerfG mit dem Hinweis auf die Möglichkeiten des Art. 21 III GG im Rahmen des zweiten gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens (Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13) zu verdanken, dass das Verfahren überhaupt in Gang gesetzt wurde.
Beim ersten Versuch, ein Parteiverbot gegen die NPD zu erwirken, bemängelte das Verfassungsgericht, dass die NPD zwar die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung betrieb aber dermaßen stark mit Zuträgern für Geheimdienste und Strafverfolgungsorgane durchsetzt war, dass kaum unterschieden werden konnte, wer ein autonom handelndes Parteimitglied und wer ein extern gesteuerter agent provocateur war.
Beim zweiten Versuch machte man es besser und schaltete die alle V-Leute rechtzeitig ab, um den neuerlichen Verbotsantrag nicht zu gefährden. Das BVerfG honorierte dies und stellte u.a. fest:
Der Antragsteller hat zur Überzeugung des Gerichts dargetan, dass alle V-Leute auf den Führungsebenen der NPD spätestens zum Zeitpunkt des Bekanntmachens der Absicht, einen Verbotsantrag zu stellen, abgeschaltet waren und eine informationsgewinnende Nachsorge unterblieben ist. Auch ist davon auszugehen, dass die Prozessstrategie der NPD nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht wurde und hinreichende Vorkehrungen getroffen worden sind, um im Rahmen der Beobachtung der NPD hierüber zufällig erlangte Erkenntnisse nicht zu deren Lasten zu verwenden‘.
In der Folgebegründung stellte das BVerfG dezidiert fest, dass es sich bei der NPD um eine verfassungswidrige Partei handelt.
Dennoch kam es nicht zu einem Parteiverbot.
Überraschend für viele urteilte das BVerfG, dass dem Tatbestandsmerkmal des ‚darauf Ausgehens‘ der Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung (Art. 21 II GG) notwendigerweise der Rechtsgedanke der sogenannten ‚Potentialität‘ zugrunde liege. Das bedeute, so das BVerfG, dass eine Partei die planvoll erstrebte Durchsetzung ihrer verfassungswidrigen Ziele auch wirklich erreichen können müsse. Organisationsstruktur, Kampagnenfähigkeit und Wirkkraft der Partei in der Gesamtgesellschaft müssten eine potenzielle Erreichung der verfassungswidrigen Ziele wenigstens möglich erscheinen lassen. Dies sei wegen der immer weiter sinkenden Bedeutung der NPD im parlamentarischen und außerparlamentarischen Willensbildungsprozess nicht gegeben. Ergo fehle es der verfassungswidrigen NPD am nötigen Potential zur Durchsetzung ihrer Ziele.
Das Verbotsverfahren war erneut gescheitert.
Das Urteil stieß nicht auf ungeteilte Zustimmung. Es schien, als sei dem qualitativen Aspekt der verfassungswidrigen Bestrebungen der quantitative Aspekt der Potentialität zur Seite gestellt worden, der ein Parteiverbot zusätzlich erschwert.
Folgewirkungen der Parteiverbotsurteile
Die extrem hohen Schwellen zu einem Parteiverbot haben in der jüngst aufgeflammten Debatte um ein mögliches Verbotsverfahren der AfD dazu geführt, dass Experten und Politiker fast unisono von einem solchen Verbotsantrag abraten. Zu groß erscheint die Gefahr des Scheiterns. Ein quasi ‚wasserdichtes‘ Verbotsverfahren weist einen Dschungel an Fallstricken auf, wie das BVerfG hinreichend bewiesen hat. Politische Diskurse sind von der verfassungsmäßigen Idee her mit den Mitteln der gesellschaftlichen Willensbildung und durch Wahlen zu führen. Parteiverbote gehören hingegen zum Werkzeugkasten der ultima ratio, wenn die Regularien des demokratischen Grundkonsenses von einer Partei aktiv bekämpft werden. Für eine solche kämpferisch antidemokratische Haltung müssen allerdings handfeste Kriterien vorliegen.
Im bisher einzigen Parteienfinanzierungsurteil auf Grundlage des Art. 21 III GG sah das BVerfG kein Problem damit, die aktiv betriebene Verfassungswidrigkeit der Gesamtpartei festzustellen. Das Gericht griff auf die Argumentation aus dem letzten Parteiverbotsverfahren gegen die NPD zurück.
Bei Art. 21 III GG (Finanzierungsausschlussverfahren) handele es sich nicht um verfassungswidriges Verfassungsrecht, weil der Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien aus der staatlichen Finanzierung keine Aushöhlung des Demokratieprinzips darstelle. Chancengleichheit der politischen Parteien sei nur Parteien zu gewähren, die ihrerseits demokratische Prinzipien anerkennen und diese nicht beseitigen wollen. Dies sei ein Wesensgrundsatz der wehrhaften Demokratie als Substanz des durch Art. 79 III GG garantierten Demokratieprinzips.
Das BVerfG argumentiert:
‚Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausschlusses einer Partei von staatlicher Finanzierung gem. Art. 21 III GG ist durch den weitgehenden Gleichlauf mit den materiellen Voraussetzungen des Parteiverbots gem. Art. 21 II GG geprägt. Sowohl das Parteiverbots- als auch das Finanzierungsausschlussverfahren verlangen eine Betroffenheit des Schutzguts der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Beeinträchtigung oder Beseitigung eine Partei nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger entweder ausgeht (Art. 21 II GG) oder ausgerichtet sein (Art. 21 III GG) muss. Die Voraussetzungen des ‚darauf Ausgehens‘ und des ‚darauf Ausgerichtetseins‘ sind dabei nicht identisch. Ein ‚darauf Ausgerichtetsein‘ setzt ein qualifiziertes und planvolles Handeln zur Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus, ohne dass es auf das Erfordernis der Potentialität ankommt‘.
In dieser Argumentation gibt das BVerfG wesentliche Entscheidungshilfen für potenzielle weitere Verfahren zum Parteiverbot und zum Ausschluss von der Parteienfinanzierung.
In Bezug auf NPD und die Nachfolgepartei ‚Die Heimat‘ verweist das BVerfG auf seine Kriterien zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Parteien aus seinem Urteil vom 17. Januar 2017. NPD und Nachfolgepartei verträten programmatisch unverändert das mit dem Grundsatz der Menschenwürde unvereinbare Konzept einer ethnisch reinen Volksgemeinschaft, dem Leugnen und Verwehren elementarer Rechtsgleichheit und der Diffamierung und Ausgrenzung Andersdenkender und Andersartiger, sowie deren Ausschluss von der Teilhabe an der politischen Willensbildung. Die Wesensverwandtschaft dieser Programmatik mit den Kernideen des Nationalsozialismus samt einer antisemitischen Grundhaltung sei deutlich vorhanden.
Die postulierte ‚Vier –Säulen-Strategie‘ der Partei (Kampf um die Köpfe, Kampf um die Straße, Kampf um die Parlamente und Kampf um den organisierten Willen) sei Beleg dafür, dass ‚Die Heimat‘ organisiert, aktiv und flächendeckend für die Umsetzung ihres verfassungsfeindlichen Konzeptes unter Überwindung und Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung tätig sei.
Damit sei die Schwelle des bloßen politischen Bekenntnisses zur Ablehnung demokratischer Grundprinzipien überschritten. Vielmehr sei die Kerntätigkeit der Partei auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausgerichtet. Ein Ausschluss der staatlichen Finanzierung der Partei für die Dauer von sechs Jahren gem. Art. 21 III GG sei gerechtfertigt.