08.07.2025

Die Entwicklung des hessischen Polizeirechts im Jahr 2024

Erweiterte Befugnisse und neue Instrumente für mehr Innere Sicherheit in Hessen

Die Entwicklung des hessischen Polizeirechts im Jahr 2024

Erweiterte Befugnisse und neue Instrumente für mehr Innere Sicherheit in Hessen

Änderungen des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)| © christophe papke  - stock.adobe.com
Änderungen des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG)| © christophe papke - stock.adobe.com

Die nachfolgenden Ausführungen knüpfen an die Beiträge des Autors in PUBLICUS vom 01.09. und 08.09.2023 an, die sich mit den Änderungen des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in den Jahren 2021 bis 2023 befassten.

Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) gilt derzeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2005 (GVBl. I S. 14), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 13.12.2024 (GVBl. 2024 Nr. 83).

Im Jahr 2024 sind im HSOG 13 Paragrafen geändert und 3 Paragrafen eingefügt worden.


Sämtliche Änderungen und Einfügungen erfolgten durch das Gesetz zur Stärkung der Inneren Sicherheit in Hessen vom 13.12.2024 (GVBl. 2024 Nr. 83). Das Gesetz ist am 19.12.2024 in Kraft getreten. Davon ausgenommen waren die Absätze 8 bis 11 des § 14, die am 02.02.2025 in Kraft traten.

Im Einzelnen:

Aufgaben der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden

Dem § 1, der sich mit den Aufgaben der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden befasst, ist ein Absatz hinzugefügt worden. Er enthält keine neuen Aufgaben, sondern hebt hervor, dass der Kriminalprävention, der Demokratieförderung, der Extremismusprävention und der Stärkung des Sicherheitsgefühls im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung durch die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden eine besondere Bedeutung zukommt.

Einschränkung von Grundrechten

In § 10 ist die Liste der einschränkbaren Grundrechte um das in Art. 12a der Hessischen Verfassung (HV) geregelte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ergänzt worden, um dem Zitiergebot des Art. 63 Abs. 2 Satz 1 HV zu entsprechen.

Schutz von Berufsgeheimnisträgern

In § 12a ist der Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Berufsgeheimnisträger erweitert worden und gilt nunmehr auch beim Einsatz von Body-Cams in Wohnungen.

Videoüberwachung

In § 14, der Befugnisnorm für Videoüberwachungen der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden, sind umfangreiche Änderungen vorgenommen worden:

–          Videoüberwachungsmaßnahmen können nunmehr auch sogenannte Angsträume, wie z.B. in bestimmten Fußgängertunneln, erfassen.

–          Die Regelvermutung, dass in bestimmten öffentlich zugänglichen Bereichen die Voraussetzungen für Videoüberwachung gegeben sind, ist auf Bereiche in unmittelbarer Nähe von Flughäfen erstreckt worden.

–          Die Videoüberwachung zum Schutz besonders gefährdeter öffentlicher Einrichtungen oder Räumlichkeiten ist auf den Schutz von besonders gefährdeten Religionsstätten ausgeweitet worden.

–          Die Videoüberwachung durch Body-Cams ist neben den Polizeibehörden grundsätzlich auch den Gefahrenabwehrbehörden, also den Verwaltungsbehörden und den Ordnungsbehörden, erlaubt worden.

–          Die Polizeibehörden, nicht aber die Gefahrenabwehrbehörden, dürfen Body-Cams zur Abwehr dringender Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person auch in Wohnungen unter Beachtung des Schutzes       des Kernbereichs privater Lebensgestaltung einsetzen.

–         Es besteht die Pflicht, grundsätzlich auf Videoüberwachungsmaßnahmen hinzuweisen.

–          Den Polizeibehörden ist bei der Videoüberwachung der Einsatz intelligenter Bildanalysesoftware im Rahmen eines Stufenmodells erlaubt worden. In der ersten Stufe dient die intelligente Videoüberwachung der Erkennung von Mustern, die zweite Stufe betrifft die Nachverfolgung von Personen, die eine Gefahr verursachen, und die letzte Stufe erlaubt unter grundsätzlichem Richtervorbehalt die biometrische Echtzeit-Fernidentifizierung von Personen zur Abwehr überragend wichtiger Rechtsgüter.

Drohnen

Der eingefügte § 15d erlaubt im Rahmen von abschließend aufgeführten, mehrheitlich verdeckten Maßnahmen, wie z.B. Observationen, den Einsatz von unbemannten Luftfahrsystemen, so genannten Drohnen. In den aufgeführten Fällen offener Videoüberwachung gilt die Befugnis nicht nur für Polizeibehörden, sondern auch für Gefahrenabwehrbehörden.

Unbemannte Fahrzeugsysteme

Durch den ebenfalls eingefügten § 15e wird den Polizeibehörden der Einsatz technischer Mittel zur Abwehr von Gefahren erlaubt, die von unbemannten Fahrzeugsystemen ausgehen, die an Land, in der Luft oder zu Wasser betrieben werden.

Identitätsfeststellung

In § 18 werden die Befugnisse der Polizeibehörden, an bestimmten Orten Identitätsfeststellungen vornehmen zu dürfen, erweitert. Sie erstrecken sich nunmehr auch auf Orte, an denen durch eine Gefahrenabwehrverordnung das Führen von gefährlichen Gegenständen verboten oder beschränkt worden ist.

Datenübermittlung

In § 21, der allgemeinen Regelung der Datenübermittlung, ist der Verweis auf das Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (BZRG) gestrichen worden.

Datenanalyse

In § 25a, der Befugnisnorm der Polizeibehörden über die automatisierte Anwendung zur Datenanalyse, ist der Einsatz von KI-Systemen erlaubt worden. Die KI-Systeme können die automatisierte Anwendung zur Datenanalyse ergänzen, um beispielsweise diverse Datenformate schneller zusammenzuführen. Dient die Datenanalyse der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, dürfen weder Verkehrsdaten noch Telekommunikationsdaten in die Analyse einbezogen werden. Diskriminierende Algorithmen dürfen weder herausgebildet noch verwendet werden.

Aussonderungsprüffristen

In § 27, der Vorschrift über die Löschung von Daten, ist die Möglichkeit zur Verlängerung der Aussonderungsprüffristen in den Fällen der Ausübung der verbotenen Prostitution und der jugendgefährdenden Prostitution geschaffen worden.

Häusliche Gewalt

§ 31, die Befugnisnorm, die Regelungen zum Schutz vor häuslicher Gewalt enthält, ist infolge der in § 31a getroffenen neuen Regelungen geändert worden.

Elektronische Aufenthaltsüberwachung

§ 31a, die Regelung über die elektronische Aufenthaltsüberwachung, ist ergänzt worden. Die Maßnahme darf sich nunmehr auch gegen Personen richten, die als gefährlich eingeschätzt werden. Sie kommt damit insbesondere in den Hochrisikofällen häuslicher Gewalt in Betracht. Zudem dürfen die Aufenthaltsorte gefährlicher Personen zu einem Bewegungsbild verbunden werden, wenn diese Maßnahme richterlich angeordnet worden ist. Mit Zustimmung der gefährdeten Person ist es auch erlaubt, sie zu ihrem Schutz mit einem technischen Mittel auszustatten, um ihre Aufenthaltsdaten zu verarbeiten und abzugleichen.

Gewahrsam

In § 32, der Vorschrift für Ingewahrsamnahmen, ist eine weitere Befugnis aufgenommen worden.  Danach darf eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn eine konkrete Gefahr für bestimmte, abschließend aufgeführte hochrangige Rechtsgüter wie z. B. Leib, Leben oder Freiheit einer Person besteht.

Gewahrsamsdauer

In § 35, der Regelung über die Dauer der Freiheitsentziehung, sind die Grenzen für die richterlich festzusetzende höchstzulässige Dauer von Freiheitsentziehungen erheblich erweitert worden. Die Höchstdauer des Gewahrsams zur Durchsetzung einer Maßnahme der elektronischen Aufenthaltsüberwachung beträgt z. B. nicht mehr zehn, sondern zwanzig Tage.

Strafvorschrift

In die Strafvorschrift des § 43b ist ein zusätzlicher Straftatbestand aufgenommen worden. Unter Strafandrohung stehen nunmehr auch wiederholte Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen, die Aufenthaltsverbote betreffen.

Opferschutzmaßnahmen

Als § 43c ist eine Regelung eingefügt worden, die Opferschutzmaßnahmen durch Polizeibehörden zulässt. Die Vorschrift erlaubt es insbesondere, Opfer und potenzielle Opfer von Straftaten, deren Angehörige sowie die für den Opferschutz zuständigen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten bei herausragenden Gefährdungslagen mit Tarnpapieren auszustatten. Sie ergänzt damit den im Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz des Bundes geregelten Schutz von Zeugen im Strafverfahren.

Hinweis: Die in den Beiträgen vom 01.09. und 08.09. 2023 behandelten Änderungen des HSOG der Jahre 2021 bis 2023 sowie die im Jahr 2024 erfolgten HSOG-Änderungen werden in dem im Boorberg-Verlag in Kürze erscheinenden Kommentar Fredrich/Kraft, Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, 14. Auflage 2025, ausführlich kommentiert.

 

 

 

Dirk Fredrich

Ministerialrat a.D. Dirk Fredrich, vormals Referatsleiter im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport
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