24.07.2025

Leistungsausschluss für EU-Bürger ohne Aufenthaltsrecht

Überbrückungsleistungen (hier: Behandlung akuter Erkrankungen) auch ohne Bereitschaft zur Ausreise

Leistungsausschluss für EU-Bürger ohne Aufenthaltsrecht

Überbrückungsleistungen (hier: Behandlung akuter Erkrankungen) auch ohne Bereitschaft zur Ausreise

Ein Beitrags aus »Zeitschrift für das Fürsorgewesen (ZfF)« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrags aus »Zeitschrift für das Fürsorgewesen (ZfF)« | © emmi - Fotolia / RBV

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 19 Abs. 1 bzw. Abs. 3 SGB XII ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, (nur) Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Eine gegenüber § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII weitergehende Einschränkung trifft u. a. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, der einen vollständigen Ausschluss von Leistungen nach Abs. 1 normiert. Hiervon bildet § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII wiederum eine Rückausnahme.

Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII gilt für einen Zeitraum von einem Monat innerhalb von zwei Jahren nicht. § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB XII schränkt dabei gegenüber § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII den Leistungsumfang ein, nämlich auf bestimmte Elemente des notwendigen Lebensunterhalts i. S. d. § 27 a Abs. 1 Satz 1 SGB XII (Bedarfe für Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege und Unterkunft und Heizung) sowie auf eine auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzuständen beschränkte Hilfe bei Krankheit i. S. d. § 48 SGB XII und eingeschränkte Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft i. S. d. § 50 SGB XII (insoweit ohne Leistungen der häuslichen Pflege). Zur Überwindung einer besonderen Härte werden ggf. „andere Leistungen im Sinne von Absatz 1“ gewährt (vgl. 23 Abs. 3 Satz 6 Halbs. 1 SGB XII).

Bei einer Überbrückungsleistung ist der Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nach § 23 Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 SGB XII auf die Behandlung akuter Erkrankung beschränkt. Die Behandlung einer akuten Erkrankung schließt die diagnostischen Maßnahmen zu ihrer Erkennung ein. Ein Anspruch auf „ärztliche Behandlung“ von akuten Erkrankungen ist ohne einen Anspruch auf diagnostische Maßnahmen zu ihrer Erkennung nicht existenzsichernd umsetzbar.


Der Anspruch auf die Überbrückungszahlung hängt nicht von einer Ausreisebereitschaft oder einem Ausreisewillen ab. Es ist auch nicht danach zu differenzieren, ob im Einzelfall eine sofortige Rückkehr in das Heimatland möglich wäre oder ein (anderer) Grund für eine Härte i. S. d. § 23 Abs. 3 Satz 6 Halbs. 2 SGB XII vorliegt.

Ein (einschränkendes) subjektives Tatbestandsmerkmal lässt sich schon dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII nicht entnehmen. Es ist auch dem Sinn und Zweck der Überbrückungsleistungen nicht immanent. Überbrückungsleistungen werden mit dem Ziel gewährt, den Zeitraum bis zu einer Ausreise im Grundsatz nur einmal in zwei Jahren und nur für einen festen Maximalzeitraum von einem Monat zu überbrücken. Bereits mit dem abgesenkten Leistungsniveau wird das gesetzgeberische Ziel erreicht, dem Ausländer nur eine eingeschränkte Existenzsicherung bis zu einer Ausreise zu gewährleisten, die der Gesetzgeber typisierend in einem Monat für möglich und zumutbar hält.

Bei Überbrückungsleistungen handelt es sich um antragsunabhängige Leistungen, die bei Kenntnis des Sozial hilfeträgers von der Bedarfslage von Amts wegen geprüft werden müssen.

Verschafft der Nothelfer dem Sozialhilfeträger die Kenntnis vom Eilfall, leitet dies ein Verwaltungsverfahren ein und löst dann die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers aus, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären. Der Träger der Sozialhilfe wird (nur) im Falle einer ernstlichen, in Kenntnis der ihn dann treffenden Kostenlast ausgesprochenen Weigerung des Leistungsberechtigten, Hilfe in Anspruch zu nehmen, nicht leistungspflichtig.

Nach § 23 Abs. 3 Satz 6 Halbs. 2 SGB XII werden Überbrückungsleistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus erbracht, soweit dies im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Selbst wenn innerhalb des Zeitraums von zwei Jahren bereits Überbrückungsleistungen zur Behandlung einer akuten Krankheit erbracht wurden, können bei einer kurzfristig notwendig gewordenen Behandlung aber zumindest die Voraussetzungen für die Gewährung von Überbrückungsleistungen im Rahmen der Härtefallregelung vorliegen. Ein Anwendungsfall der Härteregelung, die zur Erstreckung von Überbrückungsleistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinausführt, ist das Vorliegen von Reiseunfähigkeit insbe-sondere zur Krankenbehandlung, weil eine Ausreise in das Heimatland zur Erlangung der existenzsichernden Hilfe in diesem Fall objektiv nicht möglich ist.

Die Bedarfe für Rückreisekosten nach § 23 Abs. 3a SGB XII, die nur für Ausländer mit einer offensichtlichen Rückkehrmöglichkeit anfallen können, werden – abweichend von der Grundkonzeption des § 18 SGB XII – nur auf Antrag gewährt (Urteil des BSG vom 13. 7. 2023, FEVS 75, 263).

Entnommen aus der ZfF Heft 09/2024.

 

Wolfgang Glatzel

Fachbereich Soziales der Landeshauptstadt Hannover
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