3. Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht

3. Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht

Die dritte Herbsttagung der im letzten Jahr neu gegründeten und mittlerweile 218 Mitglieder zählenden Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht im Deutschen Anwaltverein fand am 16./17. November 2017 in Berlin mit fast 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Sie begann bereits am frühen Abend mit einer exklusiven Führung durch das Stasi-Unterlagenarchiv in Berlin Lichtenberg. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sahen durchaus Parallelen bei der Akteneinsicht von Betroffenen in Stasi-Unterlagen und von Antragstellern im Nachprüfungsverfahren in die Vergabeakten des Auftraggebers: Die Akten weisen durch Schwärzungen und die Entnahme von Schriftstücken erhebliche Lücken auf. Beim anschließenden gemeinsamen Abendessen im historischen Nikolaiviertel bestand Gelegenheit zum Networking, was viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten. Der zweite Tag begann nach der Mitgliederversammlung unter der Moderation der Vorsitzenden des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht, Dr. Annette Mutschler-Siebert.

Der Weg zum Wettbewerbsregister und das Registergesetz

Zunächst informierte Ministerialrat Dr. Thomas Solbach (BMWi) über die Einführung eines bundesweiten Wettbewerbsregisters. Auch wenn das Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) bereits seit 29. Juli 2017 in Kraft ist, greifen die Abfrage- und Meldefristen erst ab Inbetriebnahme des Registers spätestens 2020. Vorher müssen die technischen Voraussetzungen (IT, Personal und Organisation) des beim Bundeskartellamt in Bonn verorteten Registers geschaffen und eine Rechtsverordnung abgestimmt und erlassen werden. Das Bundeskartellamt wird Leitsätze zur Selbstreinigung erstellen und mit dem Bundeswirtschaftsministerium abstimmen. Rechtsschutz gegen Eintragungen und die Versagung des Löschungsantrages wegen Selbstreinigung wird vor dem OLG Düsseldorf möglich sein. Voraussetzung für eine Eintragung werden rechtskräftige Verurteilungen, bestandskräftige Bußgeldbescheide und bei Kartellbußen die entsprechende Entscheidung der Kartellbehörde sein. Nicht erfasst werden Strafurteile im europäischen Ausland und von der EU Kommission verhängte Bußgelder. Auskunftsansprüche bestehen nicht für die Allgemeinheit, sondern für die betroffenen Unternehmen, die Präqualifizierungsstellen und für die zur Abfrage verpflichteten Auftraggeber.

Bindungswirkung des Wettbewerbregisters

Diskutiert wurde im Anschluss an den Vortrag von Solbach darüber, dass das Register nur Bindungswirkung in Bezug auf eine positive Löschungsentscheidung entfaltet, so dass ein Angebotsausschluss nicht auf eine alte, jetzt gelöschte Eintragung gestützt werden kann. Keine Bindung besteht für den öffentlichen Auftraggeber dahingehend, dass ein Auftrag an ein Unternehmen, das eine Eintragung hat, zwingend ist. Es handelt sich gerade nicht um eine „schwarze Liste“ mit verbindlicher Vergabesperre. Der Auftraggeber kann über die Eintragung und die Bedeutung für die anstehende Auftragserteilung selbst entscheiden. Er kann und muss sich auch mit den vom Bieter unternommenen Selbstreinigungsmaßnahmen beschäftigen und zu dem Schluss kommen, dass die Selbstreinigung erfolgreich war. Der Bieter ist nicht verpflichtet, wenn er sich auf erfolgreiche Selbstreinigung berufen will, diese vom Register prüfen zu lassen. Dies kann, so ein Teilnehmer, regionale Auftraggeber in Bezug auf regional ansässige Unternehmen unter Umständen unter Druck setzen.

Auf Nachfrage einer Teilnehmerin geht Solbach davon aus, dass die Länderregister aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebung, die der Bund nun wahrnimmt, obsolet werden. Dies müsste auch dann gelten, wenn die Eintragungsschwelle für das Landesregister niedriger ist. Die Frage, mit wie vielen Eintragungen gerechnet wird, konnte nicht beantwortet werden, weil es kein Zahlenmaterial gäbe.

Das „neue“ Leistungsbestimmungsrecht: Ein Abschied auf Raten? / Im Zweifel für den Wettbewerb?

Vor der Mittagspause referierten Dr. Matthias Krist und Dr. Friedrich Hausmann zum Leistungsbestimmungsrecht. Die von Hausmann als solche bezeichnete „Schweinehundtheorie“ wird allen Zuhörern im Gedächtnis bleiben: Anhand von zahlreichen Einzelfallentscheidungen wurde nachgewiesen, dass immer dann, wenn sich der öffentliche Auftraggeber nach Ansicht des Vergabesenats als absichtlicher Wettbewerbsverhinderer herausstellte, er sich nicht auf sein Leistungsbestimmungsrecht berufen konnte und vor dem Vergabesenat unterlag.

Unterkostenangebote: Strategien aus Auftraggebersicht / Prozessuale Sichtweise

Am Nachmittag standen dann Unterkostenangebote auf dem Programm. Dr. Jenny Mehlitz erläuterte das Vorgehen des anwaltlich beratenen Auftraggebers bei der Prüfung von Unterkostenangeboten und der Entscheidung über einen etwaigen Angebotsausschluss. Nach ihrer Erfahrung hat sich hier auch nach der Entscheidung des BGH vom 31.01.2017 (X ZB 10/16) nichts geändert. Der Vorsitzende der Vergabekammer Südbayern, Matthias Steck, wies darauf hin, dass bei ihm bisher nur Fälle zu entscheiden waren, in denen trotz Überschreitung der Aufgreifschwellen keine Aufklärung bezüglich des Nichtvorliegens eines Unterkostenangebots dokumentiert war. Hier musste dem Auftraggeber die Aufklärung aufgegeben werden. Steck sensibilisierte die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in prozessualer Hinsicht auf das erhebliche Spannungsverhältnis zwischen effektivem Rechtsschutz und rechtlichem Gehör und den grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteressen des betroffenen Bieters in einem Nachprüfungsverfahren.

Am Ende der Tagung wies Mutschler-Siebert auf die nächsten Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht hin: In Kooperation mit dem „forum vergabe“ wird es am 29. Mai 2018 in Berlin um Anwaltsthemen gehen. Auf dem Deutschen Anwaltstag 2018 in Mannheim am 7./8. Juni 2018 findet eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Strafrechtsausschuss zu Compliance und Vergabestrafrecht statt.

Rechtsanwältin und Notarin Dr. Eva-Dorothee Leinemann, Berlin

Deutscher Anwaltverein – Arbeitsgemeinschaft Vergaberecht

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