13. Krankenrechtshaustag Düsseldorf

13. Krankenrechtshaustag Düsseldorf

„Nieder mit der Ärztekorruption!” – unter diesem Titel rief der für seine öffentlichkeitswirksamen Äußerungen bekannte Bundesrichter Thomas Fischer in seinem Blog im vergangenen Jahr zum Kampf gegen die Korruption im Gesundheitswesen auf. Der Richter am BGH in Strafsachen sehnte sich bereits nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, welches nun am 30. 05. 2016 in Kraft getreten ist. Eine weitere gesundheitspolitische Neuerung von großer Relevanz war das In-Kraft-Treten des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) am 01. 01. 2016.

Zwei folgenreiche Entwicklungen

Unter dem Eindruck dieser beiden folgenreichen Entwicklungen fand am 10. 05. 2016 der vom MGEPA NRW veranstaltete 13. Krankenhausrechtstag in Düsseldorf statt. Hierzu lud Staatssekretärin Hoffmann-Badache in die Räumlichkeiten der Deutschen Rentenversicherung Rheinland an prominenter Adresse in die Düsseldorfer Königsallee ein. Die Veranstaltung wurde von den beiden Themenblöcken geprägt, welche die krankenhausrechtliche Diskussion im letzten Jahr wesentlich dominierten: das KHSG und die Novellierung des Wirtschaftsstrafrechts.

Das Krankenhausstrukturgesetz

Nach Einführung und Begrüßung durch Staatssekretärin Hoffmann-Badache kam mit Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger (Universität Augsburg) zum Auftakt der Veranstaltung zunächst die Rechtswissenschaft zu Wort. In seinem Vortrag mit dem Titel „Das Krankenhausstrukturgesetz – Kompetenzielle Grundsatzfragen” bewertete der Referent das KHSG unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenzen. Wollenschläger stellte fest, dass die Inkorporation von Bundesrecht (i. R. d. als „Empfehlungen” bezeichneten Beschlüsse des GBA) nach § 6 Abs. 1 a Satz 1 KHG in die jeweiligen Krankenhauspläne einen verfassungswidrigen Kompetenzübergriff in die Planungshoheit der Länder darstelle. Zudem bewegten sich über das allgemeine Qualitätsziel des § 1 Abs. 1 KHG hinausgehende Detailvorgaben in einem „kompetenziellen Graubereich”. Augenfällig sei auch, dass das Aufstellen bundeseinheitlicher Finanzierungsgrundsätze i. R. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 a GG einerseits wegen der elementaren Bedeutung der Krankenhausversorgung als „erforderlich” i. S. d. Art. 72 Abs. 2 GG angesehen werde, der Gesetzgeber andererseits aber mit § 6 Abs. 1 a Satz 2 KHG ein unkoordiniertes Abweichungsrecht der Länder geschaffen und somit zum Ausdruck gebracht habe, dass er einheitliche rechtliche Regelungen für das gesamte Bundesgebiet nicht für geboten erachte. Einen möglichen Ausweg aus den aufgezeigten „kompetenziellen Fallstricken” sah der Referent letztlich in einer Änderung der Verfassung und der Schaffung von mehr Kompetenzbefugnissen zugunsten des Bundes.

Über „Qualität als Planungsparameter” sprach Dr. med. Christof E. Veit (Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), Berlin). Der Leiter des IQTiG gab anschauliche Einblicke in die Arbeit des 2015 gegründeten Instituts und erläuterte die Zusammenarbeit mit dem GBA im Rahmen der Beschließung von Qualitätsindikatoren nach § 136 c sowie deren Durchsetzung und Kontrolle gem. § 137 SGB V. Dabei hob Veit die Herausforderung hervor, welche das KHSG mit sich bringe, reliable, faire und justiziable Messinstrumente für Versorgungsqualität zu bestimmen. Um nicht nur mangelhafte, sondern auch exzellente Qualität darstellen zu können, seien methodisch zahlreiche Einzelprobleme zu lösen. Veit zeigte sich im Hinblick auf die Befürchtung eines unnötigen Bürokratiezuwachses jedoch optimistisch: Da im Bereich von SGB V sowie KHG und KHEntgG bereits etliche Regelungen und juristische Klärungen zu finden seien, werde eine qualitätsorientierte Weiterentwicklung des Gesundheitswesens gelingen. Darauf, welche konkreten Änderungen sich für die Krankenhausplanung der Länder – insbesondere im Hinblick auf die Nichtaufnahme nach § 8 Abs. 1 a KHG bzw. die Herausnahme aus dem KHPl nach § 8 Abs. 1 b KHG – ergeben werden, wollte sich der Referent jedoch nicht festlegen lassen, sondern verwies insoweit auf das in § 136 c Abs. 1 Satz 3 SGB V festgelegte Datum des 31. 12. 2016.

Krankenhauskooperationen

In das besondere Spannungsverhältnis zwischen dem durch das KHSG eingeführten Strukturfonds und dem Kartellrecht bei Krankenhauskooperationen führte Rechtsanwältin Claudia Mareck (Rehborn Rechtsanwälte, Dortmund) die Zuhörer ein. Die Referentin veranschaulichte den Zielkonflikt zwischen dem nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KHG eingerichteten Strukturfonds und dem Kartellverbot gem. § 1 GWB i. V. m. § 134 BGB sowie der Fusionskontrolle nach § 35 GWB: Während der Strukturfonds nach § 12 Abs. 1 Satz 3 KHG den Zweck verfolge, Überkapazitäten abzubauen und stationäre Versorgungsangebote sowie Standorte zu konzentrieren, diene das GWB der Verhinderung von Krankenhauszusammenschlüssen, welche einen wirksamen Wettbewerb behindern würden, vor allem bei marktbeherrschender Stellung.
Besonderes Augenmerk legte die Referentin auf die Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen Kartell- und Planungsbehörden auf Landesebene. Im Hinblick auf § 6 Abs. 4 der Krankenhausstrukurfonds-Verordnung (KHSFV), welcher die Sicherstellung des Wettbewerbsrechts bei Förderung der Krankenhausträger den Ländern zuweise, stelle sich nun die Herausforderung eines (wie auch immer gearteten) Austauschs zwischen den Landeskartell- und den Landesgesundheitsbehörden.

Novellierung des Wirtschaftsstrafrechts

Mit dem Vortrag von OStA‘in Dr. Ina Holznagel (Justizministerium NRW) zum Thema „§§ 299, 299 a und b StGB, Weg und Ziel” wurde das Feld des Krankenhausstrukturgesetzes verlassen und die Novellierung des Wirtschaftsstrafrechts erörtert. Die Referentin legte zunächst die Entstehungsgeschichte und die seit langem geführte Diskussion um eine erforderliche Novellierung der Korruptionstatbestände im Lauterkeitsrecht dar. Nachdem frühere gesetzgeberische Initiativen gescheitert waren, habe die nunmehr erfolgte Umsetzung ihren Ausgangspunkt in der bekannten „Ratiopharm-Entscheidung” des BGH (Beschl. v. 29. 03. 2012 – GSST 2/11) genommen. Nachdem der Große Strafsenat in dieser Entscheidung festgestellt hatte, dass niedergelassene Ärzte weder „Amtsträger” nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB, noch „Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen” im Sinne des § 299 StGB seien, merkte er an, dass korruptivem Verhalten im Gesundheitswesen mit den Mitteln des Strafrechts effektiv entgegengetreten werden müsse und forderte den Gesetzgeber dazu auf, die bestehende Strafbarkeitslücke zu schließen. Die Referentin betonte, dass der 1997 in Kraft getretene § 299 StGB trotz der Reform auch weiterhin für Ärzte gelte, welche in der Position eines „Angestellten” im Sinne der Norm tätig seien.

Sie führte aus, dass § 299 Abs. 1 StGB das „Wettbewerbsmodell” (Nr. 1) und das auf dem „principal-agent”-Modell beruhende „Geschäftsherrenmodell” (Nr. 2) vereint. In § 299 a StGB wurde dieses Modell jedoch nicht übernommen. Grund sei, so Holznagel, die Schwierigkeit den „Prinzipal” des Arztes zu bestimmen. § 299 a StGB sieht zudem ausdrücklich vor, dass der Vorteil „als Gegenleistung” gewährt wird (sog. spezifische Unrechtsvereinbarung).

Mit Blick auf die für Ärzte in Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft weiterhin gültigen §§ 331 StGB ff. führte die Referentin aus, dass diese vorrangig zur Anwendung kämen. Holznagel betonte die besondere Strenge dieser Delikte, welche bereits die bloße „Dienstausübung” (ohne konkrete Diensthandlung) unter Strafe stellen und zudem keine Unrechtsvereinbarung verlangen. Das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahren, welches letztlich in einem Kompromiss beruht, der laut Referentin im Wesentlichen auf die Kritik von Frank Ulrich Montgomery zurückgeht, bewertete Holznagel durchaus positiv.

Rechtsanwalt Matthias Wallhäuser (Rechtsanwälte Busse & Miessen, Bonn) begab sich in seinem Vortrag anschließend auf einen Streifzug durch die Auswirkungen des neuen Korruptionstatbestandes auf den Krankenhaussektor und Kooperationsmodelle. Der Referent machte zunächst allgemeine Ausführungen zur Entstehung des neuen Gesetzes und warf dann zahlreiche offene Fragen in den Raum, welche insbesondere um das schwierige Verhältnis von Sozial- und Strafrecht kreisten. In seinem Vortrag wurde deutlich, dass der Referent dem neuen Gesetz insgesamt eher pessimistisch gegenüber steht. Der Honorararzt sei in jedem Fall „tot”, so Wallhäuser. Grundsätzlich zulässig seien hingegen auch künftig Kooperationen nach § 115 a, § 115 b, § 116 b SGB V, sowie die integrierte Versorgung nach § 140 a SGB V und Bonuszahlungen gem. § 84 SGB V. Der Referent empfahl betroffenen Krankenhäusern abschließend, in eine Compliance-Abteilung zu investieren und entsprechend Vorsorge zu treffen. Als anwaltlicher Berater müsse man sich nun sämtliche Altverträge zur Prüfung vorlegen lassen.

In der anschließenden Diskussion mit seiner Vorrednerin konnte diese seine Befürchtung, dass die Staatsanwälte demnächst auf den Krankenhausfluren ihr Unwesen treiben würden, nicht teilen. Dies sei schon aufgrund der geringen Personalstärke der Staatsanwaltschaften nicht zu erwarten.

Im Übrigen, so Holznagel, könne alles, was sozialrechtlich erlaubt sei, strafrechtlich nicht relevant sein. Nach Ansicht der OStA›in bedürfte es nur einer Entscheidung eines Sozialgerichts, welches ein bestimmtes Verhalten als gesetzmäßig ansehe, um die Staatsanwaltschaft daran zu binden. Dann jedenfalls fehle es am erforderlichen subjektiven Tatbestand des Handelnden.

Fazit

In den sich an die Vorträge anschließenden Diskussionen, welche LMR Dr. Frank Stollmann moderierte, zeigte sich ein reges Interesse, insbesondere der Anwaltschaft, am Umgang mit den beiden neuen Gesetzen und möglichen Konsequenzen für die Praxis. Sehr deutlich wurden die unterschiedlichen Erwartungen, aber auch Befürchtungen im Hinblick auf das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen.
In diesem Sinne schloss man mit den Worten von Karl Valentin: „Hoffentlich wird es nicht so schlimm wie es jetzt schon ist”.

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